Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia werde. Die Czaarin residirete in Petersburg, wollte aber einen Vice-Roy in die Stadt Moscau schicken, denn die Moscowiter sehen nicht gerne, daß der Czaar in Petersburg residiret. Petersburg ist zu weit entfernet, und liegt fast am Ende des Moscowitischen Reichs. Herge- gen die Stadt Moscau liegt in der Mitten, deßwegen war man vigi- lant, ne ex illa Metropoli turbae oriantur. Philippus II. da er nicht nach den Niederlanden gangen, hat vorgewendet, er könne nicht von Madrit weggehen, weil daselbst leicht turbae entstehen könnten. Carolus V. wie er auf den Thron stieg, so war er bald in Italien, bald in Spanien, bald in Teutschland, und doch wollten sie einsmahls Caroli V. Mutter auf den Thron setzen, und sie mit einem Neapolitanischen Printzen ver- heyrathen, wenn nicht der Cardinal Ximenes solches verhindert. Es muß ein Princeps nicht zu weit von seinem Reich entfernet seyn. Auf den König in Schweden hat man in Schweden nicht viel mehr ge- paßt, da er in Bender gewesen, ja sie haben gar Willens gehabt eine besondere Regierung anzusetzen, wie Alexander M. gar zu weit von Ma- cedonien entfernet war, so thaten die Macedonier, was sie wollten. Al- le subditi, sie mögen seyn, wie sie wollen, pariren doch nicht gerne, und sind wie ein gespannter Bogen, der gleichsam immer eine tendentiam ad situm naturalem hat; Deßwegen muß der Princeps semper ante ocu- los subditorum seyn, sonderlich an denjenigen Ort, wo die subditi bey- sammen sind. Er muß acht geben, ut nihil sine ejus auspiciis fiat. Es sind einige so wunderlich, daß sie vor närrisch halten, wenn der Fürst sich alles attribuiret; Allein es geschiehet um deßwillen, damit das Volck keinen andern in memoria hat, als den Principem. Boecklerus hat eine Dissertation gehalten de Auspiciis Principum, darinnen er ge- wiesen, daß es keine Prahlerey sey, wenn ein Princeps sage: Vicimus. Viele Juristen sind so abgeschmackt, und solche pedanten, daß sie am Justiniano tadeln, wenn er sagt: Vicimus. Louis XIII. hat sich die victo- rie zugeschrieben, welche Hertzog Bernhard bey Rheinfelden erhalten, weßwegen ihn wohl Vassor tadelt, er ist aber auch ein pedant. Wie der erste Theil seiner Historie heraus kommen, habe ich einen extract daraus gemacht, und gewiesen, daß er wohl einen schönen stilum schreibt, aber er sey ein pedant, er will Reges und Principes haben, wie sie im Himmelreich sind. Es ist mein Lebtage so gewesen, der Princeps kan nicht alles thun, nichts desto weniger attribuiret man ihm alles, weil er doch wenigstens par sa sagesse im Cabinet contribuiret. Und obgleich der Richelieu an allen guten Anschlägen beym Louis XIII. schuld hat, so hat doch der König ihn erst choisiret. Attribuirt man dem Könige nicht
Cap. V. De prudentia werde. Die Czaarin reſidirete in Petersburg, wollte aber einen Vice-Roy in die Stadt Moſcau ſchicken, denn die Moſcowiter ſehen nicht gerne, daß der Czaar in Petersburg reſidiret. Petersburg iſt zu weit entfernet, und liegt faſt am Ende des Moſcowitiſchen Reichs. Herge- gen die Stadt Moſcau liegt in der Mitten, deßwegen war man vigi- lant, ne ex illa Metropoli turbæ oriantur. Philippus II. da er nicht nach den Niederlanden gangen, hat vorgewendet, er koͤnne nicht von Madrit weggehen, weil daſelbſt leicht turbæ entſtehen koͤnnten. Carolus V. wie er auf den Thron ſtieg, ſo war er bald in Italien, bald in Spanien, bald in Teutſchland, und doch wollten ſie einsmahls Caroli V. Mutter auf den Thron ſetzen, und ſie mit einem Neapolitaniſchen Printzen ver- heyrathen, wenn nicht der Cardinal Ximenes ſolches verhindert. Es muß ein Princeps nicht zu weit von ſeinem Reich entfernet ſeyn. Auf den Koͤnig in Schweden hat man in Schweden nicht viel mehr ge- paßt, da er in Bender geweſen, ja ſie haben gar Willens gehabt eine beſondere Regierung anzuſetzen, wie Alexander M. gar zu weit von Ma- cedonien entfernet war, ſo thaten die Macedonier, was ſie wollten. Al- le ſubditi, ſie moͤgen ſeyn, wie ſie wollen, pariren doch nicht gerne, und ſind wie ein geſpannter Bogen, der gleichſam immer eine tendentiam ad ſitum naturalem hat; Deßwegen