Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa bellum & pacem. Pohlen wegen der Thornischen affaire völlige reparation thun, so wirdniemand mit denen Pohlen Krieg anfangen, und so viel Leute zur Schlacht- Banck führen. Der Krieg ist nur ein Noth-Fall, gleichwie der Chi- rurgus, wenn es nicht anders seyn kan: Aber einige grosse Herren sind so beschaffen, daß sie nicht alles überlegen und betrachten, was vor mal- heur ihren Unterthanen dadurch zuwachsen könne; sondern werden darzu angeregt von denenjenigen, so wollen commandiren; Kan man aber sonst keine satisfaction erhalten, so kan gar wohl der Krieg ergriffen werden. Wenn auch einer sattsame Ursachen hat, daß er kan Krieg führen, so muß er doch solches zu weilen unterlassen, ja er ist schul- dig, solches zu thun. Ich bin schuldig, vor meine Unterthanen Sorge zu tragen, ut felices esse possint, habe ich nun gleich causas, daß ich könn- te einen Krieg anfangen, so muß ich doch zu sehen, ob meine Untertha- nen nicht dadurch grosser Schade kan zugefüget werden, und ob ich auch capable, solchen auszuführen. e. g. Mein Land hat keine Festungen, es ist denen Streiffereyen exponiret, und wenn eine bataille verlohren gehet, so kan der Feind das gantze Land einnehmen, da ists besser, wenn ich den Krieg unterlasse. Daher wird unten gedacht werden von dem Nutzen und Nothwendigkeit der Festungen, und ist kein Volck hierinn so abgeschmackt, als die Pohlen, welche keine Festungen leiden, als wi- der die Türcken, gegen die Moscowiter haben sie Smolensko gehabt, aber gegen andere haben sie gar keine Festungen gehabt. Sie meynen, es wäre ein praesidium libertatis, wenn sie keine castella hätten, weil der Feind sich nicht könne aufhalten etc. wenn er keine Festungen habe; Al- lein wenn nun der Feind sich da fortificirte, wer wollte sie hernach her- aus jagen? Hätten die Schweden sich fortificiret, sie würden nicht leicht seyn delogirt worden; das ist eine faute von denen Feinden, und kommt nicht von der prudentia der Pohlen. Man hat gesehen, wie der Czaar Petersburg fortificiret, da sonst keine Festung daselbst gewesen. §. 4-7. Im Kriege muß man acht geben, ut ad sit miles, pe-Was vor Zu- wür- D d d
ſtatus circa bellum & pacem. Pohlen wegen der Thorniſchen affaire voͤllige reparation thun, ſo wirdniemand mit denen Pohlen Krieg anfangen, und ſo viel Leute zur Schlacht- Banck fuͤhren. Der Krieg iſt nur ein Noth-Fall, gleichwie der Chi- rurgus, wenn es nicht anders ſeyn kan: Aber einige groſſe Herren ſind ſo beſchaffen, daß ſie nicht alles uͤberlegen und betrachten, was vor mal- heur ihren Unterthanen dadurch zuwachſen koͤnne; ſondern werden darzu angeregt von denenjenigen, ſo wollen commandiren; Kan man aber ſonſt keine ſatisfaction erhalten, ſo kan gar wohl der Krieg ergriffen werden. Wenn auch einer ſattſame Urſachen hat, daß er kan Krieg fuͤhren, ſo muß er doch ſolches zu weilen unterlaſſen, ja er iſt ſchul- dig, ſolches zu thun. Ich bin ſchuldig, vor meine Unterthanen Sorge zu tragen, ut felices eſſe poſſint, habe ich nun gleich cauſas, daß ich koͤnn- te einen Krieg anfangen, ſo muß ich doch zu ſehen, ob meine Untertha- nen nicht dadurch groſſer Schade kan zugefuͤget werden, und ob ich auch capable, ſolchen auszufuͤhren. e. g. Mein Land hat keine Feſtungen, es iſt denen Streiffereyen exponiret, und wenn eine bataille verlohren gehet, ſo kan der Feind das gantze Land einnehmen, da iſts beſſer, wenn ich den Krieg unterlaſſe. Daher wird unten gedacht werden von dem Nutzen und Nothwendigkeit der Feſtungen, und iſt kein Volck hierinn ſo abgeſchmackt, als die Pohlen, welche keine Feſtungen leiden, als wi- der die Tuͤrcken, gegen die Moſcowiter haben ſie Smolensko gehabt, aber gegen andere haben ſie gar keine Feſtungen gehabt. Sie meynen, es waͤre ein præſidium libertatis, wenn ſie keine caſtella haͤtten, weil der Feind ſich nicht koͤnne aufhalten ꝛc. wenn er keine Feſtungen habe; Al- lein wenn nun der Feind ſich da fortificirte, wer wollte ſie hernach her- aus jagen? Haͤtten die Schweden ſich fortificiret, ſie wuͤrden nicht leicht ſeyn delogirt worden; das iſt eine faute von denen Feinden, und kommt nicht von der prudentia der Pohlen. Man hat geſehen, wie der Czaar Petersburg fortificiret, da ſonſt keine Feſtung daſelbſt geweſen. §. 4-7. Im Kriege muß man acht geben, ut ad ſit miles, pe-Was vor Zu- wuͤr- D d d
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ſtatus circa bellum & pacem.
