Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa religionem. recht klar ist, denn es sind Sachen da, welche man nicht gleich einsehenkan, da man die regulas interpretationis ex Logica muß appliciren. Man hat conjecturas, eine conjectura ist wahrscheinlicher als die andere, demon- strationes kan man nicht allezeit in theologicis machen, dasjenige, was fehlet, supplet fides. Fides aber muß frey seyn, und leidet keinen Zwang. Wenn der Herr acht giebt, daß die Doctores ihre dogmata deutlich vortragen, mit ei- nem guten Exempel denen Leuten vorgehen, und die Leute erbar leben, so kan es geschehen, daß wo vera religio in republica ist, dieselbe bleibet. Wir haben ab initio veram Apostolicam religionem gehabt, und haben solcher die adversarii nicht viel Schaden gethan. Wie aber die ecclesiastici di- sputirt, und angefangen, liederlich zu leben, so sind viele tausend Secten entstanden. Indessen ist es so. Jetzt ist kein ander Mittel übrig in o- mni religione, als daß man sagt: tolerantia necessaria est, und darinnen steckt libertas sentiendi. Mons Lock hat de la Tolerence geschrieben, welches sein bestes Buch ist. Ich habe auch von dieser materie in mei- nem I. N. & G. die Haupt-Sachen aus dem Lock genommen, dieser hat auch das jus circa sacra principum recht beschrieben, und ist nicht zu weit gegangen. Er sagt, man disputirt lange, was der Princeps vor ein jus habe, er hat eigentlich auf das jus acht zu geben, ne seditiose doceatur.* Wenn ich sage, tolerantia müsse admittiret werden, so ist zu mercken, was vor commoda und incommoda dabey vorkommen. Die commo- da sind nicht so geringe, als die incommoda. Der Fürst siehet freylich gerne, daß überall möchte die wahre Religion floriren, aber es ist nicht möglich, also ist es besser, daß er alles toleriret, und läßt einem jeden glau- ben, was er meynet, daß er könne vor GOtt verantworten. Er brin- get sie doch nicht in dem Himmel, ist auch deßwegen nicht da; Wer weiß wohl eine Republique, da sie sich vereinigt einerley zu dencken, einer- ley Religion zu haben, sondern der Ursprung aller Republiquen, aller ci- vitatum ist gewesen, daß wir wollen sicher leben, damit ein jeder unter seinem Weinstock könne sicher essen und trincken. In agendis läßt ein Fürst seinen Unterthanen keine Freyheit, da müssen sie pariren, und heißt es: neminem occidas, pacta serves &c. Er kan auch seine Religion welche er vor wahr hält, dociren lassen; Und ich glaube, wenn es die wahre Religion, sie wird docirt, gute exempla sind dabey, so werden sich instando, monendo viel tausend Menschen darzu begeben. Auf einmahl kan es nicht geschehen, wer einen disciple haben will, muß erst etliche Jahre mit ihm disputiren, bis er ihn zu rechte bringet; Daher, wenn sich * Lock war ein Raisonneur, ein Mann, der die Welt gekannt, ein guter Philosophus,
