Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.circa commercia & rem monetariam. mit in Rath nehmen, wenn sie auch gleich nur Ja-Herren sind. Ver-achtet man sie aber, so will niemand gern ein Handwercks-Mann wer- den, daß man aber die Handwercks-Leute in Teutschland nicht regardi- ret, kömmt daher: Vor diesem haben die Teutschen nicht viel Handwer- cker gehabt, und die Nothwendigste haben müssen die Knechte verrich- ten, wie bey denen Römern. Wenn man die Beschreibung des Clo- sters St. Gallen lieset, so findet man, daß daselbst ein kluger Abt gewe- sen, welcher seinen mancipiis lassen Handwercke lernen. Vor Knechten aber hat man keinen respect gehabt. In Städten haben die nobiles ge- sehen, daß dieselben anfangen, durch Handwercker zu floriren; Daher haben sie classes, Zünffte fundiret, ihnen gewisse leges gegeben, daß sie keinen unter sich dürffen leiden, der ein Bösewicht wäre. Hiedurch wollten sie solche Leute, welche sonst keine Redlichkeit hatten, reputirlich und erbar machen, sie blieben aber doch geringe Leute, und waren zinß- bar, schockbar. Hiervon kan man Nachricht finden beym Lehmanno in seiner Speyerischen Chronica. Weil man nun gesehen, was der Handwercks-Mann vor ein nützliches Thier, so hat man demselben an vielen Orten viele privilegia gegeben. Assumendi sunt exules, wie in Holland, da man alle Leute aufnimmt, welche nicht wegen einer Meu- terey fortgejaget werden. Wo ich einmahl gute manufacturen angelegt habe, da muß ich machen, daß dieselben continuiret werden, und die Leu- te promt arbeiten. Mancher ist künstlich, kan aber nichts rechtes arbei- ten, weil er nichts hat. Die Handwercks-Leute haben mehrentheils ei- ne grosse Familie. Gesetzt nun, es soll einer sechs Stück Tücher ma- chen, er hat kein Geld, soll er Geld aufnehmen, so sind entsetzliche usurae, da sagt Schrödter in seiner Fürstlichen Schatz- und Renth-Cammer: Oesterreich könne nicht aufkommen, denn 1) hätten die Pfaffen entsetz- liches Geld liegen, die paßten nur darauf, wenn ein fundus zu verkauf- fen, solchen wegzuschnappen. Und ob sie es gleich nicht thun dürffen, so erwarten sie doch eine gute Gelegenheit, den Kayser dahin zu disponi- ren; 2) Hätte der Adel entsetzliche Summen, welcher aber nicht woll- te sein Geld unter einen kleinen pro cent ausleihen, wie es in Holland ist. Er sagt, ich will eine banco machen, da der Herr etwa ein capital vorschiessen kan, und wenn der Handwercks-Mann was braucht, so kan man unter geringen usuris ihm Geld geben. So ists in Nürnberg, wo- selbst man ein Leih-Hauß hat, wenn einer nur will etliche Stücken Tü- cher machen, so kan er daselbst Geld bekommen, nachgehends wenn das Tuch fertig ist, muß er solches dahin lieffern, da wirds verkaufft, und etwas weniges abgezogen, und der profit ihm zurück gegeben, dadurch wird U u
circa commercia & rem monetariam. mit in Rath nehmen, wenn ſie auch gleich nur Ja-Herren ſind. Ver-achtet man ſie aber, ſo will niemand gern ein Handwercks-Mann wer- den, daß man aber die Handwercks-Leute in Teutſchland nicht regardi- ret, koͤmmt daher: Vor dieſem haben die Teutſchen nicht viel Handwer- cker gehabt, und die Nothwendigſte haben muͤſſen die Knechte verrich- ten, wie bey denen Roͤmern. Wenn man die Beſchreibung des Clo- ſters St. Gallen lieſet, ſo findet man, daß daſelbſt ein kluger Abt gewe- ſen, welcher ſeinen mancipiis laſſen Handwercke lernen. Vor Knechten aber hat man keinen reſpect gehabt. In Staͤdten haben die nobiles ge- ſehen, daß dieſelben anfangen, durch Handwercker zu floriren; Daher haben ſie claſſes, Zuͤnffte fundiret, ihnen gewiſſe leges gegeben, daß ſie keinen unter ſich duͤrffen leiden, der ein Boͤſewicht waͤre. Hiedurch wollten ſie ſolche Leute, welche