Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa bellum & pacem. ren, sie waren schachmatt, hatten zwey battaillen verlohren, und warenschon willens gewesen, dem Kayser Nizza abzutreten. Ob ich nun zwar nicht glaube, daß einer alle extrema erwarten solle, so ist doch gut, daß man nicht gleich zum Frieden eilt, sondern es ist besser, wenn ich die Feinde suche zu theilen, und auf der andern Seite mir Freunde mache. Ob nun zwar grosse Herren keine wahren Freunde haben, so können sie doch einander leicht zeigen, sie hätten ein interesse, daß dieser oder jener nicht supprimiret werde. Dieses haben die Schweden gethan; wie diese bey Nördlingen verlohren, da gieng der Oxenstirn nach Compiegne, redete mit dem König in Franckreich, und mit dem Richelieu, machte daß Franckreich brach, und beredete sie, wie es nicht gut seyn würde, wenn die Schweden aus Teutschland müsten; Es würden nicht allein die Pro- testanten unterdrückt, sondern der Kayser und die Spanier würden auf Franckreich loß gehen. Dieses effectuirte, daß Franckreich den Krieg erwehlete, und Schweden sich retablirete. Es ist diese negotiation ein Meisterstück von dem Oxenstirn. Puffendorff giebt hiervon Nachricht, aber beym Vassor in seiner histor. von Ludov. XIII. kan man es fast noch politer und kürtzer sehen. Auf solche Weise siehet man, non illico esse desperandum, man muß die Augen offen haben, auf foederatos dencken. Aber auf foederatos muß man dencken, ehe noch das Unglück da ist, so muß man auf Leute bedacht seyn, die beredt sind, wie der Charnace, der Oxenstirn; solche können das Unglück groß machen per eloquentiam, daß die andern sich lassen bewegen. Daher ist es gut, wo man eine Casse hat, damit, wenn die Armee unglücklich ist, gleich neue Trouppen können angeschaffet werden. Vor Geld kan ich alles haben, sonderlich in Europa; die Dänen, Schweden, Teutschen lauffen alle nach Gelde, und wenn ein einheimischer miles nicht suffisant ist, so muß ich extraneos milites nehmen. Man muß aber auch die rechten Mittel ergreiffen. Der König in Schweden that nicht recht, wie er bey Pultava geschlagen war, daß er nach der Türckey gieng. Der Türck konte zwar dem Czaar schaden, aber der König in Schweden konte da nichts effectuiren, weil er keine force hatte. Wenn ich gesehen, die Niederlage thut mir tort, so muß ich Frieden machen, l'epee a la main. Sub clypeo pax est in- eunda. Die Römer haben nicht diese Redens-Arten gehabt, sondern die Engeländer haben solche erst gebrauchet, wie man aus dem Guiliel- mo Neubrigiensi sehen kan. Hernach haben auch solche die Teutschen gebraucht. Am allerklügsten ist am Frieden zu gedencken, da man selbst noch avantage hat. Die Türcken, wenn sie noch so grosse avantage er- halten, de Pace loquuntur; aber sie halten denselben nicht lange. Der König J i i
ſtatus circa bellum & pacem. ren, ſie waren ſchachmatt, hatten zwey battaillen verlohren, und warenſchon willens geweſen, dem Kayſer Nizza abzutreten. Ob ich nun zwar nicht glaube, daß einer alle extrema erwarten ſolle, ſo iſt doch gut, daß man nicht gleich zum Frieden eilt, ſondern es iſt beſſer, wenn ich die Feinde ſuche zu theilen, und auf der andern Seite mir Freunde mache. Ob nun zwar groſſe Herren keine wahren Freunde haben, ſo koͤnnen ſie doch einander leicht zeigen, ſie haͤtten ein intereſſe, daß dieſer oder jener nicht ſupprimiret werde. Dieſes haben die Schweden gethan; wie dieſe bey Noͤrdlingen verlohren, da gieng der Oxenſtirn nach Compiegne, redete mit dem Koͤnig in Franckreich, und mit dem Richelieu, machte daß Franckreich brach, und beredete ſie, wie es nicht gut ſeyn wuͤrde, wenn die Schweden aus Teutſchland muͤſten; Es wuͤrden nicht allein die Pro- teſtanten unterdruͤckt, ſondern der Kayſer und die Spanier wuͤrden auf Franckreich loß gehen. Dieſes effectuirte, daß Franckreich den Krieg erwehlete, und Schweden ſich retablirete. Es iſt dieſe negotiation ein Meiſterſtuͤck von dem Oxenſtirn. Puffendorff giebt hiervon Nachricht, aber beym Vaſſor in ſeiner hiſtor. von Ludov. XIII. kan man es faſt noch politer und kuͤrtzer ſehen. Auf ſolche Weiſe ſiehet man, non illico eſſe deſperandum, man muß die Augen offen