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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa religionem.
ist, aber wie viel sind ihrer. Es ist kein gens, so nicht Deum statuirt,
und wird nicht praesumirt, daß einer ein Atheus, woferne nicht clarissima
probatio
da. Es kan einer allerhand wunderliche opiniones haben, deß-
wegen ist er gleich noch nicht ein Atheist; Wenn wir die Kirchen-Histo-
riam
und historiam philosophicam ansehen, so können wir keine zwey her-
aus bringen, von denen wir versichert sind, daß sie rechte Atheisten ge-
wesen. Wenn auch Atheisten seyn, so lassen sie sich es doch nicht mer-
cken. Meynst du, daß Spinoza gestanden, er sey ein Atheus? Vielmehr
sagt er se credere Deum, se demonstrare, aber er sagte, mundus und Deus
sey einerley wie die alten Stoici gesagt, welche Athei gewesen. Athei pra-
ctici
sind genug in der Welt, dawider fechten wir nicht: Denn er weiß
nicht, was er saget, er kan nicht demonstriren, esse Deum und auch nicht
Deum non esse. Er ist ein homo luxuriosus, ein idiot, ein Ochs, die
man vor nichts halten kan. Die Athei Theoretici verbergen sich, und
indem sie sich verbergen, sind sie still; Spinoza ist ein Atheist, die wenig-
sten aber wissen, worauf es ankommt. Wenn also auch Athei da sind.
Quaer. An sint turbaturi? Sehe ich das systema eines Athei an, so scheint
er turbaturus, weil er sich für nichts fürchtet, und wenn er nach seinen
principiis lebet, so machet er Lermen; Aber, wer lebt nach seinen princi-
cipiis,
lebt ihr nach eurem Catechismo? Nein, und also weil ihr nicht
darnach lebt, wollt ihr denn schliessen, daß der Atheist nach seinem syste-
mate
lebt. Sein systema ist wie unser Catechismus. Die Atheisten
wollen unter Menschen leben, honores haben, etwas erwarten in der
Welt, und leben also auch nach ihren passionibus. Der Autor des Tra-
ctats de la religion des Hollandois reprochi
rt die Holländer, daß sie den
Spinozam in ihren Landen duldeten. (Er hat den Spinozam selbst gespro-
then, mit dem Printz Conde, des jetzigen Hertzogs von Bourbon Ur-Groß-
Vater.) Allein es hat ihn ein Theologus zu Gröningen, Joh. Braunius,
refuti
rt in einem tractat la varitable Religion des Hollandois. Er sagt,
wenn die Holländer gleich den Spinozam dulden, deßwegen sind sie doch
nicht Athei. Spinoza wollte auch kein Atheus seyn, man hat ihn mehr
vor einen Juden gehalten, er war auch ein Jude, und weiß man nicht,
daß er getaufft worden. Die Juden fallen leicht auf dem Spinozismum;
Wenn auch alles wahr, sagt Braunius, so thäte er doch nichts. Quas
enim turbas dedit?
Er wollte nicht einmahl einen sectatorem haben.
Bisweilen ist er in die Kirche gegangen. Seine Leute hat er alle lassen
in die Kirche gehen. Colerus hat sein Leben beschrieben, welcher alles
dieses erzehlet. Er war ein Mann, der beständig studirte, machte mi-
croscopia,
und hatte ein plaisir, wenn Fliegen sich in Spinneweben ge-

