Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. gute meriten und Redlichkeit ihre fortune zu machen, sondern diesentreibt die ambitio, jenen die avaritia, einen andern voluptas Mancher gehet a la Cour seine fortune zu machen, daß er beständig unter denen Dames ist, er ist etwan ein guter Täntzer. Wenn ich nun als ein vir honestus drunter komme, so bin ich mit lauter lasterhafften Leuten umge- ben, sie essen und trincken mit dir, embrassiren dich, und wenn du weg bist, so verfolgen sie dich auf alle Art und Weise, ja wenn sie es könn- ten, würden sie dich gar massacriren. Wer alle diese Dinge nun nicht will mit machen, da heists freylich exeat aula, qui vult esse pius. Deß- wegen darf man sich dadurch nicht abschrecken lassen, a la Cour zu gehen, man muß wissen wie die Hof-Leute beschaffen, und was sie vor vita ha- ben. Monsr. de la Motte sagt in seinen Problemes Sceptiques. Der beste Hofmann sey, welcher alles sähe, höre, ihu aber, als wenn er es nicht höre; Aber er dürffe nicht mit machen. Ein Enthusiast muß er freylich nicht darbey seyn, sonst jagen sie thn fort. Es schicken sich nicht alle Leute bey Hofe, und sagt Gracian. Messures ses pas. * Ratione cor- poris kan ein Buccolomini nicht bey Hofe ankommen, das corpus muß vor allen Dingen agile seyn, oder es muß einer ratione animi treffliche qualitäten haben, daß man die defauts nicht merckt. Wenn gleich das corpus gut ist, er hat auch ein judicium, so schickt er sich deßwegen nicht bey Hofe. Mancher hat ein judicium, kan grosse problemata auflösen, und kan doch bey Hofe nichts ausrichten. Ein Judicium practicum ge- höret dazu, und machets das gar nicht aus, wenn einer hochgelahrt, ist. Richelieu sagt in seinem Test. Polit. Er wolle keine Hochgelahrte haben, sondern nur solche, welche dasjenige wüsten, wozu er sie brauchen wollte. Ein Judicium practicum aber bestehet darinn, daß einer die Science, die er hat, kan appliciren. Alle abstractiones nutzen nichts; au contraire, es hat fast Richelieu gefehlet, daß er sich bisweilen eine chimaere lassen weiß machen. Vassor hat ihn in seiner Histoire von Louis XIII. durch- gezogen, daß er den Pater Joseph zu viel getrauet, welcher ihm weiß ge- macht, es solle eine chevallerie aufgerichtet werden, damit sollte Constan- tinopel weggenommen werden, und diese chevallerie wollte der Pater Jo- seph commandiren. Man weiß, daß ehe Richelieu groß worden, hat er sich in die Methaphysic verliebt, auch darinnen Bücher geschrieben; wie er * Der Gracian ist wohl zu gebrauchen, sonderlich wenn man erst systematice die Sache
verstehet, er hat viel geschrieben, davon uns Nachricht giebt Nicolaus Anto- nius in Bibl. Hisp. Die Spanier sind gute Leute a la Cour, sie gehen ad rectum. Cap. V. gute meriten und Redlichkeit ihre fortune zu machen, ſondern dieſentreibt die ambitio, jenen die avaritia, einen andern voluptas Mancher gehet a la Cour ſeine fortune zu machen, daß er beſtaͤndig unter denen Dames iſt, er iſt etwan ein guter Taͤntzer. Wenn ich nun als ein vir honeſtus drunter komme, ſo bin ich mit lauter laſterhafften Leuten umge- ben, ſie eſſen und trincken mit dir, embraſſiren dich, und wenn du weg biſt, ſo verfolgen ſie dich auf alle Art und Weiſe, ja wenn ſie es koͤnn- ten, wuͤrden ſie dich gar maſſacriren. Wer alle dieſe Dinge nun