haben, auf fœderatos dencken. Aber auf fœderatos muß man dencken, ehe noch das Ungluͤck da iſt, ſo muß man auf Leute bedacht ſeyn, die beredt ſind, wie der Charnace, der Oxenſtirn; ſolche koͤnnen das Ungluͤck groß machen per eloquentiam, daß die andern ſich laſſen bewegen. Daher iſt es gut, wo man eine Caſſe hat, damit, wenn die Armee ungluͤcklich iſt, gleich neue Trouppen koͤnnen angeſchaffet werden. Vor Geld kan ich alles haben, ſonderlich in Europa; die Daͤnen, Schweden, Teutſchen lauffen alle nach Gelde, und wenn ein einheimiſcher miles nicht ſuffiſant iſt, ſo muß ich extraneos milites nehmen. Man muß aber auch die rechten Mittel ergreiffen. Der Koͤnig in Schweden that nicht recht, wie er bey Pultava geſchlagen war, daß er nach der Tuͤrckey gieng. Der Tuͤrck konte zwar dem Czaar ſchaden, aber der Koͤnig in Schweden konte da nichts effectuiren, weil er keine force hatte. Wenn ich geſehen, die Niederlage thut mir tort, ſo muß ich Frieden machen, l’epee à la main. Sub clypeo pax eſt in- eunda. Die Roͤmer haben nicht dieſe Redens-Arten gehabt, ſondern die Engelaͤnder haben ſolche erſt gebrauchet, wie man aus dem Guiliel- mo Neubrigienſi ſehen kan. Hernach haben auch ſolche die Teutſchen gebraucht. Am allerkluͤgſten iſt am Frieden zu gedencken, da man ſelbſt noch avantage hat. Die Tuͤrcken, wenn ſie noch ſo groſſe avantage er- halten, de Pace loquuntur; aber ſie halten denſelben nicht lange. Der Koͤnig J i i
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nicht glaube, daß einer alle extrema erwarten ſolle, ſo iſt doch gut, daß
man nicht gleich zum Frieden eilt, ſondern es iſt beſſer, wenn ich die
Feinde ſuche zu theilen, und auf der andern Seite mir Freunde mache.
Ob nun zwar groſſe Herren keine wahren Freunde haben, ſo koͤnnen ſie doch
einander leicht zeigen, ſie haͤtten ein intereſſe, daß dieſer oder jener nicht
ſupprimiret werde. Dieſes haben die Schweden gethan; wie dieſe bey
Noͤrdlingen verlohren, da gieng der Oxenſtirn nach Compiegne, redete
mit dem Koͤnig in Franckreich, und mit dem Richelieu, machte daß
Franckreich brach, und beredete ſie, wie es nicht gut ſeyn wuͤrde, wenn
die Schweden aus Teutſchland muͤſten; Es wuͤrden nicht allein die Pro-
teſtanten unterdruͤckt, ſondern der Kayſer und die Spanier wuͤrden auf
Franckreich loß gehen. Dieſes effectuirte, daß Franckreich den Krieg
erwehlete, und Schweden ſich retablirete. Es iſt dieſe negotiation ein
Meiſterſtuͤck von dem Oxenſtirn. Puffendorff giebt hiervon Nachricht,
aber beym Vaſſor in ſeiner hiſtor. von Ludov. XIII. kan man es faſt noch
politer und kuͤrtzer ſehen. Auf ſolche Weiſe ſiehet man, non illico eſſe
deſperandum, man muß die Augen offen haben, auf fœderatos dencken.
Aber auf fœderatos muß man dencken, ehe noch das Ungluͤck da iſt, ſo
muß man auf Leute bedacht ſeyn, die beredt ſind, wie der Charnace, der
Oxenſtirn; ſolche koͤnnen das Ungluͤck groß machen per eloquentiam,
daß die andern ſich laſſen bewegen. Daher iſt es gut, wo man eine
Caſſe hat, damit, wenn die Armee ungluͤcklich iſt, gleich neue Trouppen
koͤnnen angeſchaffet werden. Vor Geld kan ich alles haben, ſonderlich
in Europa; die Daͤnen, Schweden, Teutſchen lauffen alle nach Gelde,
und wenn ein einheimiſcher miles nicht ſuffiſant iſt, ſo muß ich extraneos
milites nehmen. Man muß aber auch die rechten Mittel ergreiffen.
Der Koͤnig in Schweden that nicht recht, wie er bey Pultava geſchlagen
war, daß er nach der Tuͤrckey gieng. Der Tuͤrck konte zwar dem Czaar
ſchaden, aber der Koͤnig in Schweden konte da nichts effectuiren, weil er
keine force hatte. Wenn ich geſehen, die Niederlage thut mir tort,
ſo muß ich Frieden machen, l’epee à la main. Sub clypeo pax eſt in-
eunda. Die Roͤmer haben nicht dieſe Redens-Arten gehabt, ſondern
die Engelaͤnder haben ſolche erſt gebrauchet, wie man aus dem Guiliel-
mo Neubrigienſi ſehen kan. Hernach haben auch ſolche die Teutſchen
gebraucht. Am allerkluͤgſten iſt am Frieden zu gedencken, da man ſelbſt
noch avantage hat. Die Tuͤrcken, wenn ſie noch ſo groſſe avantage er-
halten, de Pace loquuntur; aber ſie halten denſelben nicht lange. Der
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