drich VVilhelm abgieng, und mit denen Pohlen einen Frieden machte.
Ob man mit schwächern ein foedus machen solle?
§. 9. 10. Quaer. Ob man mit miseris solle alliancen machen? Respond. Wer alliancen machen will, der muß es bey Zeiten thun, weil er noch in gutem Stande ist, und ists ein Fehler, wenn ein Herr gar kei- ne alliancen macht. Brauchet einer sie gleich jetzo nicht, so können doch viel tausend casus intervenire, da einer succumbirt, hernach findet er kei- ne alliance. Lipsius hat in seiner politic von alliancen wohl raisonniret. Es war ein Fehler von Carolo I. in Engeland, daß er keine alliancen ge- macht, und hieß es: Inopia amicorum me perdidit. Clarendon in sei- ner Histoire des Guerres civiles en Angleterre hat schrecklich auf die Für- sten in Europa loßgezogen, daß sie sich des Caroli I. nicht angenommen. Allein Carolus I. ist selbst daran Schuld gewesen, warum hat er nicht alliancen gemacht? Wer will sich meliren vor einen Herren, da man proxime siehet, daß er wird zu Grunde gehen. So habe man auch wahrgenommen, daß obgleich auch Carolus II. in der gantzen Welt her- um gewesen, sich doch niemand seiner angenommen. Hätte er vorhe- ro socios gesucht, so wäre es besser gewesen. Der König Augustus in Pohlen, wie er lag, konnte nirgends ein foedus finden. Er erinnerte uns der Erb-Vereinigung, wir sagten aber: Vermöge derselben wären wir zu vier hundert Mann verbunden, die würden ihm wenig helffen. Ar- me Leute sind gefangene Leute, und auch ruinirte Herren. Derjenige also, so infirmioris conditionis muß nicht gleich ein foedus cum potentiori machen, doch kan er profitiren, wenn die potentiores sonst ein interesse haben. e. g. Wie der Hertzog von Braganza in Portugall auf dem Thron stieg, so hatte es ein schlechtes Ansehen, alles war ruinirt, und kein Geld vorhan- den. Aber per accidens geschahe, daß ihm geholffen wurde. Denn die Holländer und Frantzosen sahen, daß sie durch Portugall Spanien schaden könnten, deßwegen stunden sie demselben bey. Wenn man die Histoire des Richelieu lieset, so findet man, daß wenn der Karn ein- mahl in ein modericht Land geschoben worden, er sich nicht wollen en- gagiren. Vassor in seiner Histoire von Ludovico XIV. und Spanheim in seinen memoiren von der Louise Juliana, der Mutter Friderici V. erzehlet als einen Fehler von demselben, daß er sich um keine alliancen bekümmert. Wie er nun die Schlacht beym weissen Berge verlohren, wolte ihm nie- mand helfen. Richelieu sagte, warum er nicht bey Zeiten gekommen wäre. Unter der Hand halff er ihm freylich, hetzte andere auf, aber in ein foedus offensivum wolte er sich nicht mit ihm einlassen. Richelieu sagt in seinem Test. Politique. Es wäre ein Unglück vor ein Volck, wel-
ches
Cap. V. De prudentia
drich VVilhelm abgieng, und mit denen Pohlen einen Frieden machte.
Ob man mit ſchwaͤchern ein fœdus machen ſolle?
§. 9. 10. Quær. Ob man mit miſeris ſolle alliancen machen? Reſpond. Wer alliancen machen will, der muß es bey Zeiten thun, weil er noch in gutem Stande iſt, und iſts ein Fehler, wenn ein Herr gar kei- ne alliancen macht. Brauchet einer ſie gleich jetzo nicht, ſo koͤnnen doch viel tauſend caſus intervenire, da einer ſuccumbirt, hernach findet er kei- ne alliance. Lipſius hat in ſeiner politic von alliancen wohl raiſonniret. Es war ein Fehler von Carolo I. in Engeland, daß er keine alliancen ge- macht, und hieß es: Inopia amicorum me perdidit. Clarendon in ſei- ner Hiſtoire des Guerres civiles en Angleterre hat ſchrecklich auf die Fuͤr- ſten in Europa loßgezogen, daß ſie ſich des Caroli I. nicht angenommen. Allein Carolus I. iſt ſelbſt daran Schuld geweſen, warum hat er nicht alliancen gemacht? Wer will ſich meliren vor einen Herren, da man proxime ſiehet, daß er wird zu Grunde gehen. So habe man auch wahrgenommen, daß obgleich auch Carolus II. in der gantzen Welt her- um geweſen, ſich doch niemand ſeiner angenommen. Haͤtte er vorhe- ro ſocios geſucht, ſo waͤre es beſſer geweſen. Der Koͤnig Auguſtus in Pohlen, wie er lag, konnte nirgends ein fœdus finden. Er erinnerte uns der Erb-Vereinigung, wir ſagten aber: Vermoͤge derſelben waͤren wir zu vier hundert Mann verbunden, die wuͤrden ihm wenig helffen. Ar- me Leute