Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De prudentia aulica. ben fast mehr aulicos die in Gefängniß gestorben, als auf dem Bette.Man darf nicht dencken, daß solche ihren Herrn nicht treu gewesen, son- dern sie haben demselben mehr gedienet als GOtt; sie versehen aber doch einmahl was, da verläst sie unser HErr GOtt, & sic pereunt. Die wenigsten haben eine wahre intention, warum sie nach Hofe gehen, die wenigsten wissen nicht einmahl ihre natürliche Religion, geschweige die Christliche. Diese Sachen supponiren wir, als Christen, als vernünff- tige Leute. Macchiavelli hat gemeynet: Bey dem Hofe könnte einer öhnmöglich nach den Reguln des Christenthums leben. Herr Buddeus aber hat ihn in seiner Theologia Thetica specialiter refutirt, und gewie- sen, wie alles wohl könne bey einander stehen; Es muß eine wahre pie- tas bey einem Aulico seyn. Die wahre pietas bestehet nicht darinne, daß ich den gantzen Tag singe und bethe, au contraire, es ist eine mar- que einer Heucheley; sondern die wahre Gottesfurcht bestehet darinne, daß ich mich vor unseren HErr GOtt demüthigen muß, und erkenne, daß alle meine fortune von GOtt dependire, und er mich auch in einem Augenblick könne zu nichte machen; das kan ich in meinem Cämmer- lein thun, und darf eben nicht den gantzen Tag plappern, welches Plap- pern aber ein Anzeigen entweder einer superstition, oder eines Enthusias- mi; oder einer grossen Heucheley. Vitringa in seinen aphorismis Theo- logicis hat recht gezeigt, was ein homo probus seyn solle; das andere, sagt er, sind nur Aufmunterungen, und kan zu Zeiten geschehen. Ich wollte, daß alle Leute einen rechten concept von der probitate hätten. Wenn einer auch noch so fromm, so darf er nicht gleich dencken, daß er gleich ankommen wird, und praecise an den Orth, wo er hin will; Ich habe in meinem eigenen Leben gefunden, was ich habe wollen werden, bin ich am wenigsten worden. Man muß die Gelegenheit observiren; Es ist gut, daß einer bisweilen adversites hat. Rabutin de Büssi war ein bel Esprit, hat aber den König raillirt, kam darüber in Ungnade, kam erst in die Bastille, hernach gar von Pariß weg, darüber hat er sich ab- surd geberdet, endlich aber hat ers erkannt, und gesagt: Es sey ihn in der Jugend so wohl gegangen, deßwegen sey er hochmüthig worden, und hernach zu grunde gangen, habe sich aber nicht gleich in das Unglück schicken können, daher schreibt er einen Tract. des Adversites, an seine Kinder, und sagt, sie sollten GOtt loben, wenn er ihnen in der Jugend Unglück schicke. §. 18. Patiens muß einer vor allen Dingen seyn; Wer gar zu be-Von der Ge- Cham-
De prudentia aulica. ben faſt mehr aulicos die in Gefaͤngniß geſtorben, als auf dem Bette.Man darf nicht dencken, daß ſolche ihren Herrn nicht treu geweſen, ſon- dern ſie haben demſelben mehr gedienet als GOtt; ſie verſehen aber doch einmahl was, da verlaͤſt ſie unſer HErr GOtt, & ſic pereunt. Die wenigſten haben eine wahre intention, warum ſie nach Hofe gehen, die wenigſten wiſſen nicht einmahl ihre natuͤrliche Religion, geſchweige die Chriſtliche. Dieſe Sachen ſupponiren wir, als Chriſten, als vernuͤnff- tige Leute. Macchiavelli hat gemeynet: Bey dem Hofe koͤnnte einer oͤhnmoͤglich nach den Reguln des Chriſtenthums leben. Herr Buddeus aber hat ihn in ſeiner Theologia Thetica ſpecialiter refutirt, und gewie- ſen, wie alles wohl koͤnne bey einander ſtehen; Es muß eine wahre pie- tas bey einem Aulico ſeyn. Die wahre pietas beſtehet nicht darinne, daß ich den gantzen Tag ſinge und bethe, au contraire, es iſt eine mar- que einer Heucheley; ſondern die wahre Gottesfurcht beſtehet darinne, daß ich mich vor unſeren HErr GOtt demuͤthigen muß, und erkenne, daß alle meine fortune von GOtt dependire, und er mich auch in einem Augenblick koͤnne zu nichte machen; das kan ich in meinem Caͤmmer- lein thun, und darf eben nicht den gantzen Tag plappern, welches Plap- pern aber ein Anzeigen entweder einer ſuperſtition, oder eines Enthuſiaſ- mi; oder einer groſſen Heucheley. Vitringa in ſeinen aphorismis Theo- logicis hat recht gezeigt, was ein homo probus ſeyn ſolle; das andere, ſagt er, ſind nur Aufmunterungen, und kan zu Zeiten geſchehen. Ich wollte, daß alle Leute einen rechten concept von der probitate haͤtten. Wenn einer auch noch ſo fromm, ſo darf er nicht gleich dencken, daß er gleich ankommen wird, und præciſe an den Orth, wo er hin will; Ich habe in meinem eigenen Leben gefunden, was ich habe wollen werden, bin ich am wenigſten worden. Man muß die Gelegenheit obſerviren; Es iſt gut, daß einer bisweilen adverſités hat. Rabutin de Büſſi war ein bel Eſprit, hat aber den Koͤnig raillirt, kam daruͤber in Ungnade, kam erſt in die Baſtille, hernach gar von Pariß weg, daruͤber hat er ſich ab- ſurd geberdet, endlich aber hat ers erkannt, und geſagt: Es ſey ihn in der Jugend ſo wohl gegangen, deßwegen ſey er hochmuͤthig worden, und hernach zu grunde gangen, habe ſich aber nicht gleich in das Ungluͤck ſchicken koͤnnen, daher ſchreibt er einen Tract. des Adverſites, an ſeine Kinder, und ſagt, ſie ſollten GOtt loben, wenn er ihnen in der Jugend Ungluͤck ſchicke. §. 18. Patiens muß einer vor allen Dingen ſeyn; Wer gar zu be-Von der Ge- Cham-
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ben faſt mehr aulicos die in Gefaͤngniß geſtorben, als auf dem Bette.