der König William hat ihn nach Hannover geschickt. ſtatus circa religionem. recht klar iſt, denn es ſind Sachen da, welche man nicht gleich einſehenkan, da man die regulas interpretationis ex Logica muß appliciren. Man hat conjecturas, eine conjectura iſt wahrſcheinlicher als die andere, demon- ſtrationes kan man nicht allezeit in theologicis machen, dasjenige, was fehlet, ſupplet fides. Fides aber muß frey ſeyn, und leidet keinen Zwang. Wenn der Herr acht giebt, daß die Doctores ihre dogmata deutlich vortragen, mit ei- nem guten Exempel denen Leuten vorgehen, und die Leute erbar leben, ſo kan es geſchehen, daß wo vera religio in republica iſt, dieſelbe bleibet. Wir haben ab initio veram Apoſtolicam religionem gehabt, und haben ſolcher die adverſarii nicht viel Schaden gethan. Wie aber die eccleſiaſtici di- ſputirt, und angefangen, liederlich zu leben, ſo ſind viele tauſend Secten entſtanden. Indeſſen iſt es ſo. Jetzt iſt kein ander Mittel uͤbrig in o- mni religione, als daß man ſagt: tolerantia neceſſaria eſt, und darinnen ſteckt libertas ſentiendi. Monſ Lock hat de la Tolerence geſchrieben, welches ſein beſtes Buch iſt. Ich habe auch von dieſer materie in mei- nem I. N. & G. die Haupt-Sachen aus dem Lock genommen, dieſer hat auch das jus circa ſacra principum recht beſchrieben, und iſt nicht zu weit gegangen. Er ſagt, man diſputirt lange, was der Princeps vor ein jus habe, er hat eigentlich auf das jus acht zu geben, ne ſeditioſe doceatur.* Wenn ich ſage, tolerantia muͤſſe admittiret werden, ſo iſt zu mercken, was vor commoda und incommoda dabey vorkommen. Die commo- da ſind nicht ſo geringe, als die incommoda. Der Fuͤrſt ſiehet freylich gerne, daß uͤberall moͤchte die wahre Religion floriren, aber es iſt nicht moͤglich, alſo iſt es beſſer, daß er alles toleriret, und laͤßt einem jeden glau- ben, was er meynet, daß er koͤnne vor GOtt verantworten. Er brin- get ſie doch nicht in dem Himmel, iſt auch deßwegen nicht da; Wer weiß wohl eine Republique, da ſie ſich vereinigt einerley zu dencken, einer- ley Religion zu haben, ſondern der Urſprung aller Republiquen, aller ci- vitatum iſt geweſen, daß wir wollen ſicher leben, damit ein jeder unter ſeinem Weinſtock koͤnne ſicher eſſen und trincken. In agendis laͤßt ein Fuͤrſt ſeinen Unterthanen keine Freyheit, da muͤſſen ſie pariren, und heißt es: neminem occidas, pacta ſerves &c. Er kan auch ſeine Religion welche er vor wahr haͤlt, dociren laſſen; Und ich glaube, wenn es die wahre Religion, ſie wird docirt, gute exempla ſind dabey, ſo werden ſich inſtando, monendo viel tauſend Menſchen darzu begeben. Auf einmahl kan es nicht geſchehen, wer einen diſciple haben will, muß erſt etliche Jahre mit ihm diſputiren, bis er ihn zu rechte bringet; Daher, wenn ſich * Lock war ein Raiſonneur, ein Mann, der die Welt gekannt, ein guter Philoſophus,
der Koͤnig William hat ihn nach Hannover geſchickt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0371" n="351"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">ſtatus circa religionem.</hi></fw><lb/> recht klar iſt, denn es ſind Sachen da, welche man nicht gleich einſehen<lb/> kan, da man die <hi rendition="#aq">regulas interpretationis ex Logica</hi> muß <hi rendition="#aq">applici</hi>ren. Man<lb/> hat <hi rendition="#aq">conjecturas,</hi> eine <hi rendition="#aq">conjectura</hi> iſt wahrſcheinlicher als die andere, <hi rendition="#aq">demon-<lb/> ſtrationes</hi> kan man nicht allezeit <hi rendition="#aq">in theologicis</hi> machen, dasjenige, was fehlet,<lb/><hi rendition="#aq">ſupplet fides. Fides</hi> aber muß frey ſeyn, und leidet keinen Zwang. Wenn der<lb/> Herr acht giebt, daß die <hi rendition="#aq">Doctores</hi> ihre <hi rendition="#aq">dogmata</hi> deutlich vortragen, mit ei-<lb/> nem guten Exempel denen Leuten vorgehen, und die Leute erbar leben, ſo kan<lb/> es geſchehen, daß wo <hi rendition="#aq">vera religio in republica</hi> iſt, dieſelbe bleibet. Wir<lb/> haben <hi rendition="#aq">ab initio veram Apoſtolicam religionem</hi> gehabt, und haben ſolcher<lb/> die <hi rendition="#aq">adverſarii</hi> nicht viel Schaden gethan. Wie aber die <hi rendition="#aq">eccleſiaſtici di-<lb/> ſputi</hi>rt, und angefangen, liederlich zu leben, ſo ſind viele tauſend Secten<lb/> entſtanden. Indeſſen iſt es ſo. Jetzt iſt kein ander Mittel uͤbrig <hi rendition="#aq">in o-<lb/> mni religione,</hi> als daß man ſagt: <hi rendition="#aq">tolerantia neceſſaria eſt,</hi> und darinnen<lb/> ſteckt <hi rendition="#aq">libertas ſentiendi. Monſ Lock</hi> hat <hi rendition="#aq">de la Tolerence</hi> geſchrieben,<lb/> welches ſein beſtes Buch iſt. Ich habe auch von dieſer <hi rendition="#aq">materie</hi> in mei-<lb/> nem <hi rendition="#aq">I. N. & G.</hi> die Haupt-Sachen aus dem <hi rendition="#aq">Lock</hi> genommen, dieſer<lb/> hat auch das <hi rendition="#aq">jus circa ſacra principum</hi> recht beſchrieben, und iſt nicht zu<lb/> weit gegangen. Er ſagt, man <hi rendition="#aq">diſputi</hi>rt lange, was der <hi rendition="#aq">Princeps</hi> vor ein<lb/><hi rendition="#aq">jus</hi> habe, er hat eigentlich auf das <hi rendition="#aq">jus</hi> acht zu geben, <hi rendition="#aq">ne ſeditioſe doceatur.</hi><note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq">Lock</hi> war ein <hi rendition="#aq">Raiſonneur,</hi> ein Mann, der die Welt gekannt, ein guter <hi rendition="#aq">Philoſophus,</hi><lb/><hi rendition="#et">der Koͤnig <hi rendition="#aq">William</hi> hat ihn nach Hannover geſchickt.</hi></note><lb/> Wenn ich ſage, <hi rendition="#aq">tolerantia</hi> muͤſſe <hi rendition="#aq">admitti</hi>ret werden, ſo iſt zu mercken,<lb/> was vor <hi rendition="#aq">commoda</hi> und <hi rendition="#aq">incommoda</hi> dabey vorkommen. Die <hi rendition="#aq">commo-<lb/> da</hi> ſind nicht ſo geringe, als die <hi rendition="#aq">incommoda.</hi> Der Fuͤrſt ſiehet freylich<lb/> gerne, daß uͤberall moͤchte die wahre Religion <hi rendition="#aq">flori</hi>ren, aber es iſt nicht<lb/> moͤglich, alſo iſt es beſſer, daß er alles <hi rendition="#aq">toleri</hi>ret, und laͤßt einem jeden glau-<lb/> ben, was er meynet, daß er koͤnne vor GOtt verantworten. Er brin-<lb/> get ſie doch nicht in dem Himmel, iſt auch deßwegen nicht da; Wer<lb/> weiß wohl eine Republique, da ſie ſich vereinigt einerley zu dencken, einer-<lb/> ley Religion zu haben, ſondern der Urſprung aller Republiquen, aller <hi rendition="#aq">ci-<lb/> vitatum</hi> iſt geweſen, daß wir wollen ſicher leben, damit ein jeder unter<lb/> ſeinem Weinſtock koͤnne ſicher eſſen und trincken. <hi rendition="#aq">In agendis</hi> laͤßt ein<lb/> Fuͤrſt ſeinen Unterthanen keine Freyheit, da muͤſſen ſie <hi rendition="#aq">pari</hi>ren, und heißt<lb/> es: <hi rendition="#aq">neminem occidas, pacta ſerves &c.</hi> Er kan auch ſeine Religion<lb/> welche er vor wahr haͤlt, <hi rendition="#aq">doci</hi>ren laſſen; Und ich glaube, wenn es die<lb/> wahre Religion, ſie wird <hi rendition="#aq">doci</hi>rt, gute <hi rendition="#aq">exempla</hi> ſind dabey, ſo werden ſich<lb/><hi rendition="#aq">inſtando, monendo</hi> viel tauſend Menſchen darzu begeben. Auf einmahl<lb/> kan es nicht geſchehen, wer einen <hi rendition="#aq">diſciple</hi> haben will, muß erſt etliche<lb/> Jahre mit ihm <hi rendition="#aq">diſputi</hi>ren, bis er ihn zu rechte bringet; Daher, wenn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0371]
