gereichet wird, damit sie können erhalten werden, und andern Leuten nicht zum Spott und Schande da herum gehen.
Arcana gegen den plebem.
§. 3. Gleichwie sich die Aristi praemuniren contra principatum, so auch contra plebem. In der Aristocratie, wo gewisse Familien sind, hat sonst niemand was mehr zu sprechen, und kan man sich leicht einbil- den, daß es alle ehrbare Bürger und den plebem verdriessen muß, weil sie ausgeschlossen sind. Daher fragt sich: Warum die Leute keinen Tumult anfangen? Respond. Da machen die optimates es so: Sie schlies- sen zwar die Bürger nicht gar aus, sondern machen sie zu Raths-Herrn, aber occulta ratione, nihilominus arcent. e. g. Von den bekanntesten Handwerckern nehmen sie mittelmäßige Leute mit in den Rath, und tra- gen ihnen molestissima auf. Da können sie ihr Handwerck nicht ab- warten; Deßwegen sind sie gar von dem Rath-Hause weg geblieben, und braucht der Rath dieselben nur in odiosis, wenn einem soll der Kopff abgeschlagen werden, da müssen sie ihn mit absprechen. In der That herrschen also die Patricii allein. In Venedig kan kein Bürger höher steigen, als Cantzler oder Scriba werden. In Nürnberg kan auch kein Bürger nichts werden, als Consiliarius Reipublicae, oder Doctor und Scri- ba. Die Doctores haben sonst alle den Rang vor den Patriciis gehabt, weil aber zu viele worden, so haben sie restringiret, und geben keinen den Rang, welcher nicht in numero Advocatorum ist. Es hat viel Lermen deßwegen gesetzt, und ist zur Klage kommen beym Kayserlichen Hofe. Hier zu Lande, sub Principatu, laufft alles im Degen; Hergegen in Reichs- Städten, in Italien, wo fast lauter Aristocratien, gehet alles in Män- teln, und habe ich observirt in Nürnberg, daß die von Universitäten kom- men, zu Hause müssen wieder einen Mantel tragen. Kein Bürger darff einen Degen tragen in Nürnberg; alle Doctores tragen Degen, aber unter den Mantel. In Venedig trägt ein Nobili beständig sein Kleid, wodurch er sich von andern distinguiret. Wie denn auch die Senatores und Patricii in Nürnberg ihre besondere Kleidung haben. Der plebs ist also da nicht martialisch, so kan er keine Thaten thun. Deßwegen haben auch die Venetianer wenig Soldaten aus ihrer Stadt. Wenn sie ei- nen Krieg haben, so negotiiren sie allenthalben Soldaten, darum ist ih- nen der Krieg so beschwerlich. Die Venetianer tractiren ihre Leute höff- lich und freundlich, wodurch der peuple gut gehalten wird. Deßwegen sagt Amelot: Vor diesem hätten sie es so nicht gethan. Jetzo tractir- ten sie die Leute hochmüthig, das wäre ein Anfang zu ihrem ruin. Die Bürger haben nichts zu sprechen, keine Hoffnung in Rath zu kommen; keine Hoffnung sonst eine Bedienung zu erhalten, oder wenn sie ja eine
be-
Cap. V. De prudentia
gereichet wird, damit ſie koͤnnen erhalten werden, und andern Leuten nicht zum Spott und Schande da herum gehen.
Arcana gegen den plebem.
§. 3. Gleichwie ſich die Ariſti præmuniren contra principatum, ſo auch contra plebem. In der Ariſtocratie, wo gewiſſe Familien ſind, hat ſonſt niemand was mehr zu ſprechen, und kan man ſich leicht einbil- den, daß es alle ehrbare Buͤrger und den plebem verdrieſſen muß, weil ſie ausgeſchloſſen ſind. Daher fragt ſich: Warum die Leute keinen Tumult anfangen? Reſpond. Da machen die optimates es ſo: Sie ſchlieſ- ſen zwar die Buͤrger nicht gar aus, ſondern machen ſie zu Raths-Herrn, aber occulta ratione, nihilominus arcent. e. g. Von den bekannteſten Handwerckern nehmen ſie mittelmaͤßige Leute mit in den Rath, und tra- gen ihnen moleſtisſima auf. Da koͤnnen ſie ihr Handwerck nicht ab- warten; Deßwegen ſind ſie gar von dem Rath-Hauſe weg geblieben, und braucht der Rath dieſelben nur in odioſis, wenn einem ſoll der Kopff abgeſchlagen werden, da muͤſſen ſie ihn mit abſprechen. In der That herrſchen alſo die Patricii allein. In Venedig kan kein Buͤrger hoͤher ſteigen, als Cantzler oder Scriba werden. In Nuͤrnberg kan auch kein Buͤrger nichts werden, als Conſiliarius Reipublicæ, oder Doctor und Scri- ba. Die Doctores haben ſonſt alle den Rang vor den Patriciis gehabt, weil aber zu viele worden, ſo haben ſie reſtringiret, und geben keinen den Rang, welcher nicht in numero Advocatorum iſt. Es hat viel Lermen