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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa religionem.
daselbst eine Theocratia, GOtt war bey ihnen, auf denselben konten sie
sich verlassen, weil er potentissimus. Bey denen Juden war also leicht,
daß GOtt keinen eintzigen Irrthum litte, er hat ihnen visibiliter gezeigt,
daß sie die wahre Religion hätten, und war kein dubium de veritate.
Die Zehen Gebote hat er ihnen mit Donnern und Blitzen gegeben;
hergegen bey uns, wenn gleich einer de veritate versichert ist, so wird
doch noch immer disputirt. Wir haben in Teutschland drey Religionen,
und die Reformirten sagen, sie hätten die wahre Religion, desgleichen
die Catholiquen und wir Lutheraner. Höret man die Socinianer, so sa-
gen dieselben ebenfals also, und die andern alle wären bigots. Von andern
Schwermern nichts zu gedencken, welches ist nun vera religio? En par-
ticulier
kan freylich mancher de vera religione überzeuget seyn, deswe-
gen aber ist nicht ein jeder seiner Meynung. Sagt man: Genug, wenn
der Fürst die wahre Religion erkenne? Resp. wenn er sie erkennet, so
ists gut. Allein ist er ein Papist, so kan er sagen dieses sey die wahre
Religion und reliquas kan er exstirpiren, wenn er auch gleich die wahre
Religion hat, so kan er doch nicht reliquas extirpiren; Er hat ja die
Force nicht, welche GOtt hat. Diejenigen, welche dergleichen Re-
dens-Arten ex republica Judaica herholen, wie die Pfaffen zu Blois ge-
than, da sie denen Hugenotten keinen Frieden halten wolten, werden
hier nicht gehöret. Denn es ist jetzo eine gantz andere Verfassung.
En general muß man als ein postulatum setzen; daß keine Republique ohne
Religion gefunden werde. Religio supponirt Deum. GOtt will daß
man ihm soll gehorchen. Wer eine Religion hat, muß davor halten:
Deo esse obediendum per revelationem. Die revelatio ist duplex, una fit
per rationem altera per SS. scripturam.
Einige Nationes melden neben
der ration auch noch etwas von der Revelation. Alle Menschen haben
eine Religion und halten dafür, Deum aliquid revelare, wornach die
actiones zu dirigiren, ut sit pax, tranquillitas. Auch die Türcken raisoniren
so. Ratione modi und ratione essentiae, in quo felicitas constituatur,
differir
en wir, welches uns aber hier nichts angehet. Wir haben nicht
mehr religionem illam Judaicam, da Deus visibiliter imperans in conse-
quenti disputatur de veritate,
und wenn auch veritas gewiß, so entstehet
doch die Frage: Oob ich das Vermögen habe sie zu zwingen. Man
siehet ja, daß dreymahl mehr Heyden als Christen und vielleicht noch so
viel Mahometaner als Christen. Also kan man eben nicht sagen, wenn
ich die Leute zwingen kan, daß ich die wahre Religion habe. Gib mir
Geld, gib mir Dragouner, so will ich per praemia, par force Anhänger
bekommen, welche defendiren, man könne durch ein Bret sehen, welches

vier
X x 3

ſtatus circa religionem.
daſelbſt eine Theocratia, GOtt war bey ihnen, auf denſelben konten ſie
ſich verlaſſen, weil er potentiſſimus. Bey denen Juden war alſo leicht,
daß GOtt keinen eintzigen Irrthum litte, er hat ihnen viſibiliter gezeigt,
daß ſie die wahre Religion haͤtten, und war kein dubium de veritate.
Die Zehen Gebote hat er ihnen mit Donnern und Blitzen gegeben;
hergegen bey uns, wenn gleich einer de veritate verſichert iſt, ſo wird
doch noch immer disputirt. Wir haben in Teutſchland drey Religionen,
und die Reformirten ſagen, ſie haͤtten die wahre Religion, desgleichen
die Catholiquen und wir Lutheraner. Hoͤret man die Socinianer, ſo ſa-
gen dieſelben ebenfals alſo, und die andern alle waͤren bigots. Von andern
Schwermern nichts zu gedencken, welches iſt nun vera religio? En par-
ticulier
kan freylich mancher de vera religione uͤberzeuget ſeyn, deswe-
gen aber iſt nicht ein jeder ſeiner Meynung. Sagt man: Genug, wenn
der Fuͤrſt die wahre Religion erkenne? Reſp. wenn er ſie erkennet, ſo
iſts gut. Allein iſt er ein Papiſt, ſo kan er ſagen dieſes ſey die wahre
Religion und reliquas kan er exſtirpiren, wenn er auch gleich die wahre
Religion hat, ſo kan er doch nicht reliquas extirpiren; Er hat ja die
Force nicht, welche GOtt hat. Diejenigen, welche dergleichen Re-
dens-Arten ex republica Judaica herholen, wie die Pfaffen zu Blois ge-
than, da ſie denen Hugenotten keinen Frieden halten wolten, werden
hier nicht gehoͤret. Denn es iſt jetzo eine gantz andere Verfaſſung.