Man darf nicht dencken, daß ſolche ihren Herrn nicht treu geweſen, ſon-
dern ſie haben demſelben mehr gedienet als GOtt; ſie verſehen aber doch
einmahl was, da verlaͤſt ſie unſer HErr GOtt, & ſic pereunt. Die
wenigſten haben eine wahre intention, warum ſie nach Hofe gehen, die
wenigſten wiſſen nicht einmahl ihre natuͤrliche Religion, geſchweige die
Chriſtliche. Dieſe Sachen ſupponiren wir, als Chriſten, als vernuͤnff-
tige Leute. Macchiavelli hat gemeynet: Bey dem Hofe koͤnnte einer
oͤhnmoͤglich nach den Reguln des Chriſtenthums leben. Herr Buddeus
aber hat ihn in ſeiner Theologia Thetica ſpecialiter refutirt, und gewie-
ſen, wie alles wohl koͤnne bey einander ſtehen; Es muß eine wahre pie-
tas bey einem Aulico ſeyn. Die wahre pietas beſtehet nicht darinne,
daß ich den gantzen Tag ſinge und bethe, au contraire, es iſt eine mar-
que einer Heucheley; ſondern die wahre Gottesfurcht beſtehet darinne,
daß ich mich vor unſeren HErr GOtt demuͤthigen muß, und erkenne,
daß alle meine fortune von GOtt dependire, und er mich auch in einem
Augenblick koͤnne zu nichte machen; das kan ich in meinem Caͤmmer-
lein thun, und darf eben nicht den gantzen Tag plappern, welches Plap-
pern aber ein Anzeigen entweder einer ſuperſtition, oder eines Enthuſiaſ-
mi; oder einer groſſen Heucheley. Vitringa in ſeinen aphorismis Theo-
logicis hat recht gezeigt, was ein homo probus ſeyn ſolle; das andere,
ſagt er, ſind nur Aufmunterungen, und kan zu Zeiten geſchehen. Ich
wollte, daß alle Leute einen rechten concept von der probitate haͤtten.
Wenn einer auch noch ſo fromm, ſo darf er nicht gleich dencken, daß er
gleich ankommen wird, und præciſe an den Orth, wo er hin will; Ich
habe in meinem eigenen Leben gefunden, was ich habe wollen werden,
bin ich am wenigſten worden. Man muß die Gelegenheit obſerviren;
Es iſt gut, daß einer bisweilen adverſités hat. Rabutin de Büſſi war ein
bel Eſprit, hat aber den Koͤnig raillirt, kam daruͤber in Ungnade, kam
erſt in die Baſtille, hernach gar von Pariß weg, daruͤber hat er ſich ab-
ſurd geberdet, endlich aber hat ers erkannt, und geſagt: Es ſey ihn in
der Jugend ſo wohl gegangen, deßwegen ſey er hochmuͤthig worden, und
hernach zu grunde gangen, habe ſich aber nicht gleich in das Ungluͤck
ſchicken koͤnnen, daher ſchreibt er einen Tract. des Adverſites, an ſeine
Kinder, und ſagt, ſie ſollten GOtt loben, wenn er ihnen in der Jugend
Ungluͤck ſchicke.
§. 18. Patiens muß einer vor allen Dingen ſeyn; Wer gar zu be-
hertzt iſt, avanciret nicht. Es muß einer offt lange warten. Viele ſind
beſchaffen, wie Richelieu, der die Leute laſſen lange ſtehen in der Anti-
Cham-
Von der Ge-
dult und Be-
ſcheidenheit.
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