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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
geben, damit victualien, Wasser etc. in der Vestung. Die Dächer müs-
sen abgedeckt werden, damit kein Brand entstehe, wenn Bomben hin-
ein geworffen werden; Man muß hindern, damit der Feind nicht leicht
kan batterien aufwerffen; wenn der Feind fourage hat, so kan er sich
hinter einen Zaun wehren, und Abschnitte machen. In Ostende haben
sie es so gemacht, daß, wie sie sich nicht helffen konnten, haben sie immer
Abschnitte gemacht, die Türcken thun eben dergleichen, wenn sie sich nicht
helffen können, machen sie immer einen Abschnitt hinter den andern.
Vor diesem hat sich Griechisch-Weissenburg auf diese Art lange erhal-
ten, und sind viele tausend Menschen darauf gangen, aber jetzo ist es
eher übergangen.

Wie man sich
des Sieges zu
gebrauchen?

§. 32. Unser Autor consideriret 1) Victores, 2) Victos. Er mey-
net, der Victor brauche grosse Vermahnungen, worinnen er recht hat.
Alle Menschen sind nicht so beschaffen, daß sie sich im guten Glück wohl
conduisiren, daher kan man sie ohne Lehre nicht dimittiren. Es ist eben
so eine grosse Kunst victoria uti als dieselbige erhalten, drum sagt der
Autor Victoria esse utendum, leniter; modeste caute. Caute muß einer
dieselbe brauchen, damit er nicht wieder supprimiret werde von dem Feind,
wenn sich derselbe widersetzet. Wie Ladislaus bey Varna die Türcken
geschlagen, fielen seine Leute zu bald auf die Beute, die Türcken recolli-
gi
rten sich, und schlugen die Ungarn, daß der König selbst geblieben;
Bey anderer Gelegenheit ist von dem Bernhard erinnert worden, wie er
auf diese Art die Kayserlichen geschlagen; Daher ist ein character der Weiß-
heit, wenn einer im Glück souple ist, und im Unglück Hertz hat. Her-
gegen ein Narr ist im Unglück nieder geschlagen, und im Glück aufge-
blasen. Man kan sehen, wenn einer sage ist, wenn man acht giebt, wie
er sich im Glück conduissiret. Es hat auch seine politischen raisons, daß
einer im Glück souple seyn muß, denn die Menschen sind so beschaffen,
daß sie das bonum, welches andere geniessen, gerne vor sich haben wol-
len, mißgönnen ihm also solches, und sind alle wider ihn auf. Wie
Carolus V. Franciscum I. gefangen genommen hatte, wachte jedermann
auf, Carolus V. hat gesagt: Er wollte lieber selbst gefangen seyn, als
daß dieses geschehen wäre, aber es war sein Ernst nicht; So klug war
er doch, daß er souple war; Es haben gleich andere eine ligue auf ihn
gemacht. Man weiß, daß grosse Herren in statu naturali nicht stille
stehen, sondern wenn einer gewinnt/ so sind gleich andere, die wider ihn
complotiren. Es muß einer aber auch seinen Sieg poussiren. Was
halff Philippo II. seine victorie bey St. Quintin, da er dieselbe nicht
weiter poussirte, sondern sich mit der Belagerung vor St. Quintin auf-

hielte?

Cap. V. De prudentia
geben, damit victualien, Waſſer ꝛc. in der Veſtung. Die Daͤcher muͤſ-
ſen abgedeckt werden, damit kein Brand entſtehe, wenn Bomben hin-
ein geworffen werden; Man muß hindern, damit der Feind nicht leicht
kan batterien aufwerffen; wenn der Feind fourage hat, ſo kan er ſich
hinter einen Zaun wehren, und Abſchnitte machen. In Oſtende haben
ſie es ſo gemacht, daß, wie ſie ſich nicht helffen konnten, haben ſie immer
Abſchnitte gemacht, die Tuͤrcken thun eben dergleichen, wenn ſie ſich nicht
helffen koͤnnen, machen ſie immer einen Abſchnitt hinter den andern.
Vor dieſem hat ſich Griechiſch-Weiſſenburg auf dieſe Art lange erhal-
ten, und ſind viele tauſend Menſchen darauf gangen, aber jetzo iſt es
eher uͤbergangen.

Wie man ſich
des Sieges zu
gebrauchen?

