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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
sich die Leute nicht gleich geben, muß man nicht sagen, man wolle lassen
Feuer vom Himmel fallen. Wir haben viele praejudicia, welche erst müs-
sen aus dem Wege geräumet werden. Man siehet, was einer vor Mü-
he hat, wenn er uns das will aus dem Sinne bringen, was er von seiner
Kinder Muhme gehöret. Noch viel schwerer gehet es zu, wenn einer
eine andere Religion soll annehmen, da ihm seine vorige Religion be-
ständig so proponiret worden, daß, wenn er solches nicht glaube, käme
er in die Hölle, und würde verdammet, drum sind ambitiosi, zornige Leu-
te gar nicht tüchtig, ad conversionem, ad emendationem, sondern es müs-
sen solche seyu, welche eine grosse Gedult haben. Die Bekehrung kömmt
auf GOtt an, ein Mensch hat mehr Gnade, als der andere, welches
unsere Theologi auch nicht negiren. Wenn aber ein Herr tolerantiam
admitti
rt, so muß er alle auf gleiche Art lieben, sonst giebt es Verdrieß-
lichkeiten; Diejenigen kan freylich ein Herr nicht toleriren, welche doci-
ren, magistratum esse tollendum. Tod machen muß er solche nicht son-
dern nur sagen: Retirirt euch von meinen Grentzen. Eben so ist es auch
mit einem Republiquain, welcher keine monarchie leiden kan, und sagt,
sie wäre wider GOttes Ordnung, kommt ein solcher in eine monarchie,
so sagt man: Gehe nach Athen, nach Holland. Also sagt man nicht
von einer tolerantia illimitata. Es könnte ein Narr kommen, und
sagen, man könne die Fürnehmsten umbringen, das ist ein turbator, wel-
chen man nicht leiden muß. Die tolerantia hat auch incommoda. Man
sagt: Wer tolerantiam admittirt, giebt Gelegenheit zu Zänckereyen;
Allein dieses dubium ist beantwortet in denen Pensees Libres sur la Re-
ligion,
nemlich die propositio fundamentalis muß seyn, daß man sagt:
Wer zanckt, und dem andern incommodirt, soll pro turbatore gehal-
ten, und mit einer Todes-Straffe beleget werden, so hat aller Zanck ein
Ende. Gesetzt, daß an einem Orte zwantzig religiones sind, und man
hätte das principium es solle tolerantia seyn. Die Catholiquen fangen
an, zu turbiren, so werden sie pro turbatoribus gehalten und gestrafft;
muß exempla statuiren, so wird es bald aufhören. Hauptsächlich muß
man auf die ecclesiasticos, auf die Priester achtung geben; Ich bin kein
Priester-Feind, bin selbst eines Priesters Sohn, habe auch schon gepre-
digt, kan aber nicht in Abrede seyn, daß die Priester müssen im Zaum
gehalten werden. Wider die tolerence bringet man sonderlich vor, es
entstünden libertini, Athei, in der Republique; Allein der metus ist ful-
gur ex pelvi.
In der Welt ist viel Unglücks entstanden, nicht durch
Atheos, sondern durch Bigots, durch den Pabst und andere Leute, so die
tolerence nicht admittiren. Es ist freylich gottlose, wenn einer ein Atheist

ist,

Cap. V. De prudentia
ſich die Leute nicht gleich geben, muß man nicht ſagen, man wolle laſſen
Feuer vom Himmel fallen. Wir haben viele præjudicia, welche erſt muͤſ-
ſen aus dem Wege geraͤumet werden. Man ſiehet, was einer vor Muͤ-
he hat, wenn er uns das will aus dem Sinne bringen, was er von ſeiner
Kinder Muhme gehoͤret. Noch viel ſchwerer gehet es zu, wenn einer
eine andere Religion ſoll annehmen, da ihm ſeine vorige Religion be-
ſtaͤndig ſo proponiret worden, daß, wenn er ſolches nicht glaube, kaͤme
er in die Hoͤlle, und wuͤrde verdammet, drum ſind ambitioſi, zornige Leu-
te gar nicht tuͤchtig, ad converſionem, ad emendationem, ſondern es muͤſ-
ſen ſolche ſeyu, welche eine groſſe Gedult haben. Die Bekehrung koͤmmt
auf GOtt an, ein Menſch hat mehr Gnade, als der andere, welches
unſere Theologi auch nicht negiren. Wenn aber ein Herr tolerantiam
admitti
rt, ſo muß er alle auf gleiche Art lieben, ſonſt giebt es Verdrieß-
lichkeiten; Diejenigen kan freylich ein Herr nicht toleriren, welche doci-
ren, magiſtratum eſſe tollendum. Tod machen muß er ſolche nicht ſon-
dern nur ſagen: Retirirt euch von meinen Grentzen. Eben ſo iſt es auch
mit einem Republiquain, welcher keine monarchie leiden kan, und ſagt,
ſie waͤre wider GOttes Ordnung, kommt ein ſolcher in eine monarchie,
ſo ſagt man: Gehe nach Athen, nach Holland. Alſo ſagt man nicht
von einer tolerantia illimitata. Es koͤnnte ein Narr kommen, und
ſagen, man koͤnne die Fuͤrnehmſten umbringen, das iſt ein turbator, wel-
chen man nicht leiden muß. Die tolerantia hat auch incommoda. Man
ſagt: Wer tolerantiam admittirt, giebt Gelegenheit zu Zaͤnckereyen;
Allein dieſes dubium iſt beantwortet in denen Penſees Libres ſur la Re-
ligion,
nemlich die propoſitio fundamentalis muß ſeyn, daß man ſagt:
Wer zanckt, und dem andern incommodirt, ſoll pro turbatore gehal-
ten, und mit einer Todes-Straffe beleget werden, ſo hat aller Zanck ein
Ende. Geſetzt, daß an einem Orte zwantzig religiones ſind, und man
haͤtte das principium es ſolle tolerantia ſeyn. Die Catholiquen fangen
an, zu turbiren, ſo werden ſie pro turbatoribus gehalten und geſtrafft;
muß exempla ſtatuiren, ſo wird es bald aufhoͤren. Hauptſaͤchlich muß
man auf die eccleſiaſticos, auf die Prieſter achtung geben; Ich bin kein
Prieſter-Feind, bin ſelbſt eines Prieſters Sohn, habe auch ſchon gepre-
digt, kan aber nicht in Abrede ſeyn, daß die Prieſter muͤſſen im Zaum
gehalten werden. Wider die tolerence bringet man ſonderlich vor, es
entſtuͤnden libertini, Athei, in der Republique; Allein der metus iſt ful-
gur ex pelvi.
In der Welt iſt viel Ungluͤcks entſtanden, nicht durch
Atheos, ſondern durch Bigots, durch den Pabſt und andere Leute, ſo die
tolerence nicht admittiren. Es iſt freylich gottloſe, wenn einer ein Atheiſt

