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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
die Wissenschafft viel thut. e. g. Wenn in Regenspurg ein Herr keinen
rechten Gesandten hat, so kan derselbe auf einmahl so viel versehen, als
die gantze ambassade ausmacht. Wenn ein Ambassadeur extraordinaire
geschickt wird, so darff man nicht gleich dencken, daß was extraordinai-
res
solle expediret werden, sondern er wird mit Fleiß zu einer solchen ex-
pedition
genommen, die nicht lange dauret, da machet er mehr figur, und
giebt seinem Herrn lustre. Wie der König in Engeland auf dem Frie-
den zu Ryßwick zuwege bracht, daß ihn der König in Franckreich vor
einen König agnosciret, so wurde der Portland als Ambassadeur extraor-
dinaire
von Engeland nach Franckreich geschicket, und der Tallard von
Franckreich nach Engeland, welche beyde recht mit einander certiret, wer
unter ihnen den grössesten Staat machen könne. Als der König in
Franckreich suchte Holland an sich zu bringen, so schickte er den d'Estra-
des
nach Engeland, welcher eine ausserordentlich lange Zeit da gebliebeu,
und sehr viel Geld verthan, um den König in Franckreich considerable
zu machen. Ein pauvre Gesandter ist in Engeland verachtet, wo die
Gesandten sich vor sich nicht souteniren können, muß der Herr ihnen
helffen. Ein Legatus hat mit raffinirten Leuten zu thun, deßwegen muß
er homo prudens, vigilans seyn, nicht zu alt und nicht zu jung, sind sie zu
jung, so werden sie hochmüthig, und können sich nicht darein finden;
Wer immer kranck ist, hat die halbe Schwindsucht, wie der Molesworth,
der schicket sich nicht dazu. Mons. Temple hat in seinen Oeuvres melees
einen Brief, darinnen er lamentiret, und saget: Er bekäme das poda-
gra,
da wäre alle sein plaisir hin. Sein metier sey, bey grossen Ge-
sandten zu seyn, nun könne er nichts mehr negotiiren, denn die Füsse sind
alsdenn nicht mehr en bon ordre, man kan sich nicht mehr herum drehen,
muß Peltz-Stiefeln anziehen. Ein Gesandter aber muß offt unter
Dames seyn. Es ist nicht genug, daß einer äusserliche Qualitäten hat,
sondern er muß auch Wissenschafft haben, das Land und den Hof ken-
nen. Die erste relation machet er vom Hofe, daher ist eben gut, solche
Leute zu nehmen, welche schon einmahl in dem Lande gewesen, oder wo
solche nicht da sind, muß man ihnen wenigstens einen adsistenten geben,
der den Hof kennet, er muß die Sprache können: Denn in Europa re-
det man nicht gerne per interpretem, ausser bey denen Türcken. Die
Frantzösische und Italiänische Sprache kan einer nicht entbehren. Es
bestehet keine Gelehrsamkeit in denen Sprachen; Sie sind aber doch ein
Mittel, daß man leichter fortkomme. Die Juristerey muß einer auch
verstehen, er muß ja Tractaten können aufsetzen, und acht geben, daß kei-
ne chicanen mit unterlauffen. Der Lateinischen Sprache muß er auch

kun-

Cap. V. De prudentia
die Wiſſenſchafft viel thut. e. g. Wenn in Regenſpurg ein Herr keinen
rechten Geſandten hat, ſo kan derſelbe auf einmahl ſo viel verſehen, als
die gantze ambaſſade ausmacht. Wenn ein Ambaſſadeur extraordinaire
geſchickt wird, ſo darff man nicht gleich dencken, daß was extraordinai-
res
ſolle expediret werden, ſondern er wird mit Fleiß zu einer ſolchen ex-
pedition
genommen, die nicht lange dauret, da machet er mehr figur, und
giebt ſeinem Herrn luſtre. Wie der Koͤnig in Engeland auf dem Frie-
den zu Ryßwick zuwege bracht, daß ihn der Koͤnig in Franckreich vor
einen Koͤnig agnoſciret, ſo wurde der Portland als Ambaſſadeur extraor-
dinaire
von Engeland nach Franckreich geſchicket, und der Tallard von
Franckreich nach Engeland, welche beyde recht mit einander certiret, wer
unter ihnen den groͤſſeſten Staat machen koͤnne. Als der Koͤnig in
Franckreich ſuchte Holland an ſich zu bringen, ſo ſchickte er den d’Eſtra-
des
nach Engeland, welcher eine auſſerordentlich lange Zeit da gebliebeu,
und ſehr viel Geld verthan, um den Koͤnig in Franckreich conſiderable
zu machen. Ein pauvre Geſandter iſt in Engeland verachtet, wo die
Geſandten ſich vor ſich nicht ſouteniren koͤnnen, muß der Herr ihnen
helffen. Ein Legatus hat mit raffinirten Leuten zu thun, deßwegen muß
er homo prudens, vigilans ſeyn, nicht zu alt und nicht zu jung, ſind ſie zu
jung, ſo werden ſie hochmuͤthig, und koͤnnen ſich nicht darein finden;
Wer immer kranck iſt, hat die halbe Schwindſucht, wie der Molesworth,
der ſchicket ſich nicht dazu. Monſ. Temple hat in ſeinen Oeuvres melées
einen Brief, darinnen er lamentiret, und ſaget: Er bekaͤme das poda-
gra,
da waͤre alle ſein plaiſir hin. Sein metier ſey, bey groſſen Ge-
ſandten zu ſeyn, nun koͤnne er nichts mehr negotiiren, denn die Fuͤſſe ſind
alsdenn nicht mehr en bon ordre, man kan ſich nicht mehr herum drehen,
muß Peltz-Stiefeln anziehen. Ein Geſandter aber muß offt unter
Dames ſeyn. Es iſt nicht genug, daß einer aͤuſſerliche Qualitaͤten hat,
ſondern er muß auch Wiſſenſchafft haben, das Land und den Hof ken-
nen. Die erſte relation machet er vom Hofe, daher iſt eben gut, ſolche
Leute zu nehmen, welche ſchon einmahl in dem Lande geweſen, oder wo
ſolche nicht da ſind, muß man ihnen wenigſtens einen adſiſtenten geben,
der den Hof kennet, er muß die Sprache koͤnnen: Denn in Europa re-
det man nicht gerne per interpretem, auſſer bey denen Tuͤrcken. Die
Frantzoͤſiſche und Italiaͤniſche Sprache kan einer nicht entbehren. Es
beſtehet keine Gelehrſamkeit in denen Sprachen; Sie ſind aber doch ein
Mittel, daß man leichter fortkomme. Die Juriſterey muß einer auch
verſtehen, er muß ja Tractaten koͤnnen aufſetzen, und acht geben, daß kei-
ne chicanen mit unterlauffen. Der Lateiniſchen Sprache muß er auch