nicht will mit machen, da heiſts freylich exeat aula, qui vult eſſe pius. Deß- wegen darf man ſich dadurch nicht abſchrecken laſſen, a la Cour zu gehen, man muß wiſſen wie die Hof-Leute beſchaffen, und was ſie vor vita ha- ben. Monſr. de la Motte ſagt in ſeinen Problemes Sceptiques. Der beſte Hofmann ſey, welcher alles ſaͤhe, hoͤre, ihu aber, als wenn er es nicht hoͤre; Aber er duͤrffe nicht mit machen. Ein Enthuſiaſt muß er freylich nicht darbey ſeyn, ſonſt jagen ſie thn fort. Es ſchicken ſich nicht alle Leute bey Hofe, und ſagt Gracian. Meſſures ſes pas. * Ratione cor- poris kan ein Buccolomini nicht bey Hofe ankommen, das corpus muß vor allen Dingen agile ſeyn, oder es muß einer ratione animi treffliche qualitaͤten haben, daß man die defauts nicht merckt. Wenn gleich das corpus gut iſt, er hat auch ein judicium, ſo ſchickt er ſich deßwegen nicht bey Hofe. Mancher hat ein judicium, kan groſſe problemata aufloͤſen, und kan doch bey Hofe nichts ausrichten. Ein Judicium practicum ge- hoͤret dazu, und machets das gar nicht aus, wenn einer hochgelahrt, iſt. Richelieu ſagt in ſeinem Teſt. Polit. Er wolle keine Hochgelahrte haben, ſondern nur ſolche, welche dasjenige wuͤſten, wozu er ſie brauchen wollte. Ein Judicium practicum aber beſtehet darinn, daß einer die Science, die er hat, kan appliciren. Alle abſtractiones nutzen nichts; au contraire, es hat faſt Richelieu gefehlet, daß er ſich bisweilen eine chimære laſſen weiß machen. Vaſſor hat ihn in ſeiner Hiſtoire von Louis XIII. durch- gezogen, daß er den Pater Joſeph zu viel getrauet, welcher ihm weiß ge- macht, es ſolle eine chevallerie aufgerichtet werden, damit ſollte Conſtan- tinopel weggenommen werden, und dieſe chevallerie wollte der Pater Jo- ſeph commandiren. Man weiß, daß ehe Richelieu groß worden, hat er ſich in die Methaphyſic verliebt, auch darinnen Buͤcher geſchrieben; wie er * Der Gracian iſt wohl zu gebrauchen, ſonderlich wenn man erſt ſyſtematice die Sache
verſtehet, er hat viel geſchrieben, davon uns Nachricht giebt Nicolaus Anto- nius in Bibl. Hiſp. Die Spanier ſind gute Leute à la Cour, ſie gehen ad rectum. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0500" n="480"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V.</hi></fw><lb/> gute <hi rendition="#aq">merit</hi>en und Redlichkeit ihre <hi rendition="#aq">fortune</hi> zu machen, ſondern dieſen<lb/> treibt die <hi rendition="#aq">ambitio,</hi> jenen die <hi rendition="#aq">avaritia,</hi> einen andern <hi rendition="#aq">voluptas</hi> Mancher<lb/> gehet <hi rendition="#aq">a la Cour</hi> ſeine <hi rendition="#aq">fortune</hi> zu machen, daß er beſtaͤndig unter denen<lb/><hi rendition="#aq">Dames</hi> iſt, er iſt etwan ein guter Taͤntzer. Wenn ich nun als ein <hi rendition="#aq">vir<lb/> honeſtus</hi> drunter komme, ſo bin ich mit lauter laſterhafften Leuten umge-<lb/> ben, ſie eſſen und trincken mit dir, <hi rendition="#aq">embraſſi</hi>ren dich, und wenn du weg<lb/> biſt, ſo verfolgen ſie dich auf alle Art und Weiſe, ja wenn ſie es koͤnn-<lb/> ten, wuͤrden ſie dich gar <hi rendition="#aq">maſſacri</hi>ren. Wer alle dieſe Dinge nun nicht<lb/> will mit machen, da heiſts freylich <hi rendition="#aq">exeat aula, qui vult eſſe pius.