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[352/0372] Cap. V. De prudentia ſich die Leute nicht gleich geben, muß man nicht ſagen, man wolle laſſen Feuer vom Himmel fallen. Wir haben viele præjudicia, welche erſt muͤſ- ſen aus dem Wege geraͤumet werden. Man ſiehet, was einer vor Muͤ- he hat, wenn er uns das will aus dem Sinne bringen, was er von ſeiner Kinder Muhme gehoͤret. Noch viel ſchwerer gehet es zu, wenn einer eine andere Religion ſoll annehmen, da ihm ſeine vorige Religion be- ſtaͤndig ſo proponiret worden, daß, wenn er ſolches nicht glaube, kaͤme er in die Hoͤlle, und wuͤrde verdammet, drum ſind ambitioſi, zornige Leu- te gar nicht tuͤchtig, ad converſionem, ad emendationem, ſondern es muͤſ- ſen ſolche ſeyu, welche eine groſſe Gedult haben. Die Bekehrung koͤmmt auf GOtt an, ein Menſch hat mehr Gnade, als der andere, welches unſere Theologi auch nicht negiren. Wenn aber ein Herr tolerantiam admittirt, ſo muß er alle auf gleiche Art lieben, ſonſt giebt es Verdrieß- lichkeiten; Diejenigen kan freylich ein Herr nicht toleriren, welche doci- ren, magiſtratum eſſe tollendum. Tod machen muß er ſolche nicht ſon- dern nur ſagen: Retirirt euch von meinen Grentzen. Eben ſo iſt es auch mit einem Republiquain, welcher keine monarchie leiden kan, und ſagt, ſie waͤre wider GOttes Ordnung, kommt ein ſolcher in eine monarchie, ſo ſagt man: Gehe nach Athen, nach Holland. Alſo ſagt man nicht von einer tolerantia illimitata. Es koͤnnte ein Narr kommen, und ſagen, man koͤnne die Fuͤrnehmſten umbringen, das iſt ein turbator, wel- chen man nicht leiden muß. Die tolerantia hat auch incommoda. Man ſagt: Wer tolerantiam admittirt, giebt Gelegenheit zu Zaͤnckereyen; Allein dieſes dubium iſt beantwortet in denen Penſees Libres ſur la Re- ligion, nemlich die propoſitio fundamentalis muß ſeyn, daß man ſagt: Wer zanckt, und dem andern incommodirt, ſoll pro turbatore gehal- ten, und mit einer Todes-Straffe beleget werden, ſo hat aller Zanck ein Ende. Geſetzt, daß an einem Orte zwantzig religiones ſind, und man haͤtte das principium es ſolle tolerantia ſeyn. Die Catholiquen fangen an, zu turbiren, ſo werden ſie pro turbatoribus gehalten und geſtrafft; muß exempla ſtatuiren, ſo wird es bald aufhoͤren. Hauptſaͤchlich muß man auf die eccleſiaſticos, auf die Prieſter achtung geben; Ich bin kein Prieſter-Feind, bin ſelbſt eines Prieſters Sohn, habe auch ſchon gepre- digt, kan aber nicht in Abrede ſeyn, daß die Prieſter muͤſſen im Zaum gehalten werden. Wider die tolerence bringet man ſonderlich vor, es entſtuͤnden libertini, Athei, in der Republique; Allein der metus iſt ful- gur ex pelvi. In der Welt iſt viel Ungluͤcks entſtanden, nicht durch Atheos, ſondern durch Bigots, durch den Pabſt und andere Leute, ſo die tolerence nicht admittiren. Es iſt freylich gottloſe, wenn einer ein Atheiſt iſt,

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/372>, abgerufen am 27.11.2024.