§. 32. Unſer Autor conſideriret 1) Victores, 2) Victos. Er mey-
net, der Victor brauche groſſe Vermahnungen, worinnen er recht hat.
Alle Menſchen ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie ſich im guten Gluͤck wohl
conduiſiren, daher kan man ſie ohne Lehre nicht dimittiren. Es iſt eben
ſo eine groſſe Kunſt victoria uti als dieſelbige erhalten, drum ſagt der
Autor Victoria eſſe utendum, leniter; modeſte caute. Caute muß einer
dieſelbe brauchen, damit er nicht wieder ſupprimiret werde von dem Feind,
wenn ſich derſelbe widerſetzet. Wie Ladislaus bey Varna die Tuͤrcken
geſchlagen, fielen ſeine Leute zu bald auf die Beute, die Tuͤrcken recolli-
gi
rten ſich, und ſchlugen die Ungarn, daß der Koͤnig ſelbſt geblieben;
Bey anderer Gelegenheit iſt von dem Bernhard erinnert worden, wie er
auf dieſe Art die Kayſerlichen geſchlagen; Daher iſt ein character der Weiß-
heit, wenn einer im Gluͤck ſouple iſt, und im Ungluͤck Hertz hat. Her-
gegen ein Narr iſt im Ungluͤck nieder geſchlagen, und im Gluͤck aufge-
blaſen. Man kan ſehen, wenn einer ſage iſt, wenn man acht giebt, wie
er ſich im Gluͤck conduiſſiret. Es hat auch ſeine politiſchen raiſons, daß
einer im Gluͤck ſouple ſeyn muß, denn die Menſchen ſind ſo beſchaffen,
daß ſie das bonum, welches andere genieſſen, gerne vor ſich haben wol-
len, mißgoͤnnen ihm alſo ſolches, und ſind alle wider ihn auf. Wie
Carolus V. Franciſcum I. gefangen genommen hatte, wachte jedermann
auf, Carolus V. hat geſagt: Er wollte lieber ſelbſt gefangen ſeyn, als
daß dieſes geſchehen waͤre, aber es war ſein Ernſt nicht; So klug war
er doch, daß er ſouple war; Es haben gleich andere eine ligue auf ihn
gemacht. Man weiß, daß groſſe Herren in ſtatu naturali nicht ſtille
ſtehen, ſondern wenn einer gewinnt/ ſo ſind gleich andere, die wider ihn
complotiren. Es muß einer aber auch ſeinen Sieg pouſſiren. Was
halff Philippo II. ſeine victorie bey St. Quintin, da er dieſelbe nicht
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[430/0450] Cap. V. De prudentia geben, damit victualien, Waſſer ꝛc. in der Veſtung. Die Daͤcher muͤſ- ſen abgedeckt werden, damit kein Brand entſtehe, wenn Bomben hin- ein geworffen werden; Man muß hindern, damit der Feind nicht leicht kan batterien aufwerffen; wenn der Feind fourage hat, ſo kan er ſich hinter einen Zaun wehren, und Abſchnitte machen. In Oſtende haben ſie es ſo gemacht, daß, wie ſie ſich nicht helffen konnten, haben ſie immer Abſchnitte gemacht, die Tuͤrcken thun eben dergleichen, wenn ſie ſich nicht helffen koͤnnen, machen ſie immer einen Abſchnitt hinter den andern. Vor dieſem hat ſich Griechiſch-Weiſſenburg auf dieſe Art lange erhal- ten, und ſind viele tauſend Menſchen darauf gangen, aber jetzo iſt es eher uͤbergangen. §. 32. Unſer Autor conſideriret 1) Victores, 2) Victos. Er mey- net, der Victor brauche groſſe Vermahnungen, worinnen er recht hat. Alle Menſchen ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie ſich im guten Gluͤck wohl conduiſiren, daher kan man ſie ohne Lehre nicht dimittiren. Es iſt eben ſo eine groſſe Kunſt victoria uti als dieſelbige erhalten, drum ſagt der Autor Victoria eſſe utendum, leniter; modeſte caute. Caute muß einer dieſelbe brauchen, damit er nicht wieder ſupprimiret werde von dem Feind, wenn ſich derſelbe widerſetzet. Wie Ladislaus bey Varna die Tuͤrcken geſchlagen, fielen ſeine Leute zu bald auf die Beute, die Tuͤrcken recolli- girten ſich, und ſchlugen die Ungarn, daß der Koͤnig ſelbſt geblieben; Bey anderer Gelegenheit iſt von dem Bernhard erinnert worden, wie er auf dieſe Art die Kayſerlichen geſchlagen; Daher iſt ein character der Weiß- heit, wenn einer im Gluͤck ſouple iſt, und im Ungluͤck Hertz hat. Her- gegen ein Narr iſt im Ungluͤck nieder geſchlagen, und im Gluͤck aufge- blaſen. Man kan ſehen, wenn einer ſage iſt, wenn man acht giebt, wie er ſich im Gluͤck conduiſſiret. Es hat auch ſeine politiſchen raiſons, daß einer im Gluͤck ſouple ſeyn muß, denn die Menſchen ſind ſo beſchaffen, daß ſie das bonum, welches andere genieſſen, gerne vor ſich haben wol- len, mißgoͤnnen ihm alſo ſolches, und ſind alle wider ihn auf. Wie Carolus V. Franciſcum I. gefangen genommen hatte, wachte jedermann auf, Carolus V. hat geſagt: Er wollte lieber ſelbſt gefangen ſeyn, als daß dieſes geſchehen waͤre, aber es war ſein Ernſt nicht; So klug war er doch, daß er ſouple war; Es haben gleich andere eine ligue auf ihn gemacht. Man weiß, daß groſſe Herren in ſtatu naturali nicht ſtille ſtehen, ſondern wenn einer gewinnt/ ſo ſind gleich andere, die wider ihn complotiren. Es muß einer aber auch ſeinen Sieg pouſſiren. Was halff Philippo II. ſeine victorie bey St. Quintin, da er dieſelbe nicht weiter pouſſirte, ſondern ſich mit der Belagerung vor St. Quintin auf- hielte?

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/450>, abgerufen am 24.11.2024.