Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De prudentia aulica. macht, wenn er die Bau-Kunst und Mahlerey verstanden. Es sind offtKleinigkeiten, wodurch einer avanciren kan. Alte Leute müssen nicht bey jungen Herrn Dienste thun oder suchen; Ich weiß einen General der in Diensten stund, wie aber der jetzige König A. zur Regierung kam danck- te er ab, er sagte: Ich bin ein alter Mann, also muß ich auch einen al- ten Herrn suchen, den jungen Herrn gefielen die alten Generals nicht, und wenn sie sehen, daß ein solcher nicht recht geschwind kan zu Pferde kommen, dächten sie gleich, er könnte nicht recht commandiren; Er gieng in andere Dienste, wurde auch gleich employiret. Ja wenn einer in alle Sattel gerecht ist, so ist es schön, aber wo findet man einen solchen. Bisweilen weiß man auch von keinen bessern Leuten als wie der Poet Lingiere in Paris anfänglich in grossen Ehren gewesen; der Boileau aber brachte ihn am Bettel-Stab! Weil er aber ein genereuser Kerl war, gab er den Lingiere eine Pension. Hieronymus Osorius hat den Cotton, welcher Staats-Secretarius bey der Königin Elisabeth war, nicht recht be- gegnet, da der Cotton saget: Ob er nicht wüste daß er Staats-Secre- tarius? Osorius aber antwortete: Er wisse wohl daß er sich nicht darzu schicke, und wäre ein Unglück vor die Königin Elisabeth, daß sie keinen bessern wuste. §. 14. Die Virtutes sind vel intellectuales vel morales. RationeVon den in- wor- P p p 3
De prudentia aulica. macht, wenn er die Bau-Kunſt und Mahlerey verſtanden. Es ſind offtKleinigkeiten, wodurch einer avanciren kan. Alte Leute muͤſſen nicht bey jungen Herrn Dienſte thun oder ſuchen; Ich weiß einen General der in Dienſten ſtund, wie aber der jetzige Koͤnig A. zur Regierung kam danck- te er ab, er ſagte: Ich bin ein alter Mann, alſo muß ich auch einen al- ten Herrn ſuchen, den jungen Herrn gefielen die alten Generals nicht, und wenn ſie ſehen, daß ein ſolcher nicht recht geſchwind kan zu Pferde kommen, daͤchten ſie gleich, er koͤnnte nicht recht commandiren; Er gieng in andere Dienſte, wurde auch gleich employiret. Ja wenn einer in alle Sattel gerecht iſt, ſo iſt es ſchoͤn, aber wo findet man einen ſolchen. Bisweilen weiß man auch von keinen beſſern Leuten als wie der Poet Lingiere in Paris anfaͤnglich in groſſen Ehren geweſen; der Boileau aber brachte ihn am Bettel-Stab! Weil er aber ein genereuſer Kerl war, gab er den Lingiere eine Penſion. Hieronymus Oſorius hat den Cotton, welcher Staats-Secretarius bey der Koͤnigin Eliſabeth war, nicht recht be- gegnet, da der Cotton ſaget: Ob er nicht wuͤſte daß er Staats-Secre- tarius? Oſorius aber antwortete: Er wiſſe wohl daß er ſich nicht darzu ſchicke, und waͤre ein Ungluͤck vor die Koͤnigin Eliſabeth, daß ſie keinen beſſern wuſte. §. 14. Die Virtutes ſind vel intellectuales vel morales. RationeVon den in- wor- P p p 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0505" n="485"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De prudentia aulica.</hi></fw><lb/> macht, wenn er die Bau-Kunſt und Mahlerey verſtanden. Es ſind offt<lb/> Kleinigkeiten, wodurch einer <hi rendition="#aq">avanci</hi>ren kan. Alte Leute muͤſſen nicht bey<lb/> jungen Herrn Dienſte thun oder ſuchen; Ich weiß einen <hi rendition="#aq">General</hi> der in<lb/> Dienſten ſtund, wie aber der jetzige Koͤnig <hi rendition="#aq">A.</hi> zur Regierung kam danck-<lb/> te er ab, er ſagte: Ich bin ein alter Mann, alſo muß ich auch einen al-<lb/> ten Herrn ſuchen, den jungen Herrn gefielen die alten <hi rendition="#aq">Generals</hi> nicht,<lb/> und wenn ſie ſehen, daß ein ſolcher nicht recht geſchwind kan zu Pferde<lb/> kommen, daͤchten ſie gleich, er koͤnnte nicht recht <hi rendition="#aq">commandi</hi>ren; Er gieng<lb/> in andere Dienſte, wurde auch gleich <hi rendition="#aq">employi</hi>ret. Ja wenn einer in<lb/> alle Sattel gerecht iſt, ſo iſt es ſchoͤn, aber wo findet man einen ſolchen.