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[386/0406] Cap. V. De prudentia die Wiſſenſchafft viel thut. e. g. Wenn in Regenſpurg ein Herr keinen rechten Geſandten hat, ſo kan derſelbe auf einmahl ſo viel verſehen, als die gantze ambaſſade ausmacht. Wenn ein Ambaſſadeur extraordinaire geſchickt wird, ſo darff man nicht gleich dencken, daß was extraordinai- res ſolle expediret werden, ſondern er wird mit Fleiß zu einer ſolchen ex- pedition genommen, die nicht lange dauret, da machet er mehr figur, und giebt ſeinem Herrn luſtre. Wie der Koͤnig in Engeland auf dem Frie- den zu Ryßwick zuwege bracht, daß ihn der Koͤnig in Franckreich vor einen Koͤnig agnoſciret, ſo wurde der Portland als Ambaſſadeur extraor- dinaire von Engeland nach Franckreich geſchicket, und der Tallard von Franckreich nach Engeland, welche beyde recht mit einander certiret, wer unter ihnen den groͤſſeſten Staat machen koͤnne. Als der Koͤnig in Franckreich ſuchte Holland an ſich zu bringen, ſo ſchickte er den d’Eſtra- des nach Engeland, welcher eine auſſerordentlich lange Zeit da gebliebeu, und ſehr viel Geld verthan, um den Koͤnig in Franckreich conſiderable zu machen. Ein pauvre Geſandter iſt in Engeland verachtet, wo die Geſandten ſich vor ſich nicht ſouteniren koͤnnen, muß der Herr ihnen helffen. Ein Legatus hat mit raffinirten Leuten zu thun, deßwegen muß er homo prudens, vigilans ſeyn, nicht zu alt und nicht zu jung, ſind ſie zu jung, ſo werden ſie hochmuͤthig, und koͤnnen ſich nicht darein finden; Wer immer kranck iſt, hat die halbe Schwindſucht, wie der Molesworth, der ſchicket ſich nicht dazu. Monſ. Temple hat in ſeinen Oeuvres melées einen Brief, darinnen er lamentiret, und ſaget: Er bekaͤme das poda- gra, da waͤre alle ſein plaiſir hin. Sein metier ſey, bey groſſen Ge- ſandten zu ſeyn, nun koͤnne er nichts mehr negotiiren, denn die Fuͤſſe ſind alsdenn nicht mehr en bon ordre, man kan ſich nicht mehr herum drehen, muß Peltz-Stiefeln anziehen. Ein Geſandter aber muß offt unter Dames ſeyn. Es iſt nicht genug, daß einer aͤuſſerliche Qualitaͤten hat, ſondern er muß auch Wiſſenſchafft haben, das Land und den Hof ken- nen. Die erſte relation machet er vom Hofe, daher iſt eben gut, ſolche Leute zu nehmen, welche ſchon einmahl in dem Lande geweſen, oder wo ſolche nicht da ſind, muß man ihnen wenigſtens einen adſiſtenten geben, der den Hof kennet, er muß die Sprache koͤnnen: Denn in Europa re- det man nicht gerne per interpretem, auſſer bey denen Tuͤrcken. Die Frantzoͤſiſche und Italiaͤniſche Sprache kan einer nicht entbehren. Es beſtehet keine Gelehrſamkeit in denen Sprachen; Sie ſind aber doch ein Mittel, daß man leichter fortkomme. Die Juriſterey muß einer auch verſtehen, er muß ja Tractaten koͤnnen aufſetzen, und acht geben, daß kei- ne chicanen mit unterlauffen. Der Lateiniſchen Sprache muß er auch kun-

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/406>, abgerufen am 24.11.2024.