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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
fangen. Wenn man ihn nun auf das echaffaut gebracht, und als einen
turbatorem angesehen, was würde es gewesen seyn. Suifft hat wohl
raisonnirt, und sagt: Es sey nicht zu praesumiren, daß einer ein Atheus,
weil man auf allerhand Art kan Deum demonstrare. Fenelon de l'exi-
stence de Dieu
hat die modos probandi Deum eingetheilt in vulgares, me-
diocres & subtilissimos.
Man muß so certissimas probationes haben,
wenn einer soll pro Atheo gehalten werden. Gib du nur sonst Achtung,
daß keine impietas einreisset, lehre dein Volck, das ist am besten, dar-
innen bestehet die impietät, daß man seinen Nächsten nicht liebet, als
sich selbst. Wenn einer ein adulter, Aufruhr anfänget etc. Si impieta-
tem tollas
ist deine Republic glücklich, der Princeps kan nicht alle einer-
ley fromm machen, darzu hat er die Prediger. Die Leute pariren frey-
lich besser, wenn sie auf einerley fromm sind, daß sie nicht ex formidine
poenae
das Böse unterlassen, sondern ex amore erga Deum, ex amore vir-
tutis.
Wenn die Doctores sagen: Iterna pietas müsse promovirt werden
durch force, daß ist nichts. Denn wenn man es par force thun kan,
so hat man die Prediger nicht nöthig. Bayle hat sub voce Ales ange-
mercket, daß vielmehr durch gute raisonnements die Leute zu einen bessern
Leben müssen gebracht werden. Drum kan auch keine Republique sine
ecclesiasticis
seyn, nur müssen solche im Zaum gehalten werden. Uber-
haupt kan man freylich nicht sagen, daß die ecclesiastici turbatores; Aber
es ist ein kleiner Sprung, so nehmen sie den gladium temporalem pro
spirituali,
alsdenn tyrannisiren sie recht, nicht allein die Unterthanen,
sondern zuletzt sich selbst. An allen Religions-Streitigkeiten ist niemand
mehr Schuld, als die Geistlichen, weil sie das donum tolerantiae nicht
haben. Sie toleriren lieber die Juden, und wissen doch, daß sie von
dem Messia nichts halten. Ich habe mich gewundert, wie ich im Con-
sistorio
gesessen, daß, als ein bekehrter Jude kam und sagte: Die Juden
hätten viel ärgerliche Gebeter, so waren einige Eyferer, welche meyne-
ten, man sollte ihnen solche wegnehmen. Ich sagte: Es sey nichts, wir
wüsten gar wohl, daß die Juden von dem Messia nichts hielten. Die
Juden nehmen ihnen nichts, deßwegen toleriren sie dieselben; So bald
ein Princeps käme, und sagte: Er wollte die geistlichen Kirchen-Güter
denen Juden geben, so würde eine revolte entstehen. Hergegen kommt
eine andere secte, so beissen sie einander aus, als wie die Reformirten
die Lutheraner ausgebissen, in Hessen, in der Pfaltz. Das ist eben die
Klage, warum es mit der unione nicht von statten gehet. Es ist meum
& tuum,
das utile; Es will da einer dem andern nichts einräumen.
Sie dencken auch, es bekömmt dieser oder jener beym Principe eher Ge-

hör.

Cap. V. De prudentia
fangen. Wenn man ihn nun auf das echaffaut gebracht, und als einen
turbatorem angeſehen, was wuͤrde es geweſen ſeyn. Suifft hat wohl
raiſonnirt, und ſagt: Es ſey nicht zu præſumiren, daß einer ein Atheus,
weil man auf allerhand Art kan Deum demonſtrare. Fenelon de l’exi-
ſtence de Dieu
hat die modos probandi Deum eingetheilt in vulgares, me-
diocres & ſubtiliſſimos.
Man muß ſo certiſſimas probationes haben,
wenn einer ſoll pro Atheo gehalten werden. Gib du nur ſonſt Achtung,
daß keine impietas einreiſſet, lehre dein Volck, das iſt am beſten, dar-
innen beſtehet die impietaͤt, daß man ſeinen Naͤchſten nicht liebet, als
ſich ſelbſt. Wenn einer ein adulter, Aufruhr anfaͤnget ꝛc. Si impieta-
tem tollas
iſt deine Republic gluͤcklich, der Princeps kan nicht alle einer-
ley fromm machen, darzu hat er die Prediger. Die Leute pariren frey-
lich beſſer, wenn ſie auf einerley fromm ſind, daß ſie nicht ex formidine
pœnæ
das Boͤſe unterlaſſen, ſondern ex amore erga Deum, ex amore vir-
tutis.
Wenn die Doctores ſagen: Iterna pietas muͤſſe promovirt werden
durch force, daß iſt nichts. Denn wenn man es par force thun kan,
ſo hat man die Prediger nicht noͤthig. Bayle hat ſub voce Ales ange-
mercket, daß vielmehr durch gute raiſonnements die Leute zu einen beſſern
Leben muͤſſen gebracht werden. Drum kan auch keine Republique ſine
eccleſiaſticis
ſeyn, nur muͤſſen ſolche im Zaum gehalten werden. Uber-
haupt kan man freylich nicht ſagen, daß die eccleſiaſtici turbatores; Aber
es iſt ein kleiner Sprung, ſo nehmen ſie den gladium temporalem pro
ſpirituali,
alsdenn tyranniſiren ſie recht, nicht allein die Unterthanen,
ſondern zuletzt ſich ſelbſt. An allen Religions-Streitigkeiten iſt niemand
mehr Schuld, als die Geiſtlichen, weil ſie das donum tolerantiæ nicht
haben. Sie toleriren lieber die Juden, und wiſſen doch, daß ſie von
dem Meſſia nichts halten. Ich habe mich gewundert, wie ich im Con-
ſiſtorio
geſeſſen, daß, als ein bekehrter Jude kam und ſagte: Die Juden
haͤtten viel aͤrgerliche Gebeter, ſo waren einige Eyferer, welche meyne-
ten, man ſollte ihnen ſolche wegnehmen. Ich ſagte: Es ſey nichts, wir
wuͤſten gar wohl, daß die Juden von dem Meſſia nichts hielten. Die
Juden nehmen ihnen nichts, deßwegen toleriren ſie dieſelben; So bald
ein Princeps kaͤme, und ſagte: Er wollte die geiſtlichen Kirchen-Guͤter
denen Juden geben, ſo wuͤrde eine revolte entſtehen. Hergegen kommt
eine andere ſecte, ſo beiſſen ſie einander aus, als wie die Reformirten
die Lutheraner ausgebiſſen, in Heſſen, in der Pfaltz. Das iſt eben die
Klage, warum es mit der unione nicht von ſtatten gehet. Es iſt meum
& tuum,
das utile; Es will da einer dem andern nichts einraͤumen.
Sie dencken auch, es bekoͤmmt dieſer oder jener beym Principe eher Ge-