En general muß man als ein poſtulatum ſetzen; daß keine Republique ohne
Religion gefunden werde. Religio ſupponirt Deum. GOtt will daß
man ihm ſoll gehorchen. Wer eine Religion hat, muß davor halten:
Deo eſſe obediendum per revelationem. Die revelatio iſt duplex, una fit
per rationem altera per SS. ſcripturam.
Einige Nationes melden neben
der ration auch noch etwas von der Revelation. Alle Menſchen haben
eine Religion und halten dafuͤr, Deum aliquid revelare, wornach die
actiones zu dirigiren, ut ſit pax, tranquillitas. Auch die Tuͤrcken raiſoniren
ſo. Ratione modi und ratione eſſentiæ, in quo felicitas conſtituatur,
differir
en wir, welches uns aber hier nichts angehet. Wir haben nicht
mehr religionem illam Judaicam, da Deus viſibiliter imperans in conſe-
quenti diſputatur de veritate,
und wenn auch veritas gewiß, ſo entſtehet
doch die Frage: Oob ich das Vermoͤgen habe ſie zu zwingen. Man
ſiehet ja, daß dreymahl mehr Heyden als Chriſten und vielleicht noch ſo
viel Mahometaner als Chriſten. Alſo kan man eben nicht ſagen, wenn
ich die Leute zwingen kan, daß ich die wahre Religion habe. Gib mir
Geld, gib mir Dragouner, ſo will ich per præmia, par force Anhaͤnger
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[349/0369] ſtatus circa religionem. daſelbſt eine Theocratia, GOtt war bey ihnen, auf denſelben konten ſie ſich verlaſſen, weil er potentiſſimus. Bey denen Juden war alſo leicht, daß GOtt keinen eintzigen Irrthum litte, er hat ihnen viſibiliter gezeigt, daß ſie die wahre Religion haͤtten, und war kein dubium de veritate. Die Zehen Gebote hat er ihnen mit Donnern und Blitzen gegeben; hergegen bey uns, wenn gleich einer de veritate verſichert iſt, ſo wird doch noch immer disputirt. Wir haben in Teutſchland drey Religionen, und die Reformirten ſagen, ſie haͤtten die wahre Religion, desgleichen die Catholiquen und wir Lutheraner. Hoͤret man die Socinianer, ſo ſa- gen dieſelben ebenfals alſo, und die andern alle waͤren bigots. Von andern Schwermern nichts zu gedencken, welches iſt nun vera religio? En par- ticulier kan freylich mancher de vera religione uͤberzeuget ſeyn, deswe- gen aber iſt nicht ein jeder ſeiner Meynung. Sagt man: Genug, wenn der Fuͤrſt die wahre Religion erkenne? Reſp. wenn er ſie erkennet, ſo iſts gut. Allein iſt er ein Papiſt, ſo kan er ſagen dieſes ſey die wahre Religion und reliquas kan er exſtirpiren, wenn er auch gleich die wahre Religion hat, ſo kan er doch nicht reliquas extirpiren; Er hat ja die Force nicht, welche GOtt hat. Diejenigen, welche dergleichen Re- dens-Arten ex republica Judaica herholen, wie die Pfaffen zu Blois ge- than, da ſie denen Hugenotten keinen Frieden halten wolten, werden hier nicht gehoͤret. Denn es iſt jetzo eine gantz andere Verfaſſung. En general muß man als ein poſtulatum ſetzen; daß keine Republique ohne Religion gefunden werde. Religio ſupponirt Deum. GOtt will daß man ihm ſoll gehorchen. Wer eine Religion hat, muß davor halten: Deo eſſe obediendum per revelationem. Die revelatio iſt duplex, una fit per rationem altera per SS. ſcripturam. Einige Nationes melden neben der ration auch noch etwas von der Revelation. Alle Menſchen haben eine Religion und halten dafuͤr, Deum aliquid revelare, wornach die actiones zu dirigiren, ut ſit pax, tranquillitas. Auch die Tuͤrcken raiſoniren ſo. Ratione modi und ratione eſſentiæ, in quo felicitas conſtituatur, differiren wir, welches uns aber hier nichts angehet. Wir haben nicht mehr religionem illam Judaicam, da Deus viſibiliter imperans in conſe- quenti diſputatur de veritate, und wenn auch veritas gewiß, ſo entſtehet doch die Frage: Oob ich das Vermoͤgen habe ſie zu zwingen. Man ſiehet ja, daß dreymahl mehr Heyden als Chriſten und vielleicht noch ſo viel Mahometaner als Chriſten. Alſo kan man eben nicht ſagen, wenn ich die Leute zwingen kan, daß ich die wahre Religion habe. Gib mir Geld, gib mir Dragouner, ſo will ich per præmia, par force Anhaͤnger bekommen, welche defendiren, man koͤnne durch ein Bret ſehen, welches vier X x 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/369>, abgerufen am 27.11.2024.