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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
thun, denn die Gesandten machen intriquen, corrumpiren die Leute.
Ein Herr muß deßwegen nicht toll werden, er weiß ja, daß es alle Ge-
sandten so marhen, deine Leute kanst du einschräncken, daß sie nichts zu
thun haben mit dem Gesandten, wie in Venedig geschiehet; daher ist in
Venedig schwer zu negotiiren, und findet man, daß offt die Gesand-
ten durch Bettel-Leute vieles erfahren, oder durch die Geistlichen.
Gesetzt nun, ein Gesandter peccirt etwas, kan nach denen regulis pru-
dentiae
nicht der Princeps ihn strafen? Resp. Es ist noch sehr dubiös ra-
tione justitiae,
ja wenn er feindlich agirt, machet conspirationes, wie
der Gillenbourg gethan, so wäre es was anders. Cromwell hat so rai-
sonni
rt und gesagt: Wenn der principal da ist, und nimmt hostilia vor,
so brauche ich deßwegen nicht zu schonen, noch viel weniger eines Ge-
sandten. Obgleich dieses alles wahr, so ist doch besser, wenn die ho-
stilia
nicht groß sind, daß man den Gesandten nach Hause schicket, da-
mit der Herr ihn strafe. Denn sonst negirt der Herr, daß er ihm ordre
gegeben. Henricus IV. in Franckreich hat es recht gemacht. Wie der
Carl Emanuel, Hertzog von Savoyen, in Franckreich war, und nichts
als cabalen machete, so riethen einige dem Heinrich, er sollte ihn in ar-
rest
nehmen, der König fragte den Hertzog von Bethune, was er davor
halte? welcher antwortete, er habe raison ihn in arrest zu nehmen, aber
seine Sachen könten ihm Schaden thun, und weil der Hertzog als ein
hospes kommen, so sollte er ihn nicht lassen arretiren, damit man nicht
sagte: Er habe die jura hospitalitatis violiret; daher ließ der König ihm
sagen: Er möchte sich bald retiriren, weil er nicht Lust hätte, seine visite
länger zu geniessen. Der Hertzog gieng auch über Halß und Kopff fort;
der Frantzösische Gesandte hatte in London auch vieles wider den Crom-
well machini
ret, Mazarin negirte, daß der Gesandte ordre dazu gehabt.
Da schickte Cromwell den Gesandten nach Franckreich, daß sie ihn solten
abstraffen, welcher auch in die Bastille zum Schein gehen muste: denn
er hat in der That ordre gehabt. Wenn ein delictum nicht groß ist, so
ists vollends absurd, wenn einer den Gesandten strafen will. Ich re-
cipi
re ihn als einen Unterthanen eines andern, daher muß ich auch dem
andern überlassen, daß er ihn strafe, wenn ich auch ex regulis justitiae
deduci
ren könte, daß ich ihn selbst zu strafen berechtiget, so ist es doch
wider die regulas prudentiae. Die andern Gesandten lauffen weg. Wie
vor einigen Jahren der Moscowitische Gesandte von London weggehen
wollte, und die canaille ihm wegen Schulden in die Pferde fiel, so reg-
ten sich viele Gesandten und sagten, sie müsten sicher seyn; damit wurde
beliebt, daß kein Mensch mehr sollte Hülffe haben, sondern sich entwe-