Pohlen wegen der Thorniſchen affaire voͤllige reparation thun, ſo wird
niemand mit denen Pohlen Krieg anfangen, und ſo viel Leute zur Schlacht-
Banck fuͤhren. Der Krieg iſt nur ein Noth-Fall, gleichwie der Chi-
rurgus, wenn es nicht anders ſeyn kan: Aber einige groſſe Herren ſind ſo
beſchaffen, daß ſie nicht alles uͤberlegen und betrachten, was vor mal-
heur ihren Unterthanen dadurch zuwachſen koͤnne; ſondern werden
darzu angeregt von denenjenigen, ſo wollen commandiren; Kan
man aber ſonſt keine ſatisfaction erhalten, ſo kan gar wohl der Krieg
ergriffen werden. Wenn auch einer ſattſame Urſachen hat, daß er kan
Krieg fuͤhren, ſo muß er doch ſolches zu weilen unterlaſſen, ja er iſt ſchul-
dig, ſolches zu thun. Ich bin ſchuldig, vor meine Unterthanen Sorge
zu tragen, ut felices eſſe poſſint, habe ich nun gleich cauſas, daß ich koͤnn-
te einen Krieg anfangen, ſo muß ich doch zu ſehen, ob meine Untertha-
nen nicht dadurch groſſer Schade kan zugefuͤget werden, und ob ich auch
capable, ſolchen auszufuͤhren. e. g. Mein Land hat keine Feſtungen, es
iſt denen Streiffereyen exponiret, und wenn eine bataille verlohren
gehet, ſo kan der Feind das gantze Land einnehmen, da iſts beſſer, wenn
ich den Krieg unterlaſſe. Daher wird unten gedacht werden von dem
Nutzen und Nothwendigkeit der Feſtungen, und iſt kein Volck hierinn
ſo abgeſchmackt, als die Pohlen, welche keine Feſtungen leiden, als wi-
der die Tuͤrcken, gegen die Moſcowiter haben ſie Smolensko gehabt,
aber gegen andere haben ſie gar keine Feſtungen gehabt. Sie meynen,
es waͤre ein præſidium libertatis, wenn ſie keine caſtella haͤtten, weil der
Feind ſich nicht koͤnne aufhalten ꝛc. wenn er keine Feſtungen habe; Al-
lein wenn nun der Feind ſich da fortificirte, wer wollte ſie hernach her-
aus jagen? Haͤtten die Schweden ſich fortificiret, ſie wuͤrden nicht leicht
ſeyn delogirt worden; das iſt eine faute von denen Feinden, und kommt
nicht von der prudentia der Pohlen. Man hat geſehen, wie der Czaar
Petersburg fortificiret, da ſonſt keine Feſtung daſelbſt geweſen.
§. 4-7. Im Kriege muß man acht geben, ut ad ſit miles, pe-
cunia, commeatus, idonea arma. Ohne Geld kan man in der Welt
nicht fortkommen; Vor dieſem konnte Krieg ohne Geld gefuͤhret wer-
den. Clodovæus, wie er nach Franckreich kam, ſo ſagte er: Aurum &
argentum non habeo; Aber damahls waren alle Leute milites, und ſie
hatten das principium, daß ſie ihr Pferd wollten an des Nachbars Zaun
binden. Sie giengen aus einem incultivirten Lande in ein cultivirtes,
da brauchten ſie nur eine bataille zu gewinnen, ſo hatten ſie hernach alles.
Mahometh II. wie er Ungarn attaquirte, ſo hat er ſeinen Leuten geſagt,
ſie ſollten nur brav fechten, ob ſie gleich kein Geld haͤtten: Denn ſie
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Was vor Zu-
ruͤſtung zum
Kriege erfor-
dert werde.
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