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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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& Indole prudentiae civilis.
und fructum laborum meorum sehen soll, da gehe ich zu Grunde. Das
ultimum refugium solcher Leute, die unglücklich werden, ist, daß sie sa-
gen: wir müssen gedultig seyn, und es unserm HErr GOtt überlassen.
So machte es der Johann Friedrich in Sachsen, welcher keine pruden-
tiam
hatte, er hätte sollen rechte Mittel gebrauchen, vigilare, Prudentes
müssen das bonum in abstracto verstehen, aber auch zugleich das malum,
damit sie es können removiren. Prudentiam definirt kein Mensch also,
wie gedacht worden. Aber daß alle Autores Sapientiam und pruden-
tiam
so unterscheiden sollten, findet man nicht. Unterdessen siehet man
doch, daß man es artig auf diese Art separiren kan. Daher lese ich auch
die Bücher gerne, wie Thomas Morus seine Utopiam und Companella
seine Rempublicam Solis geschrieben: * Diese setzen, wie der Mensch
leben solle, und was ein homo summe perfectus sey, alsdenn kan man
sehen, wie weit wir von der perfection abgegangen sind. Wir müssen
freylich sehen, daß wir per media licita zu einem vollkommenen Grad ge-
langen, aber zur höchsten perfection können wir nicht gelangen. Wer
solche Leute, wie sie Morus und Campanella beschrieben, haben will, muß
in Himmel ziehen, in der Sonne, in denen Planeten mögen auch viel-
leicht solche vollkommene Leute seyn, aber bey uns sind sie nicht. Non
nascimur regeniti;
sondern wir werden es erst, es gehöret Kunst dazu.

§. 3. 4. 5. Man könnte specifice auf alle Stände gehen, aberDaß die Poli-
tica
sich auf
alle Stände
extendire.

wir consideriren hier nichts, als statum civilem. Unser Autor sagt auch,
daß einige bloß auf rempublicam gegangen; aber er meynet, man müs-
se auch auf die andern status sehen, denn in Republica kommen allerhand
status vor, domini, servi, liberi, &c. allerhand Professiones. Dieses nimmt
man en passant mit, keines weges aber, daß man von jedem Stande
wollte eine besondere tractation machen. Man siehet aber hieraus, daß
die Politic auf alle Stände gehet. Hauptsächlich gehen wir ad Rempu-
blicam,
und consideriren, wie die Respublica zu conserviren. Handeln
aber zugleich de removendis hostibus externis & internis. Weil nun
sonderlich auf Rempublicam gesehen wird, so nennet man auch Politi-
cam Prudentiam Civilem,
wie Hertius sein Buch tituliret, welcher hier
am besten zu gebrauchen: Denn es ist fast keine Memoire, die er nicht
excerpiret hat.

§. 6. Hier zeiget nun der Autor, daß das vocabulum PoliticesUnterschiedene
Bedeutung
des Worts
Politica.

vielen significatibus und aequivocationibus unterworffen. Die aequivo-

catio
* Thomas Morus war ein gelehrter Mann, der unter Henrico VIII. in Engeland
auf dem Echaffaut sterben müssen, aber es ist ihm höchst unrecht gethan, wie
Levireus in seiner Historie d'Angle terre gewiesen.
C 2

& Indole prudentiæ civilis.
und fructum laborum meorum ſehen ſoll, da gehe ich zu Grunde. Das
ultimum refugium ſolcher Leute, die ungluͤcklich werden, iſt, daß ſie ſa-
gen: wir muͤſſen gedultig ſeyn, und es unſerm HErr GOtt uͤberlaſſen.
So machte es der Johann Friedrich in Sachſen, welcher keine pruden-
tiam
hatte, er haͤtte ſollen rechte Mittel gebrauchen, vigilare, Prudentes
muͤſſen das bonum in abſtracto verſtehen, aber auch zugleich das malum,
damit ſie es koͤnnen removiren. Prudentiam definirt kein Menſch alſo,
wie gedacht worden. Aber daß alle Autores Sapientiam und pruden-
tiam
ſo unterſcheiden ſollten, findet man nicht. Unterdeſſen ſiehet man
doch, daß man es artig auf dieſe Art ſepariren kan. Daher leſe ich auch
die Buͤcher gerne, wie Thomas Morus ſeine Utopiam und Companella
ſeine Rempublicam Solis geſchrieben: * Dieſe ſetzen, wie der Menſch
leben ſolle, und was ein homo ſumme perfectus ſey, alsdenn kan man
ſehen, wie weit wir von der perfection abgegangen ſind. Wir muͤſſen
freylich ſehen, daß wir per media licita zu einem vollkommenen Grad ge-
langen, aber zur hoͤchſten perfection koͤnnen wir nicht gelangen. Wer
ſolche Leute, wie ſie Morus und Campanella beſchrieben, haben will, muß
in Himmel ziehen, in der Sonne, in denen Planeten moͤgen auch viel-
leicht ſolche vollkommene Leute ſeyn, aber bey uns ſind ſie nicht. Non
naſcimur regeniti;
ſondern wir werden es erſt, es gehoͤret Kunſt dazu.