der

Cap. V. De prudentia
thun, denn die Geſandten machen intriquen, corrumpiren die Leute.
Ein Herr muß deßwegen nicht toll werden, er weiß ja, daß es alle Ge-
ſandten ſo marhen, deine Leute kanſt du einſchraͤncken, daß ſie nichts zu
thun haben mit dem Geſandten, wie in Venedig geſchiehet; daher iſt in
Venedig ſchwer zu negotiiren, und findet man, daß offt die Geſand-
ten durch Bettel-Leute vieles erfahren, oder durch die Geiſtlichen.
Geſetzt nun, ein Geſandter peccirt etwas, kan nach denen regulis pru-
dentiæ
nicht der Princeps ihn ſtrafen? Reſp. Es iſt noch ſehr dubiös ra-
tione juſtitiæ,
ja wenn er feindlich agirt, machet conſpirationes, wie
der Gillenbourg gethan, ſo waͤre es was anders. Cromwell hat ſo rai-
ſonni
rt und geſagt: Wenn der principal da iſt, und nimmt hoſtilia vor,
ſo brauche ich deßwegen nicht zu ſchonen, noch viel weniger eines Ge-
ſandten. Obgleich dieſes alles wahr, ſo iſt doch beſſer, wenn die ho-
ſtilia
nicht groß ſind, daß man den Geſandten nach Hauſe ſchicket, da-
mit der Herr ihn ſtrafe. Denn ſonſt negirt der Herr, daß er ihm ordre
gegeben. Henricus IV. in Franckreich hat es recht gemacht. Wie der
Carl Emanuel, Hertzog von Savoyen, in Franckreich war, und nichts
als cabalen machete, ſo riethen einige dem Heinrich, er ſollte ihn in ar-
reſt
nehmen, der Koͤnig fragte den Hertzog von Bethune, was er davor
halte? welcher antwortete, er habe raiſon ihn in arreſt zu nehmen, aber
ſeine Sachen koͤnten ihm Schaden thun, und weil der Hertzog als ein
hospes kommen, ſo ſollte er ihn nicht laſſen arretiren, damit man nicht
ſagte: Er habe die jura hospitalitatis violiret; daher ließ der Koͤnig ihm
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laͤnger zu genieſſen. Der Hertzog gieng auch uͤber Halß und Kopff fort;
der Frantzoͤſiſche Geſandte hatte in London auch vieles wider den Crom-
well machini
ret, Mazarin negirte, daß der Geſandte ordre dazu gehabt.
Da ſchickte Cromwell den Geſandten nach Franckreich, daß ſie ihn ſolten
abſtraffen, welcher auch in die Baſtille zum Schein gehen muſte: denn
er hat in der That ordre gehabt. Wenn ein delictum nicht groß iſt, ſo
iſts vollends abſurd, wenn einer den Geſandten ſtrafen will. Ich re-
cipi
re ihn als einen Unterthanen eines andern, daher muß ich auch dem
andern uͤberlaſſen, daß er ihn ſtrafe, wenn ich auch ex regulis juſtitiæ
deduci
ren koͤnte, daß ich ihn ſelbſt zu ſtrafen berechtiget, ſo iſt es doch
wider die regulas prudentiæ. Die andern Geſandten lauffen weg. Wie
vor einigen Jahren der Moſcowitiſche Geſandte von London weggehen
wollte, und die canaille ihm wegen Schulden in die Pferde fiel, ſo reg-
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[382/0402] Cap. V. De prudentia thun, denn die Geſandten machen intriquen, corrumpiren die Leute. Ein Herr muß deßwegen nicht toll werden, er weiß ja, daß es alle Ge- ſandten ſo marhen, deine Leute kanſt du einſchraͤncken, daß ſie nichts zu thun haben mit dem Geſandten, wie in Venedig geſchiehet; daher iſt in Venedig ſchwer zu negotiiren, und findet man, daß offt die Geſand- ten durch Bettel-Leute vieles erfahren, oder durch die Geiſtlichen. Geſetzt nun, ein Geſandter peccirt etwas, kan nach denen regulis pru- dentiæ nicht der Princeps ihn ſtrafen? Reſp. Es iſt noch ſehr dubiös ra- tione juſtitiæ, ja wenn er feindlich agirt, machet conſpirationes, wie der Gillenbourg gethan, ſo waͤre es was anders. Cromwell hat ſo rai- ſonnirt und geſagt: Wenn der principal da iſt, und nimmt hoſtilia vor, ſo brauche ich deßwegen nicht zu ſchonen, noch viel weniger eines Ge- ſandten. Obgleich dieſes alles wahr, ſo iſt doch beſſer, wenn die ho- ſtilia nicht groß ſind, daß man den Geſandten nach Hauſe ſchicket, da- mit der Herr ihn ſtrafe. Denn ſonſt negirt der Herr, daß er ihm ordre gegeben. Henricus IV. in Franckreich hat es recht gemacht. Wie der Carl Emanuel, Hertzog von Savoyen, in Franckreich war, und nichts als cabalen machete, ſo riethen einige dem Heinrich, er ſollte ihn in ar- reſt nehmen, der Koͤnig fragte den Hertzog von Bethune, was er davor halte? welcher antwortete, er habe raiſon ihn in arreſt zu nehmen, aber ſeine Sachen koͤnten ihm Schaden thun, und weil der Hertzog als ein hospes kommen, ſo ſollte er ihn nicht laſſen arretiren, damit man nicht ſagte: Er habe die jura hospitalitatis violiret; daher ließ der Koͤnig ihm ſagen: Er moͤchte ſich bald retiriren, weil er nicht Luſt haͤtte, ſeine viſite laͤnger zu genieſſen. Der Hertzog gieng auch uͤber Halß und Kopff fort; der Frantzoͤſiſche Geſandte hatte in London auch vieles wider den Crom- well machiniret, Mazarin negirte, daß der Geſandte ordre dazu gehabt. Da ſchickte Cromwell den Geſandten nach Franckreich, daß ſie ihn ſolten abſtraffen, welcher auch in die Baſtille zum Schein gehen muſte: denn er hat in der That ordre gehabt. Wenn ein delictum nicht groß iſt, ſo iſts vollends abſurd, wenn einer den Geſandten ſtrafen will. Ich re- cipire ihn als einen Unterthanen eines andern, daher muß ich auch dem andern uͤberlaſſen, daß er ihn ſtrafe, wenn ich auch ex regulis juſtitiæ deduciren koͤnte, daß ich ihn ſelbſt zu ſtrafen berechtiget, ſo iſt es doch wider die regulas prudentiæ. Die andern Geſandten lauffen weg. Wie vor einigen Jahren der Moſcowitiſche Geſandte von London weggehen wollte, und die canaille ihm wegen Schulden in die Pferde fiel, ſo reg- ten ſich viele Geſandten und ſagten, ſie muͤſten ſicher ſeyn; damit wurde beliebt, daß kein Menſch mehr ſollte Huͤlffe haben, ſondern ſich entwe- der

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/402>, abgerufen am 24.11.2024.