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kan, da man die regulas interpretationis ex Logica muß appliciren. Man
hat conjecturas, eine conjectura iſt wahrſcheinlicher als die andere, demon-
ſtrationes kan man nicht allezeit in theologicis machen, dasjenige, was fehlet,
ſupplet fides. Fides aber muß frey ſeyn, und leidet keinen Zwang. Wenn der
Herr acht giebt, daß die Doctores ihre dogmata deutlich vortragen, mit ei-
nem guten Exempel denen Leuten vorgehen, und die Leute erbar leben, ſo kan
es geſchehen, daß wo vera religio in republica iſt, dieſelbe bleibet. Wir
haben ab initio veram Apoſtolicam religionem gehabt, und haben ſolcher
die adverſarii nicht viel Schaden gethan. Wie aber die eccleſiaſtici di-
ſputirt, und angefangen, liederlich zu leben, ſo ſind viele tauſend Secten
entſtanden. Indeſſen iſt es ſo. Jetzt iſt kein ander Mittel uͤbrig in o-
mni religione, als daß man ſagt: tolerantia neceſſaria eſt, und darinnen
ſteckt libertas ſentiendi. Monſ Lock hat de la Tolerence geſchrieben,
welches ſein beſtes Buch iſt. Ich habe auch von dieſer materie in mei-
nem I. N. & G. die Haupt-Sachen aus dem Lock genommen, dieſer
hat auch das jus circa ſacra principum recht beſchrieben, und iſt nicht zu
weit gegangen. Er ſagt, man diſputirt lange, was der Princeps vor ein
jus habe, er hat eigentlich auf das jus acht zu geben, ne ſeditioſe doceatur. *
Wenn ich ſage, tolerantia muͤſſe admittiret werden, ſo iſt zu mercken,
was vor commoda und incommoda dabey vorkommen. Die commo-
da ſind nicht ſo geringe, als die incommoda. Der Fuͤrſt ſiehet freylich
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moͤglich, alſo iſt es beſſer, daß er alles toleriret, und laͤßt einem jeden glau-
ben, was er meynet, daß er koͤnne vor GOtt verantworten. Er brin-
get ſie doch nicht in dem Himmel, iſt auch deßwegen nicht da; Wer
weiß wohl eine Republique, da ſie ſich vereinigt einerley zu dencken, einer-
ley Religion zu haben, ſondern der Urſprung aller Republiquen, aller ci-
vitatum iſt geweſen, daß wir wollen ſicher leben, damit ein jeder unter
ſeinem Weinſtock koͤnne ſicher eſſen und trincken. In agendis laͤßt ein
Fuͤrſt ſeinen Unterthanen keine Freyheit, da muͤſſen ſie pariren, und heißt
es: neminem occidas, pacta ſerves &c. Er kan auch ſeine Religion
welche er vor wahr haͤlt, dociren laſſen; Und ich glaube, wenn es die
wahre Religion, ſie wird docirt, gute exempla ſind dabey, ſo werden ſich
inſtando, monendo viel tauſend Menſchen darzu begeben. Auf einmahl
kan es nicht geſchehen, wer einen diſciple haben will, muß erſt etliche
Jahre mit ihm diſputiren, bis er ihn zu rechte bringet; Daher, wenn
ſich
* Lock war ein Raiſonneur, ein Mann, der die Welt gekannt, ein guter Philoſophus,
der Koͤnig William hat ihn nach Hannover geſchickt.
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