<lb/> Bisweilen weiß man auch von keinen beſſern Leuten als wie der <hi rendition="#aq">Poet<lb/> Lingiere</hi> in Paris anfaͤnglich in groſſen Ehren geweſen; der <hi rendition="#aq">Boileau</hi> aber<lb/> brachte ihn am Bettel-Stab! Weil er aber ein <hi rendition="#aq">genereuſer</hi> Kerl war,<lb/> gab er den <hi rendition="#aq">Lingiere</hi> eine <hi rendition="#aq">Penſion. Hieronymus Oſorius</hi> hat den <hi rendition="#aq">Cotton,</hi><lb/> welcher Staats-<hi rendition="#aq">Secretarius</hi> bey der Koͤnigin <hi rendition="#aq">Eliſabeth</hi> war, nicht recht be-<lb/> gegnet, da der <hi rendition="#aq">Cotton</hi> ſaget: Ob er nicht wuͤſte daß er Staats-<hi rendition="#aq">Secre-<lb/> tarius? Oſorius</hi> aber antwortete: Er wiſſe wohl daß er ſich nicht darzu<lb/> ſchicke, und waͤre ein Ungluͤck vor die Koͤnigin <hi rendition="#aq">Eliſabeth,</hi> daß ſie keinen<lb/> beſſern wuſte.</p><lb/> <p>§. 14. Die <hi rendition="#aq">Virtutes</hi> ſind <hi rendition="#aq">vel intellectuales vel morales. Ratione</hi><note place="right">Von den in-<lb/> nerlichen <hi rendition="#aq">qua-<lb/> lit</hi>aͤten eines<lb/> Hof Manns,<lb/> in Anſehung<lb/> des Verſtan-<lb/> des.</note><lb/><hi rendition="#aq">intellectus autor commendat pietatem, prudentiam.</hi> Was <hi rendition="#aq">Prudentiam</hi><lb/> betrifft, ſo haͤtte alles koͤnnen weggelaſſen werden, weil oben ſchon geſagt<lb/> worden, daß ein <hi rendition="#aq">Aulicus</hi> ein <hi rendition="#aq">Judicium pragmaticum</hi> haben ſolle; <hi rendition="#aq">pruden-<lb/> tia</hi> aber iſt <hi rendition="#aq">Judicii pragmatici filia;</hi> Weil er aber in ſeiner <hi rendition="#aq">Ethic</hi> davor<lb/> gehalten, <hi rendition="#aq">prudentia</hi> erfordere <hi rendition="#aq">Diſcretionem, circumſpectionem, providen-<lb/> tiam,</hi> ſo hat er gemeynet, man muͤſſe hier beſonders <hi rendition="#aq">reflecti</hi>ren und es<lb/><hi rendition="#aq">applici</hi>ren, <hi rendition="#aq">ad aulicum.</hi> Die <hi rendition="#aq">Diſcretio</hi> beſtehet ſonderlich darinnen, daß<lb/> er weiß 1) an wen er ſich <hi rendition="#aq">adreſſi</hi>ren ſoll. 2) Daß ers <hi rendition="#aq">cum dexteritate</hi><lb/> thue. Viele Leute wollen ihr <hi rendition="#aq">fortune</hi> bey Hofe machen, und wiſſen<lb/> nicht, wer ihnen die Pforten aufmachen ſoll; Sie <hi rendition="#aq">addreſſi</hi>ren ſich an Per-<lb/> ſonen, die ihnen nicht helffen koͤnnen. Man kan nicht <hi rendition="#aq">præciſe</hi> ſagen:<lb/> Wer <hi rendition="#aq">avancire</hi> ſoll gleich <hi rendition="#aq">ad Principem</hi> gehen. <hi rendition="#aq">Decipietur.</hi> Bisweilen<lb/> laͤufft einer Gefahr, daß er nicht nur nicht <hi rendition="#aq">reuſſi</hi>rt, ſondern wenn ers auch<lb/> erhaͤlt, leichtlich abgeſetzet wird: Denn es finden ſich <hi rendition="#aq">Miniſtres, Mignons,</hi><lb/> welche wollen, daß keiner ohne ſie etwas erhalten ſolle. Bisweilen<lb/> kan einer durch eine <hi rendition="#aq">Dame,</hi> durch einen <hi rendition="#aq">Secretarie,</hi> Cammer-Diener et-<lb/> was erhalten. Bey dem hieſigen <hi rendition="#aq">Adminiſtratore</hi> hat keiner ſein Gluͤck<lb/> machen koͤnnen, der ſich nicht an den Leib-<hi rendition="#aq">Pagen addreſſir</hi>et, der hat Cantz-<lb/> ler, Regierungs-Raͤthe geſetzet und alles vergeben, er iſt auch allein reich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">P p p 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wor-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [485/0505]
De prudentia aulica.
macht, wenn er die Bau-Kunſt und Mahlerey verſtanden. Es ſind offt
Kleinigkeiten, wodurch einer avanciren kan. Alte Leute muͤſſen nicht bey
jungen Herrn Dienſte thun oder ſuchen; Ich weiß einen General der in
Dienſten ſtund, wie aber der jetzige Koͤnig A. zur Regierung kam danck-
te er ab, er ſagte: Ich bin ein alter Mann, alſo muß ich auch einen al-
ten Herrn ſuchen, den jungen Herrn gefielen die alten Generals nicht,
und wenn ſie ſehen, daß ein ſolcher nicht recht geſchwind kan zu Pferde
kommen, daͤchten ſie gleich, er koͤnnte nicht recht commandiren; Er gieng
in andere Dienſte, wurde auch gleich employiret. Ja wenn einer in
alle Sattel gerecht iſt, ſo iſt es ſchoͤn, aber wo findet man einen ſolchen.
Bisweilen weiß man auch von keinen beſſern Leuten als wie der Poet
Lingiere in Paris anfaͤnglich in groſſen Ehren geweſen; der Boileau aber
brachte ihn am Bettel-Stab! Weil er aber ein genereuſer Kerl war,
gab er den Lingiere eine Penſion. Hieronymus Oſorius hat den Cotton,
welcher Staats-Secretarius bey der Koͤnigin Eliſabeth war, nicht recht be-
gegnet, da der Cotton ſaget: Ob er nicht wuͤſte daß er Staats-Secre-
tarius? Oſorius aber antwortete: Er wiſſe wohl daß er ſich nicht darzu
ſchicke, und waͤre ein Ungluͤck vor die Koͤnigin Eliſabeth, daß ſie keinen
beſſern wuſte.
§. 14. Die Virtutes ſind vel intellectuales vel morales. Ratione
intellectus autor commendat pietatem, prudentiam. Was Prudentiam
betrifft, ſo haͤtte alles koͤnnen weggelaſſen werden, weil oben ſchon geſagt
worden, daß ein Aulicus ein Judicium pragmaticum haben ſolle; pruden-
tia aber iſt Judicii pragmatici filia; Weil er aber in ſeiner Ethic davor
gehalten, prudentia erfordere Diſcretionem, circumſpectionem, providen-
tiam, ſo hat er gemeynet, man muͤſſe hier beſonders reflectiren und es
appliciren, ad aulicum. Die Diſcretio beſtehet ſonderlich darinnen, daß
er weiß 1) an wen er ſich adreſſiren ſoll. 2) Daß ers cum dexteritate
thue. Viele Leute wollen ihr fortune bey Hofe machen, und wiſſen
nicht, wer ihnen die Pforten aufmachen ſoll; Sie addreſſiren ſich an Per-
ſonen, die ihnen nicht helffen koͤnnen. Man kan nicht præciſe ſagen:
Wer avancire ſoll gleich ad Principem gehen. Decipietur. Bisweilen
laͤufft einer Gefahr, daß er nicht nur nicht reuſſirt, ſondern wenn ers auch
erhaͤlt, leichtlich abgeſetzet wird: Denn es finden ſich Miniſtres, Mignons,
welche wollen, daß keiner ohne ſie etwas erhalten ſolle. Bisweilen
kan einer durch eine Dame, durch einen Secretarie, Cammer-Diener et-
was erhalten. Bey dem hieſigen Adminiſtratore hat keiner ſein Gluͤck
machen koͤnnen, der ſich nicht an den Leib-Pagen addreſſiret, der hat Cantz-
ler, Regierungs-Raͤthe geſetzet und alles vergeben, er iſt auch allein reich
wor-
Von den in-
nerlichen qua-
litaͤten eines
Hof Manns,
in Anſehung
des Verſtan-
des.
P p p 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |