Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia so sind sie doch zur defension. Im Krieg erfordert man experience undGewohnheit. Junge Leute achten die Gefahr so nicht. Gustav Adolph hatte lauter Milch-Bärthe, legte sie erst in guarnison, melirte sie mit Alten. Mit Jungen kan man desperate actiones vornehmen; Expedi- tiones aber, so grosse circumspection erfordern, sind ihnen nicht zu ver- trauen. Wird ein Student ein Soldat, so debauchirt er andere, und machet lauter Ungelegenheiten; Die sich nicht commandiren lassen, sind mehr a charge bey der Armee. Ein Murr-Kopff taugt gar nicht zu ei- nem Soldaten. Ein Soldat muß einige Ehre haben; Die keine ha- ben, muß man an solche Oerter bringen, wo sie nicht davon lauffen können. Moriz postirte die Holländer zwischen den Feind, das Meer, und den Morast; Sie fochten ex desperatione, und in effectu ists eins, von wem mein Feind todt geschlagen wird. Quoad corpus: Wer groß ist bey der infanterie, der hat einen grossen Vortheil vor kleinen, er hat grosse Knochen, ist stärcker, kan besser tragen, thut grosse Schritte; Sie jagen andern ein Schrecken ein, wie die Gallier den Römern, vid. Caesar. Allein die grosse Leute haben nicht stets grosse courage, ein gros- ser isset, trincket, schläfft mehr, als derjenige, so ein klein corpus hat. Perefex in seinem Leben des Henry le Grand sagt: Mayenne sey ein wa- ckerer Herr gewesen, aber er sey zu groß; Daher habe Henry le Grand ihm überall den Rang abgelauffen, der sey vigilanter und geschwinder als jener gewesen. Stehen grosse Leute stille, so können sie viel ertra- gen, marchiren sie aber lange, so bekommen sie den Wolff, werden ma- rode. Eine Guarde zur Zierde von grossen Kerln ist noch zu passiren, deßwegen hat man die Schweitzer gerne genommen. Die Römer wa- ren klein, aber gute Springer, sprungen denen Teutschen auf Schild und Pferd. In Venedig exerciret man sich noch im Springen, ein Kerl springet auf den andern. Von denen Römern haben wir den Krieg gelernet; Aber Caesar würde sich wundern, wenn er die jetzigen Krieges-Anstalten sehen sollte. Frischlinus in seinen comoedien hat eine artige comoedie hiervon. Zum commandiren sind kleine so gut und bes- ser als grosse. Audacia und Geschwindigkeit thut das meiste; Kanst du aber einen grossen durch das exercitium die Geschwindigkeit beybringen, so hat er grosse avantage. Grosse extraordinaire Menschen sind zu nichts als zur parade nütze. Die Regimenter aus der Normandie, Piccardie und Champagne sind groß, diese choisiret Franckreich. Lipsius hält von allzu grossen und zu kleinen Leuten nichts, er bleibet immer bey der cou- rage. Erasmus in Adagiis saget auch: Bey grossen Leuten wohne nicht stets die gröste courage; Bey grossen extendire sich calor und spiritus in
Cap. V. De prudentia ſo ſind ſie doch zur defenſion. Im Krieg erfordert man experience undGewohnheit. Junge Leute achten die Gefahr ſo nicht. Guſtav Adolph hatte lauter Milch-Baͤrthe, legte ſie erſt in guarniſon, melirte ſie mit Alten. Mit Jungen kan man deſperate actiones vornehmen; Expedi- tiones aber, ſo groſſe circumſpection erfordern, ſind ihnen nicht zu ver- trauen. Wird ein Student ein Soldat, ſo debauchirt er andere, und machet lauter Ungelegenheiten; Die ſich nicht commandiren laſſen, ſind mehr à charge bey der Armee. Ein Murr-Kopff taugt gar nicht zu ei- nem Soldaten. Ein Soldat muß einige Ehre haben; Die keine ha- ben, muß man an ſolche Oerter bringen, wo ſie nicht davon lauffen koͤnnen. Moriz poſtirte die Hollaͤnder zwiſchen den Feind, das Meer, und den Moraſt; Sie fochten ex deſperatione, und in effectu iſts eins, von wem mein Feind todt geſchlagen wird. Quoad corpus: Wer groß iſt bey der infanterie, der hat einen groſſen Vortheil vor kleinen, er hat groſſe Knochen, iſt ſtaͤrcker, kan beſſer tragen, thut groſſe Schritte; Sie jagen andern ein Schrecken ein, wie die Gallier den Roͤmern, vid. Cæſar. Allein die groſſe Leute haben nicht ſtets groſſe courage, ein groſ- ſer iſſet, trincket, ſchlaͤfft mehr, als derjenige, ſo ein klein corpus hat. Perefex in ſeinem Leben des Henry le Grand