§. 3. 4. 5. Man koͤnnte ſpecifice auf alle Staͤnde gehen, aberDaß die Poli-
tica
ſich auf
alle Staͤnde
extendire.

wir conſideriren hier nichts, als ſtatum civilem. Unſer Autor ſagt auch,
daß einige bloß auf rempublicam gegangen; aber er meynet, man muͤſ-
ſe auch auf die andern ſtatus ſehen, denn in Republica kommen allerhand
ſtatus vor, domini, ſervi, liberi, &c. allerhand Profeſſiones. Dieſes nimmt
man en paſſant mit, keines weges aber, daß man von jedem Stande
wollte eine beſondere tractation machen. Man ſiehet aber hieraus, daß
die Politic auf alle Staͤnde gehet. Hauptſaͤchlich gehen wir ad Rempu-
blicam,
und conſideriren, wie die Respublica zu conſerviren. Handeln
aber zugleich de removendis hoſtibus externis & internis. Weil nun
ſonderlich auf Rempublicam geſehen wird, ſo nennet man auch Politi-
cam Prudentiam Civilem,
wie Hertius ſein Buch tituliret, welcher hier
am beſten zu gebrauchen: Denn es iſt faſt keine Memoire, die er nicht
excerpiret hat.

§. 6. Hier zeiget nun der Autor, daß das vocabulum PoliticesUnterſchiedene
Bedeutung
des Worts
Politica.

vielen ſignificatibus und æquivocationibus unterworffen. Die æquivo-

catio
* Thomas Morus war ein gelehrter Mann, der unter Henrico VIII. in Engeland
auf dem Echaffaut ſterben muͤſſen, aber es iſt ihm hoͤchſt unrecht gethan, wie
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[19/0039] & Indole prudentiæ civilis. und fructum laborum meorum ſehen ſoll, da gehe ich zu Grunde. Das ultimum refugium ſolcher Leute, die ungluͤcklich werden, iſt, daß ſie ſa- gen: wir muͤſſen gedultig ſeyn, und es unſerm HErr GOtt uͤberlaſſen. So machte es der Johann Friedrich in Sachſen, welcher keine pruden- tiam hatte, er haͤtte ſollen rechte Mittel gebrauchen, vigilare, Prudentes muͤſſen das bonum in abſtracto verſtehen, aber auch zugleich das malum, damit ſie es koͤnnen removiren. Prudentiam definirt kein Menſch alſo, wie gedacht worden. Aber daß alle Autores Sapientiam und pruden- tiam ſo unterſcheiden ſollten, findet man nicht. Unterdeſſen ſiehet man doch, daß man es artig auf dieſe Art ſepariren kan. Daher leſe ich auch die Buͤcher gerne, wie Thomas Morus ſeine Utopiam und Companella ſeine Rempublicam Solis geſchrieben: * Dieſe ſetzen, wie der Menſch leben ſolle, und was ein homo ſumme perfectus ſey, alsdenn kan man ſehen, wie weit wir von der perfection abgegangen ſind. Wir muͤſſen freylich ſehen, daß wir per media licita zu einem vollkommenen Grad ge- langen, aber zur hoͤchſten perfection koͤnnen wir nicht gelangen. Wer ſolche Leute, wie ſie Morus und Campanella beſchrieben, haben will, muß in Himmel ziehen, in der Sonne, in denen Planeten moͤgen auch viel- leicht ſolche vollkommene Leute ſeyn, aber bey uns ſind ſie nicht. Non naſcimur regeniti; ſondern wir werden es erſt, es gehoͤret Kunſt dazu. §. 3. 4. 5. Man koͤnnte ſpecifice auf alle Staͤnde gehen, aber wir conſideriren hier nichts, als ſtatum civilem. Unſer Autor ſagt auch, daß einige bloß auf rempublicam gegangen; aber er meynet, man muͤſ- ſe auch auf die andern ſtatus ſehen, denn in Republica kommen allerhand ſtatus vor, domini, ſervi, liberi, &c. allerhand Profeſſiones. Dieſes nimmt man en paſſant mit, keines weges aber, daß man von jedem Stande wollte eine beſondere tractation machen. Man ſiehet aber hieraus, daß die Politic auf alle Staͤnde gehet. Hauptſaͤchlich gehen wir ad Rempu- blicam, und conſideriren, wie die Respublica zu conſerviren. Handeln aber zugleich de removendis hoſtibus externis & internis. Weil nun ſonderlich auf Rempublicam geſehen wird, ſo nennet man auch Politi- cam Prudentiam Civilem, wie Hertius ſein Buch tituliret, welcher hier am beſten zu gebrauchen: Denn es iſt faſt keine Memoire, die er nicht excerpiret hat. Daß die Poli- tica ſich auf alle Staͤnde extendire. §. 6. Hier zeiget nun der Autor, daß das vocabulum Politices vielen ſignificatibus und æquivocationibus unterworffen. Die æquivo- catio Unterſchiedene Bedeutung des Worts Politica. * Thomas Morus war ein gelehrter Mann, der unter Henrico VIII. in Engeland auf dem Echaffaut ſterben muͤſſen, aber es iſt ihm hoͤchſt unrecht gethan, wie Levireus in ſeiner Hiſtorie d’Angle terre gewieſen. C 2

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/39>, abgerufen am 27.11.2024.