ſonſt keine Redlichkeit hatten, reputirlich und erbar machen, ſie blieben aber doch geringe Leute, und waren zinß- bar, ſchockbar. Hiervon kan man Nachricht finden beym Lehmanno in ſeiner Speyeriſchen Chronica. Weil man nun geſehen, was der Handwercks-Mann vor ein nuͤtzliches Thier, ſo hat man demſelben an vielen Orten viele privilegia gegeben. Aſſumendi ſunt exules, wie in Holland, da man alle Leute aufnimmt, welche nicht wegen einer Meu- terey fortgejaget werden. Wo ich einmahl gute manufacturen angelegt habe, da muß ich machen, daß dieſelben continuiret werden, und die Leu- te promt arbeiten. Mancher iſt kuͤnſtlich, kan aber nichts rechtes arbei- ten, weil er nichts hat. Die Handwercks-Leute haben mehrentheils ei- ne groſſe Familie. Geſetzt nun, es ſoll einer ſechs Stuͤck Tuͤcher ma- chen, er hat kein Geld, ſoll er Geld aufnehmen, ſo ſind entſetzliche uſuræ, da ſagt Schrödter in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz- und Renth-Cammer: Oeſterreich koͤnne nicht aufkommen, denn 1) haͤtten die Pfaffen entſetz- liches Geld liegen, die paßten nur darauf, wenn ein fundus zu verkauf- fen, ſolchen wegzuſchnappen. Und ob ſie es gleich nicht thun duͤrffen, ſo erwarten ſie doch eine gute Gelegenheit, den Kayſer dahin zu diſponi- ren; 2) Haͤtte der Adel entſetzliche Summen, welcher aber nicht woll- te ſein Geld unter einen kleinen pro cent ausleihen, wie es in Holland iſt. Er ſagt, ich will eine banco machen, da der Herr etwa ein capital vorſchieſſen kan, und wenn der Handwercks-Mann was braucht, ſo kan man unter geringen uſuris ihm Geld geben. So iſts in Nuͤrnberg, wo- ſelbſt man ein Leih-Hauß hat, wenn einer nur will etliche Stuͤcken Tuͤ- cher machen, ſo kan er daſelbſt Geld bekommen, nachgehends wenn das Tuch fertig iſt, muß er ſolches dahin lieffern, da wirds verkaufft, und etwas weniges abgezogen, und der profit ihm zuruͤck gegeben, dadurch wird U u
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den, daß man aber die Handwercks-Leute in Teutſchland nicht regardi-
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cker gehabt, und die Nothwendigſte haben muͤſſen die Knechte verrich-
ten, wie bey denen Roͤmern. Wenn man die Beſchreibung des Clo-
ſters St. Gallen lieſet, ſo findet man, daß daſelbſt ein kluger Abt gewe-
ſen, welcher ſeinen mancipiis laſſen Handwercke lernen. Vor Knechten
aber hat man keinen reſpect gehabt. In Staͤdten haben die nobiles ge-
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haben ſie claſſes, Zuͤnffte fundiret, ihnen gewiſſe leges gegeben, daß ſie
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Handwercks-Mann vor ein nuͤtzliches Thier, ſo hat man demſelben an
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da ſagt Schrödter in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz- und Renth-Cammer:
Oeſterreich koͤnne nicht aufkommen, denn 1) haͤtten die Pfaffen entſetz-
liches Geld liegen, die paßten nur darauf, wenn ein fundus zu verkauf-
fen, ſolchen wegzuſchnappen. Und ob ſie es gleich nicht thun duͤrffen,
ſo erwarten ſie doch eine gute Gelegenheit, den Kayſer dahin zu diſponi-
ren; 2) Haͤtte der Adel entſetzliche Summen, welcher aber nicht woll-
te ſein Geld unter einen kleinen pro cent ausleihen, wie es in Holland
iſt. Er ſagt, ich will eine banco machen, da der Herr etwa ein capital
vorſchieſſen kan, und wenn der Handwercks-Mann was braucht, ſo kan
man unter geringen uſuris ihm Geld geben. So iſts in Nuͤrnberg, wo-
ſelbſt man ein Leih-Hauß hat, wenn einer nur will etliche Stuͤcken Tuͤ-
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Tuch fertig iſt, muß er ſolches dahin lieffern, da wirds verkaufft, und
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