ſagt: Mayenne ſey ein wa- ckerer Herr geweſen, aber er ſey zu groß; Daher habe Henry le Grand ihm uͤberall den Rang abgelauffen, der ſey vigilanter und geſchwinder als jener geweſen. Stehen groſſe Leute ſtille, ſo koͤnnen ſie viel ertra- gen, marchiren ſie aber lange, ſo bekommen ſie den Wolff, werden ma- rode. Eine Guarde zur Zierde von groſſen Kerln iſt noch zu paſſiren, deßwegen hat man die Schweitzer gerne genommen. Die Roͤmer wa- ren klein, aber gute Springer, ſprungen denen Teutſchen auf Schild und Pferd. In Venedig exerciret man ſich noch im Springen, ein Kerl ſpringet auf den andern. Von denen Roͤmern haben wir den Krieg gelernet; Aber Cæſar wuͤrde ſich wundern, wenn er die jetzigen Krieges-Anſtalten ſehen ſollte. Friſchlinus in ſeinen comœdien hat eine artige comœdie hiervon. Zum commandiren ſind kleine ſo gut und beſ- ſer als groſſe. Audacia und Geſchwindigkeit thut das meiſte; Kanſt du aber einen groſſen durch das exercitium die Geſchwindigkeit beybringen, ſo hat er groſſe avantage. Groſſe extraordinaire Menſchen ſind zu nichts als zur parade nuͤtze. Die Regimenter aus der Normandie, Piccardie und Champagne ſind groß, dieſe choiſiret Franckreich. Lipſius haͤlt von allzu groſſen und zu kleinen Leuten nichts, er bleibet immer bey der cou- rage. Eraſmus in Adagiis ſaget auch: Bey groſſen Leuten wohne nicht ſtets die groͤſte courage; Bey groſſen extendire ſich calor und ſpiritus in
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hatte lauter Milch-Baͤrthe, legte ſie erſt in guarniſon, melirte ſie mit
Alten. Mit Jungen kan man deſperate actiones vornehmen; Expedi-
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trauen. Wird ein Student ein Soldat, ſo debauchirt er andere, und
machet lauter Ungelegenheiten; Die ſich nicht commandiren laſſen, ſind
mehr à charge bey der Armee. Ein Murr-Kopff taugt gar nicht zu ei-
nem Soldaten. Ein Soldat muß einige Ehre haben; Die keine ha-
ben, muß man an ſolche Oerter bringen, wo ſie nicht davon lauffen
koͤnnen. Moriz poſtirte die Hollaͤnder zwiſchen den Feind, das Meer,
und den Moraſt; Sie fochten ex deſperatione, und in effectu iſts eins,
von wem mein Feind todt geſchlagen wird. Quoad corpus: Wer groß
iſt bey der infanterie, der hat einen groſſen Vortheil vor kleinen, er hat
groſſe Knochen, iſt ſtaͤrcker, kan beſſer tragen, thut groſſe Schritte;
Sie jagen andern ein Schrecken ein, wie die Gallier den Roͤmern, vid.
Cæſar. Allein die groſſe Leute haben nicht ſtets groſſe courage, ein groſ-
ſer iſſet, trincket, ſchlaͤfft mehr, als derjenige, ſo ein klein corpus hat.
Perefex in ſeinem Leben des Henry le Grand ſagt: Mayenne ſey ein wa-
ckerer Herr geweſen, aber er ſey zu groß; Daher habe Henry le Grand
ihm uͤberall den Rang abgelauffen, der ſey vigilanter und geſchwinder
als jener geweſen. Stehen groſſe Leute ſtille, ſo koͤnnen ſie viel ertra-
gen, marchiren ſie aber lange, ſo bekommen ſie den Wolff, werden ma-
rode. Eine Guarde zur Zierde von groſſen Kerln iſt noch zu paſſiren,
deßwegen hat man die Schweitzer gerne genommen. Die Roͤmer wa-
ren klein, aber gute Springer, ſprungen denen Teutſchen auf Schild
und Pferd. In Venedig exerciret man ſich noch im Springen, ein
Kerl ſpringet auf den andern. Von denen Roͤmern haben wir den
Krieg gelernet; Aber Cæſar wuͤrde ſich wundern, wenn er die jetzigen
Krieges-Anſtalten ſehen ſollte. Friſchlinus in ſeinen comœdien hat eine
artige comœdie hiervon. Zum commandiren ſind kleine ſo gut und beſ-
ſer als groſſe. Audacia und Geſchwindigkeit thut das meiſte; Kanſt du
aber einen groſſen durch das exercitium die Geſchwindigkeit beybringen,
ſo hat er groſſe avantage. Groſſe extraordinaire Menſchen ſind zu nichts
als zur parade nuͤtze. Die Regimenter aus der Normandie, Piccardie
und Champagne ſind groß, dieſe choiſiret Franckreich. Lipſius haͤlt von
allzu groſſen und zu kleinen Leuten nichts, er bleibet immer bey der cou-
rage. Eraſmus in Adagiis ſaget auch: Bey groſſen Leuten wohne nicht
ſtets die groͤſte courage; Bey groſſen extendire ſich calor und ſpiritus
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