ſind gefangene Leute, und auch ruinirte Herren. Derjenige alſo, ſo infirmioris conditionis muß nicht gleich ein fœdus cum potentiori machen, doch kan er profitiren, wenn die potentiores ſonſt ein intereſſe haben. e. g. Wie der Hertzog von Braganza in Portugall auf dem Thron ſtieg, ſo hatte es ein ſchlechtes Anſehen, alles war ruinirt, und kein Geld vorhan- den. Aber per accidens geſchahe, daß ihm geholffen wurde. Denn die Hollaͤnder und Frantzoſen ſahen, daß ſie durch Portugall Spanien ſchaden koͤnnten, deßwegen ſtunden ſie demſelben bey. Wenn man die Hiſtoire des Richelieu lieſet, ſo findet man, daß wenn der Karn ein- mahl in ein modericht Land geſchoben worden, er ſich nicht wollen en- gagiren. Vaſſor in ſeiner Hiſtoire von Ludovico XIV. und Spanheim in ſeinen memoiren von der Louiſe Juliana, der Mutter Friderici V. erzehlet als einen Fehler von demſelben, daß er ſich um keine alliancen bekuͤmmert. Wie er nun die Schlacht beym weiſſen Berge verlohren, wolte ihm nie- mand helfen. Richelieu ſagte, warum er nicht bey Zeiten gekommen waͤre. Unter der Hand halff er ihm freylich, hetzte andere auf, aber in ein foedus offenſivum wolte er ſich nicht mit ihm einlaſſen. Richelieu ſagt in ſeinem Teſt. Politique. Es waͤre ein Ungluͤck vor ein Volck, wel-
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Cap. V. De prudentia
drich VVilhelm abgieng, und mit denen Pohlen einen Frieden
machte.
§. 9. 10. Quær. Ob man mit miſeris ſolle alliancen machen?
Reſpond. Wer alliancen machen will, der muß es bey Zeiten thun, weil
er noch in gutem Stande iſt, und iſts ein Fehler, wenn ein Herr gar kei-
ne alliancen macht. Brauchet einer ſie gleich jetzo nicht, ſo koͤnnen doch
viel tauſend caſus intervenire, da einer ſuccumbirt, hernach findet er kei-
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Es war ein Fehler von Carolo I. in Engeland, daß er keine alliancen ge-
macht, und hieß es: Inopia amicorum me perdidit. Clarendon in ſei-
ner Hiſtoire des Guerres civiles en Angleterre hat ſchrecklich auf die Fuͤr-
ſten in Europa loßgezogen, daß ſie ſich des Caroli I. nicht angenommen.
Allein Carolus I. iſt ſelbſt daran Schuld geweſen, warum hat er nicht
alliancen gemacht? Wer will ſich meliren vor einen Herren, da man
proxime ſiehet, daß er wird zu Grunde gehen. So habe man auch
wahrgenommen, daß obgleich auch Carolus II. in der gantzen Welt her-
um geweſen, ſich doch niemand ſeiner angenommen. Haͤtte er vorhe-
ro ſocios geſucht, ſo waͤre es beſſer geweſen. Der Koͤnig Auguſtus in
Pohlen, wie er lag, konnte nirgends ein fœdus finden. Er erinnerte uns
der Erb-Vereinigung, wir ſagten aber: Vermoͤge derſelben waͤren wir
zu vier hundert Mann verbunden, die wuͤrden ihm wenig helffen. Ar-
me Leute ſind gefangene Leute, und auch ruinirte Herren. Derjenige alſo, ſo
infirmioris conditionis muß nicht gleich ein fœdus cum potentiori machen,
doch kan er profitiren, wenn die potentiores ſonſt ein intereſſe haben. e. g.
Wie der Hertzog von Braganza in Portugall auf dem Thron ſtieg, ſo
hatte es ein ſchlechtes Anſehen, alles war ruinirt, und kein Geld vorhan-
den. Aber per accidens geſchahe, daß ihm geholffen wurde. Denn die
Hollaͤnder und Frantzoſen ſahen, daß ſie durch Portugall Spanien
ſchaden koͤnnten, deßwegen ſtunden ſie demſelben bey. Wenn man
die Hiſtoire des Richelieu lieſet, ſo findet man, daß wenn der Karn ein-
mahl in ein modericht Land geſchoben worden, er ſich nicht wollen en-
gagiren. Vaſſor in ſeiner Hiſtoire von Ludovico XIV. und Spanheim in
ſeinen memoiren von der Louiſe Juliana, der Mutter Friderici V. erzehlet
als einen Fehler von demſelben, daß er ſich um keine alliancen bekuͤmmert.
Wie er nun die Schlacht beym weiſſen Berge verlohren, wolte ihm nie-
mand helfen. Richelieu ſagte, warum er nicht bey Zeiten gekommen
waͤre. Unter der Hand halff er ihm freylich, hetzte andere auf, aber
in ein foedus offenſivum wolte er ſich nicht mit ihm einlaſſen. Richelieu
ſagt in ſeinem Teſt. Politique. Es waͤre ein Ungluͤck vor ein Volck, wel-
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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/384>, abgerufen am 24.11.2024.
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