hoͤr.
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[354/0374] Cap. V. De prudentia fangen. Wenn man ihn nun auf das echaffaut gebracht, und als einen turbatorem angeſehen, was wuͤrde es geweſen ſeyn. Suifft hat wohl raiſonnirt, und ſagt: Es ſey nicht zu præſumiren, daß einer ein Atheus, weil man auf allerhand Art kan Deum demonſtrare. Fenelon de l’exi- ſtence de Dieu hat die modos probandi Deum eingetheilt in vulgares, me- diocres & ſubtiliſſimos. Man muß ſo certiſſimas probationes haben, wenn einer ſoll pro Atheo gehalten werden. Gib du nur ſonſt Achtung, daß keine impietas einreiſſet, lehre dein Volck, das iſt am beſten, dar- innen beſtehet die impietaͤt, daß man ſeinen Naͤchſten nicht liebet, als ſich ſelbſt. Wenn einer ein adulter, Aufruhr anfaͤnget ꝛc. Si impieta- tem tollas iſt deine Republic gluͤcklich, der Princeps kan nicht alle einer- ley fromm machen, darzu hat er die Prediger. Die Leute pariren frey- lich beſſer, wenn ſie auf einerley fromm ſind, daß ſie nicht ex formidine pœnæ das Boͤſe unterlaſſen, ſondern ex amore erga Deum, ex amore vir- tutis. Wenn die Doctores ſagen: Iterna pietas muͤſſe promovirt werden durch force, daß iſt nichts. Denn wenn man es par force thun kan, ſo hat man die Prediger nicht noͤthig. Bayle hat ſub voce Ales ange- mercket, daß vielmehr durch gute raiſonnements die Leute zu einen beſſern Leben muͤſſen gebracht werden. Drum kan auch keine Republique ſine eccleſiaſticis ſeyn, nur muͤſſen ſolche im Zaum gehalten werden. Uber- haupt kan man freylich nicht ſagen, daß die eccleſiaſtici turbatores; Aber es iſt ein kleiner Sprung, ſo nehmen ſie den gladium temporalem pro ſpirituali, alsdenn tyranniſiren ſie recht, nicht allein die Unterthanen, ſondern zuletzt ſich ſelbſt. An allen Religions-Streitigkeiten iſt niemand mehr Schuld, als die Geiſtlichen, weil ſie das donum tolerantiæ nicht haben. Sie toleriren lieber die Juden, und wiſſen doch, daß ſie von dem Meſſia nichts halten. Ich habe mich gewundert, wie ich im Con- ſiſtorio geſeſſen, daß, als ein bekehrter Jude kam und ſagte: Die Juden haͤtten viel aͤrgerliche Gebeter, ſo waren einige Eyferer, welche meyne- ten, man ſollte ihnen ſolche wegnehmen. Ich ſagte: Es ſey nichts, wir wuͤſten gar wohl, daß die Juden von dem Meſſia nichts hielten. Die Juden nehmen ihnen nichts, deßwegen toleriren ſie dieſelben; So bald ein Princeps kaͤme, und ſagte: Er wollte die geiſtlichen Kirchen-Guͤter denen Juden geben, ſo wuͤrde eine revolte entſtehen. Hergegen kommt eine andere ſecte, ſo beiſſen ſie einander aus, als wie die Reformirten die Lutheraner ausgebiſſen, in Heſſen, in der Pfaltz. Das iſt eben die Klage, warum es mit der unione nicht von ſtatten gehet. Es iſt meum & tuum, das utile; Es will da einer dem andern nichts einraͤumen. Sie dencken auch, es bekoͤmmt dieſer oder jener beym Principe eher Ge- hoͤr.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/374>, abgerufen am 24.11.2024.