deßwegen geſetzt, und iſt zur Klage kommen beym Kayſerlichen Hofe. Hier zu Lande, ſub Principatu, laufft alles im Degen; Hergegen in Reichs- Staͤdten, in Italien, wo faſt lauter Ariſtocratien, gehet alles in Maͤn- teln, und habe ich obſervirt in Nuͤrnberg, daß die von Univerſitaͤten kom- men, zu Hauſe muͤſſen wieder einen Mantel tragen. Kein Buͤrger darff einen Degen tragen in Nuͤrnberg; alle Doctores tragen Degen, aber unter den Mantel. In Venedig traͤgt ein Nobili beſtaͤndig ſein Kleid, wodurch er ſich von andern diſtinguiret. Wie denn auch die Senatores und Patricii in Nuͤrnberg ihre beſondere Kleidung haben. Der plebs iſt alſo da nicht martialiſch, ſo kan er keine Thaten thun. Deßwegen haben auch die Venetianer wenig Soldaten aus ihrer Stadt. Wenn ſie ei- nen Krieg haben, ſo negotiiren ſie allenthalben Soldaten, darum iſt ih- nen der Krieg ſo beſchwerlich. Die Venetianer tractiren ihre Leute hoͤff- lich und freundlich, wodurch der peuple gut gehalten wird. Deßwegen ſagt Amelot: Vor dieſem haͤtten ſie es ſo nicht gethan. Jetzo tractir- ten ſie die Leute hochmuͤthig, das waͤre ein Anfang zu ihrem ruin. Die Buͤrger haben nichts zu ſprechen, keine Hoffnung in Rath zu kommen; keine Hoffnung ſonſt eine Bedienung zu erhalten, oder wenn ſie ja eine
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gereichet wird, damit ſie koͤnnen erhalten werden, und andern Leuten nicht
zum Spott und Schande da herum gehen.
§. 3. Gleichwie ſich die Ariſti præmuniren contra principatum,
ſo auch contra plebem. In der Ariſtocratie, wo gewiſſe Familien ſind,
hat ſonſt niemand was mehr zu ſprechen, und kan man ſich leicht einbil-
den, daß es alle ehrbare Buͤrger und den plebem verdrieſſen muß, weil
ſie ausgeſchloſſen ſind. Daher fragt ſich: Warum die Leute keinen
Tumult anfangen? Reſpond. Da machen die optimates es ſo: Sie ſchlieſ-
ſen zwar die Buͤrger nicht gar aus, ſondern machen ſie zu Raths-Herrn,
aber occulta ratione, nihilominus arcent. e. g. Von den bekannteſten
Handwerckern nehmen ſie mittelmaͤßige Leute mit in den Rath, und tra-
gen ihnen moleſtisſima auf. Da koͤnnen ſie ihr Handwerck nicht ab-
warten; Deßwegen ſind ſie gar von dem Rath-Hauſe weg geblieben,
und braucht der Rath dieſelben nur in odioſis, wenn einem ſoll der Kopff
abgeſchlagen werden, da muͤſſen ſie ihn mit abſprechen. In der That
herrſchen alſo die Patricii allein. In Venedig kan kein Buͤrger hoͤher
ſteigen, als Cantzler oder Scriba werden. In Nuͤrnberg kan auch kein
Buͤrger nichts werden, als Conſiliarius Reipublicæ, oder Doctor und Scri-
ba. Die Doctores haben ſonſt alle den Rang vor den Patriciis gehabt,
weil aber zu viele worden, ſo haben ſie reſtringiret, und geben keinen den
Rang, welcher nicht in numero Advocatorum iſt. Es hat viel Lermen
deßwegen geſetzt, und iſt zur Klage kommen beym Kayſerlichen Hofe.
Hier zu Lande, ſub Principatu, laufft alles im Degen; Hergegen in Reichs-
Staͤdten, in Italien, wo faſt lauter Ariſtocratien, gehet alles in Maͤn-
teln, und habe ich obſervirt in Nuͤrnberg, daß die von Univerſitaͤten kom-
men, zu Hauſe muͤſſen wieder einen Mantel tragen. Kein Buͤrger darff
einen Degen tragen in Nuͤrnberg; alle Doctores tragen Degen, aber
unter den Mantel. In Venedig traͤgt ein Nobili beſtaͤndig ſein Kleid,
wodurch er ſich von andern diſtinguiret. Wie denn auch die Senatores
und Patricii in Nuͤrnberg ihre beſondere Kleidung haben. Der plebs iſt alſo
da nicht martialiſch, ſo kan er keine Thaten thun. Deßwegen haben
auch die Venetianer wenig Soldaten aus ihrer Stadt. Wenn ſie ei-
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nen der Krieg ſo beſchwerlich. Die Venetianer tractiren ihre Leute hoͤff-
lich und freundlich, wodurch der peuple gut gehalten wird. Deßwegen
ſagt Amelot: Vor dieſem haͤtten ſie es ſo nicht gethan. Jetzo tractir-
ten ſie die Leute hochmuͤthig, das waͤre ein Anfang zu ihrem ruin. Die
Buͤrger haben nichts zu ſprechen, keine Hoffnung in Rath zu kommen;
keine Hoffnung ſonſt eine Bedienung zu erhalten, oder wenn ſie ja eine
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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/488>, abgerufen am 24.11.2024.
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