muß der Princeps ſemper ante ocu- los ſubditorum ſeyn, ſonderlich an denjenigen Ort, wo die ſubditi bey- ſammen ſind. Er muß acht geben, ut nihil ſine ejus auſpiciis fiat. Es ſind einige ſo wunderlich, daß ſie vor naͤrriſch halten, wenn der Fuͤrſt ſich alles attribuiret; Allein es geſchiehet um deßwillen, damit das Volck keinen andern in memoria hat, als den Principem. Bœcklerus hat eine Diſſertation gehalten de Auſpiciis Principum, darinnen er ge- wieſen, daß es keine Prahlerey ſey, wenn ein Princeps ſage: Vicimus. Viele Juriſten ſind ſo abgeſchmackt, und ſolche pedanten, daß ſie am Juſtiniano tadeln, wenn er ſagt: Vicimus. Louis XIII. hat ſich die victo- rie zugeſchrieben, welche Hertzog Bernhard bey Rheinfelden erhalten, weßwegen ihn wohl Vaſſor tadelt, er iſt aber auch ein pedant. Wie der erſte Theil ſeiner Hiſtorie heraus kommen, habe ich einen extract daraus gemacht, und gewieſen, daß er wohl einen ſchoͤnen ſtilum ſchreibt, aber er ſey ein pedant, er will Reges und Principes haben, wie ſie im Himmelreich ſind. Es iſt mein Lebtage ſo geweſen, der Princeps kan nicht alles thun, nichts deſto weniger attribuiret man ihm alles, weil er doch wenigſtens par ſa ſageſſe im Cabinet contribuiret. Und obgleich der Richelieu an allen guten Anſchlaͤgen beym Louis XIII. ſchuld hat, ſo hat doch der Koͤnig ihn erſt choiſiret. Attribuirt man dem Koͤnige nicht
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Roy in die Stadt Moſcau ſchicken, denn die Moſcowiter ſehen nicht
gerne, daß der Czaar in Petersburg reſidiret. Petersburg iſt zu weit
entfernet, und liegt faſt am Ende des Moſcowitiſchen Reichs. Herge-
gen die Stadt Moſcau liegt in der Mitten, deßwegen war man vigi-
lant, ne ex illa Metropoli turbæ oriantur. Philippus II. da er nicht nach
den Niederlanden gangen, hat vorgewendet, er koͤnne nicht von Madrit
weggehen, weil daſelbſt leicht turbæ entſtehen koͤnnten. Carolus V. wie
er auf den Thron ſtieg, ſo war er bald in Italien, bald in Spanien,
bald in Teutſchland, und doch wollten ſie einsmahls Caroli V. Mutter
auf den Thron ſetzen, und ſie mit einem Neapolitaniſchen Printzen ver-
heyrathen, wenn nicht der Cardinal Ximenes ſolches verhindert. Es
muß ein Princeps nicht zu weit von ſeinem Reich entfernet ſeyn. Auf
den Koͤnig in Schweden hat man in Schweden nicht viel mehr ge-
paßt, da er in Bender geweſen, ja ſie haben gar Willens gehabt eine
beſondere Regierung anzuſetzen, wie Alexander M. gar zu weit von Ma-
cedonien entfernet war, ſo thaten die Macedonier, was ſie wollten. Al-
le ſubditi, ſie moͤgen ſeyn, wie ſie wollen, pariren doch nicht gerne, und
ſind wie ein geſpannter Bogen, der gleichſam immer eine tendentiam
ad ſitum naturalem hat; Deßwegen muß der Princeps ſemper ante ocu-
los ſubditorum ſeyn, ſonderlich an denjenigen Ort, wo die ſubditi bey-
ſammen ſind. Er muß acht geben, ut nihil ſine ejus auſpiciis fiat. Es
ſind einige ſo wunderlich, daß ſie vor naͤrriſch halten, wenn der Fuͤrſt
ſich alles attribuiret; Allein es geſchiehet um deßwillen, damit das
Volck keinen andern in memoria hat, als den Principem. Bœcklerus
hat eine Diſſertation gehalten de Auſpiciis Principum, darinnen er ge-
wieſen, daß es keine Prahlerey ſey, wenn ein Princeps ſage: Vicimus.
Viele Juriſten ſind ſo abgeſchmackt, und ſolche pedanten, daß ſie am
Juſtiniano tadeln, wenn er ſagt: Vicimus. Louis XIII. hat ſich die victo-
rie zugeſchrieben, welche Hertzog Bernhard bey Rheinfelden erhalten,
weßwegen ihn wohl Vaſſor tadelt, er iſt aber auch ein pedant. Wie
der erſte Theil ſeiner Hiſtorie heraus kommen, habe ich einen extract
daraus gemacht, und gewieſen, daß er wohl einen ſchoͤnen ſtilum ſchreibt,
aber er ſey ein pedant, er will Reges und Principes haben, wie ſie im
Himmelreich ſind. Es iſt mein Lebtage ſo geweſen, der Princeps kan
nicht alles thun, nichts deſto weniger attribuiret man ihm alles, weil er
doch wenigſtens par ſa ſageſſe im Cabinet contribuiret. Und obgleich
der Richelieu an allen guten Anſchlaͤgen beym Louis XIII. ſchuld hat,
ſo hat doch der Koͤnig ihn erſt choiſiret. Attribuirt man dem Koͤnige
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