</hi> Deß-<lb/> wegen darf man ſich dadurch nicht abſchrecken laſſen, <hi rendition="#aq">a la Cour</hi> zu gehen,<lb/> man muß wiſſen wie die Hof-Leute beſchaffen, und was ſie vor <hi rendition="#aq">vita</hi> ha-<lb/> ben. <hi rendition="#aq">Monſr. de la <hi rendition="#i">M</hi>otte</hi> ſagt in ſeinen <hi rendition="#aq">Problemes Sceptiques.</hi> Der<lb/> beſte Hofmann ſey, welcher alles ſaͤhe, hoͤre, ihu aber, als wenn er es<lb/> nicht hoͤre; Aber er duͤrffe nicht mit machen. Ein <hi rendition="#aq">Enthuſiaſt</hi> muß er<lb/> freylich nicht darbey ſeyn, ſonſt jagen ſie thn fort. Es ſchicken ſich nicht<lb/> alle Leute bey Hofe, und ſagt <hi rendition="#aq">Gracian. Meſſures ſes pas.</hi> <note place="foot" n="*">Der <hi rendition="#aq">Gracian</hi> iſt wohl zu gebrauchen, ſonderlich wenn man erſt <hi rendition="#aq">ſyſtematice</hi> die Sache<lb/><hi rendition="#et">verſtehet, er hat viel geſchrieben, davon uns Nachricht giebt <hi rendition="#aq">Nicolaus Anto-<lb/> nius in Bibl. Hiſp.</hi> Die Spanier ſind gute Leute <hi rendition="#aq">à la Cour,</hi> ſie gehen <hi rendition="#aq">ad<lb/> rectum.</hi></hi></note> <hi rendition="#aq">Ratione cor-<lb/> poris</hi> kan ein <hi rendition="#aq">Buccolomini</hi> nicht bey Hofe ankommen, das <hi rendition="#aq">corpus</hi> muß<lb/> vor allen Dingen <hi rendition="#aq">agile</hi> ſeyn, oder es muß einer <hi rendition="#aq">ratione animi</hi> treffliche<lb/><hi rendition="#aq">qualit</hi>aͤten haben, daß man die <hi rendition="#aq">defauts</hi> nicht merckt. Wenn gleich das<lb/><hi rendition="#aq">corpus</hi> gut iſt, er hat auch ein <hi rendition="#aq">judicium,</hi> ſo ſchickt er ſich deßwegen nicht<lb/> bey Hofe. Mancher hat ein <hi rendition="#aq">judicium,</hi> kan groſſe <hi rendition="#aq">problemata</hi> aufloͤſen,<lb/> und kan doch bey Hofe nichts ausrichten. Ein <hi rendition="#aq">Judicium practicum</hi> ge-<lb/> hoͤret dazu, und machets das gar nicht aus, wenn einer hochgelahrt, iſt.<lb/><hi rendition="#aq">Richelieu</hi> ſagt in ſeinem <hi rendition="#aq">Teſt. Polit.</hi> Er wolle keine Hochgelahrte haben,<lb/> ſondern nur ſolche, welche dasjenige wuͤſten, wozu er ſie brauchen wollte.<lb/> Ein <hi rendition="#aq">Judicium practicum</hi> aber beſtehet darinn, daß einer die <hi rendition="#aq">Science,</hi> die<lb/> er hat, kan <hi rendition="#aq">applici</hi>ren. Alle <hi rendition="#aq">abſtractiones</hi> nutzen nichts; <hi rendition="#aq">au contraire,</hi><lb/> es hat faſt <hi rendition="#aq">Richelieu</hi> gefehlet, daß er ſich bisweilen eine <hi rendition="#aq">chimære</hi> laſſen<lb/> weiß machen. <hi rendition="#aq">Vaſſor</hi> hat ihn in ſeiner <hi rendition="#aq">Hiſtoire</hi> von <hi rendition="#aq">Louis XIII.</hi> durch-<lb/> gezogen, daß er den <hi rendition="#aq">Pater Joſeph</hi> zu viel getrauet, welcher ihm weiß ge-<lb/> macht, es ſolle eine <hi rendition="#aq">chevallerie</hi> aufgerichtet werden, damit ſollte Conſtan-<lb/> tinopel weggenommen werden, und dieſe <hi rendition="#aq">chevallerie</hi> wollte der <hi rendition="#aq">Pater Jo-<lb/> ſeph commandi</hi>ren. Man weiß, daß ehe <hi rendition="#aq">Richelieu</hi> groß worden, hat er<lb/> ſich in die <hi rendition="#aq">Methaphyſic</hi> verliebt, auch darinnen Buͤcher geſchrieben; wie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [480/0500]
Cap. V.