fan-
Y y

ſtatus circa religionem.
iſt, aber wie viel ſind ihrer. Es iſt kein gens, ſo nicht Deum ſtatuirt,
und wird nicht præſumirt, daß einer ein Atheus, woferne nicht clariſſima
probatio
da. Es kan einer allerhand wunderliche opiniones haben, deß-
wegen iſt er gleich noch nicht ein Atheiſt; Wenn wir die Kirchen-Hiſto-
riam
und hiſtoriam philoſophicam anſehen, ſo koͤnnen wir keine zwey her-
aus bringen, von denen wir verſichert ſind, daß ſie rechte Atheiſten ge-
weſen. Wenn auch Atheiſten ſeyn, ſo laſſen ſie ſich es doch nicht mer-
cken. Meynſt du, daß Spinoza geſtanden, er ſey ein Atheus? Vielmehr
ſagt er ſe credere Deum, ſe demonſtrare, aber er ſagte, mundus und Deus
ſey einerley wie die alten Stoici geſagt, welche Athei geweſen. Athei pra-
ctici
ſind genug in der Welt, dawider fechten wir nicht: Denn er weiß
nicht, was er ſaget, er kan nicht demonſtriren, eſſe Deum und auch nicht
Deum non eſſe. Er iſt ein homo luxurioſus, ein idiot, ein Ochs, die
man vor nichts halten kan. Die Athei Theoretici verbergen ſich, und
indem ſie ſich verbergen, ſind ſie ſtill; Spinoza iſt ein Atheiſt, die wenig-
ſten aber wiſſen, worauf es ankommt. Wenn alſo auch Athei da ſind.
Quær. An ſint turbaturi? Sehe ich das ſyſtema eines Athei an, ſo ſcheint
er turbaturus, weil er ſich fuͤr nichts fuͤrchtet, und wenn er nach ſeinen
principiis lebet, ſo machet er Lermen; Aber, wer lebt nach ſeinen princi-
cipiis,
lebt ihr nach eurem Catechiſmo? Nein, und alſo weil ihr nicht
darnach lebt, wollt ihr denn ſchlieſſen, daß der Atheiſt nach ſeinem ſyſte-
mate
lebt. Sein ſyſtema iſt wie unſer Catechiſmus. Die Atheiſten
wollen unter Menſchen leben, honores haben, etwas erwarten in der
Welt, und leben alſo auch nach ihren paſſionibus. Der Autor des Tra-
ctats de la religion des Hollandois reprochi
rt die Hollaͤnder, daß ſie den
Spinozam in ihren Landen duldeten. (Er hat den Spinozam ſelbſt geſpro-
then, mit dem Printz Condé, des jetzigen Hertzogs von Bourbon Ur-Groß-
Vater.) Allein es hat ihn ein Theologus zu Groͤningen, Joh. Braunius,
refuti
rt in einem tractat la varitable Religion des Hollandois. Er ſagt,
wenn die Hollaͤnder gleich den Spinozam dulden, deßwegen ſind ſie doch
nicht Athei. Spinoza wollte auch kein Atheus ſeyn, man hat ihn mehr
vor einen Juden gehalten, er war auch ein Jude, und weiß man nicht,
daß er getaufft worden. Die Juden fallen leicht auf dem Spinoziſmum;
Wenn auch alles wahr, ſagt Braunius, ſo thaͤte er doch nichts. Quas
enim turbas dedit?
Er wollte nicht einmahl einen ſectatorem haben.
Bisweilen iſt er in die Kirche gegangen. Seine Leute hat er alle laſſen
in die Kirche gehen. Colerus hat ſein Leben beſchrieben, welcher alles
dieſes erzehlet. Er war ein Mann, der beſtaͤndig ſtudirte, machte mi-
croſcopia,
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[353/0373] ſtatus circa religionem. iſt, aber wie viel ſind ihrer. Es iſt kein gens, ſo nicht Deum ſtatuirt, und wird nicht præſumirt, daß einer ein Atheus, woferne nicht clariſſima probatio da. Es kan einer allerhand wunderliche opiniones haben, deß- wegen iſt er gleich noch nicht ein Atheiſt; Wenn wir die Kirchen-Hiſto- riam und hiſtoriam philoſophicam anſehen, ſo koͤnnen wir keine zwey her- aus bringen, von denen wir verſichert ſind, daß ſie rechte Atheiſten ge- weſen. Wenn auch Atheiſten ſeyn, ſo laſſen ſie ſich es doch nicht mer- cken. Meynſt du, daß Spinoza geſtanden, er ſey ein Atheus? Vielmehr ſagt er ſe credere Deum, ſe demonſtrare, aber er ſagte, mundus und Deus ſey einerley wie die alten Stoici geſagt, welche Athei geweſen. Athei pra- ctici ſind genug in der Welt, dawider fechten wir nicht: Denn er weiß nicht, was er ſaget, er kan nicht demonſtriren, eſſe Deum und auch nicht Deum non eſſe. Er iſt ein homo luxurioſus, ein idiot, ein Ochs, die man vor nichts halten kan. Die Athei Theoretici verbergen ſich, und indem ſie ſich verbergen, ſind ſie ſtill; Spinoza iſt ein Atheiſt, die wenig- ſten aber wiſſen, worauf es ankommt. Wenn alſo auch Athei da ſind. Quær. An ſint turbaturi? Sehe ich das ſyſtema eines Athei an, ſo ſcheint er turbaturus, weil er ſich fuͤr nichts fuͤrchtet, und wenn er nach ſeinen principiis lebet, ſo machet er Lermen; Aber, wer lebt nach ſeinen princi- cipiis, lebt ihr nach eurem Catechiſmo? Nein, und alſo weil ihr nicht darnach lebt, wollt ihr denn ſchlieſſen, daß der Atheiſt nach ſeinem ſyſte- mate lebt. Sein ſyſtema iſt wie unſer Catechiſmus. Die Atheiſten wollen unter Menſchen leben, honores haben, etwas erwarten in der Welt, und leben alſo auch nach ihren paſſionibus. Der Autor des Tra- ctats de la religion des Hollandois reprochirt die Hollaͤnder, daß ſie den Spinozam in ihren Landen duldeten. (Er hat den Spinozam ſelbſt geſpro- then, mit dem Printz Condé, des jetzigen Hertzogs von Bourbon Ur-Groß- Vater.) Allein es hat ihn ein Theologus zu Groͤningen, Joh. Braunius, refutirt in einem tractat la varitable Religion des Hollandois. Er ſagt, wenn die Hollaͤnder gleich den Spinozam dulden, deßwegen ſind ſie doch nicht Athei. Spinoza wollte auch kein Atheus ſeyn, man hat ihn mehr vor einen Juden gehalten, er war auch ein Jude, und weiß man nicht, daß er getaufft worden. Die Juden fallen leicht auf dem Spinoziſmum; Wenn auch alles wahr, ſagt Braunius, ſo thaͤte er doch nichts. Quas enim turbas dedit? Er wollte nicht einmahl einen ſectatorem haben. Bisweilen iſt er in die Kirche gegangen. Seine Leute hat er alle laſſen in die Kirche gehen. Colerus hat ſein Leben beſchrieben, welcher alles dieſes erzehlet. Er war ein Mann, der beſtaͤndig ſtudirte, machte mi- croſcopia, und hatte ein plaiſir, wenn Fliegen ſich in Spinneweben ge- fan- Y y

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/373>, abgerufen am 24.11.2024.