gute meriten und Redlichkeit ihre fortune zu machen, ſondern dieſen
treibt die ambitio, jenen die avaritia, einen andern voluptas Mancher
gehet a la Cour ſeine fortune zu machen, daß er beſtaͤndig unter denen
Dames iſt, er iſt etwan ein guter Taͤntzer. Wenn ich nun als ein vir
honeſtus drunter komme, ſo bin ich mit lauter laſterhafften Leuten umge-
ben, ſie eſſen und trincken mit dir, embraſſiren dich, und wenn du weg
biſt, ſo verfolgen ſie dich auf alle Art und Weiſe, ja wenn ſie es koͤnn-
ten, wuͤrden ſie dich gar maſſacriren. Wer alle dieſe Dinge nun nicht
will mit machen, da heiſts freylich exeat aula, qui vult eſſe pius. Deß-
wegen darf man ſich dadurch nicht abſchrecken laſſen, a la Cour zu gehen,
man muß wiſſen wie die Hof-Leute beſchaffen, und was ſie vor vita ha-
ben. Monſr. de la Motte ſagt in ſeinen Problemes Sceptiques. Der
beſte Hofmann ſey, welcher alles ſaͤhe, hoͤre, ihu aber, als wenn er es
nicht hoͤre; Aber er duͤrffe nicht mit machen. Ein Enthuſiaſt muß er
freylich nicht darbey ſeyn, ſonſt jagen ſie thn fort. Es ſchicken ſich nicht
alle Leute bey Hofe, und ſagt Gracian. Meſſures ſes pas. * Ratione cor-
poris kan ein Buccolomini nicht bey Hofe ankommen, das corpus muß
vor allen Dingen agile ſeyn, oder es muß einer ratione animi treffliche
qualitaͤten haben, daß man die defauts nicht merckt. Wenn gleich das
corpus gut iſt, er hat auch ein judicium, ſo ſchickt er ſich deßwegen nicht
bey Hofe. Mancher hat ein judicium, kan groſſe problemata aufloͤſen,
und kan doch bey Hofe nichts ausrichten. Ein Judicium practicum ge-
hoͤret dazu, und machets das gar nicht aus, wenn einer hochgelahrt, iſt.
Richelieu ſagt in ſeinem Teſt. Polit. Er wolle keine Hochgelahrte haben,
ſondern nur ſolche, welche dasjenige wuͤſten, wozu er ſie brauchen wollte.
Ein Judicium practicum aber beſtehet darinn, daß einer die Science, die
er hat, kan appliciren. Alle abſtractiones nutzen nichts; au contraire,
es hat faſt Richelieu gefehlet, daß er ſich bisweilen eine chimære laſſen
weiß machen. Vaſſor hat ihn in ſeiner Hiſtoire von Louis XIII. durch-
gezogen, daß er den Pater Joſeph zu viel getrauet, welcher ihm weiß ge-
macht, es ſolle eine chevallerie aufgerichtet werden, damit ſollte Conſtan-
tinopel weggenommen werden, und dieſe chevallerie wollte der Pater Jo-
ſeph commandiren. Man weiß, daß ehe Richelieu groß worden, hat er
ſich in die Methaphyſic verliebt, auch darinnen Buͤcher geſchrieben; wie
er
* Der Gracian iſt wohl zu gebrauchen, ſonderlich wenn man erſt ſyſtematice die Sache
verſtehet, er hat viel geſchrieben, davon uns Nachricht giebt Nicolaus Anto-
nius in Bibl. Hiſp. Die Spanier ſind gute Leute à la Cour, ſie gehen ad
rectum.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |