Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia Die Menschen suchen necessaria, utilia, commoda, und wird derjenige,so etwas zu der commodite der Menschen erfindet, gewiß reussiren. Wenige sind, welche mit necessariis zufrieden, pauperes necessaria quae- runt, quaerunt ex necessitate, weil sie nichts mehr haben können. Ein Volck, welches laborem industriam, ingenium hat, gewinnet mehr als andere nationes. Ja, die Manufacturen, weil sie nicht so theuer sind, führen das commercium hinter sich, und ist das commercium fructuo- sissimum. Wo die Manufacturen, bekommt man entweder andere Waaren oder baar Geld. Diejenigen, so keine Manufacturen haben, wie die Spanier, sind verarmet. Savedra, ein Spanier, welcher Ge- sandter auf den Frieden zu Münster gewesen, sagt selbst in seinem Sym- bolis, es helffe denen Spaniern ihr Gold, Silber, Edelgesteine nichts, weil sie guten Theils von artefactis destituirt wären. In denen Lettres des Mazarini findet man, daß, als der Friede zu Chantillus geschlossen worden, und man die Mariam Theresiam vor dem König in Franckreich ausbedungen, so hat der Don Louis de Haro gesagt, der König in Franck- reich sollte sie wohl bekommen, aber nicht so bald als er sie verlangte, weil in Spanien nicht so viel artifices, daß alles könnte so bald verfer- tiget werden, was sie nöthig hätten. Wenn man in Madrit fragt, was vor artifices da sind, so sind es Wallonen, i. e. Niederländer, welche die meisten Sachen machen. Die Spanier arbeiten nicht gerne auf dem Felde, auch nicht gerne mit der Hand, sondern wollen immer raisonniren, sie sind faul, und ihre Faulheit verursachet, daß sie alles von andern Leuten müssen kauffen, deßwegen hilfft ihnen ihr Reich- thum nichts. Das kan man hieraus sehen. Es ist wohl kein Volck in Europa, welches nicht Hüte und Kleider braucht, sie müssen Wäsche haben, und die Spanier sonderlich, welche sich alle Tage weiß anziehen; das kostet ihnen viel Geld, welches sie aber alle aus fremder Hand müssen kaufen, und bleibt ihnen nichts übrig von al- len ihrem Gold und Silber; dieses ist eben die Ursache, warum man sagt, daß Holland und Engeland gerne sähen, wenn keine manufacturen in Spanien angelegt werden, und die Spanier in ihren alten praejudiciis bleiben, damit sie immer ihren profit haben können. Man hat obser- viret, daß, wenn die Spanier den Genie von Franckreich annähmen und selbst manufacturen anlegten, würde den Holländern und Enge- ländern grosser Tort geschehen. Der Don Philipp hatte es auch Wil- lens, brachte es aber mal a propos an, weil er dadurch effectuiret, daß die Holländer und Engeländer mehr das Successions-Recht vom Kayser poussirt, indem sie von denen Oesterreichern persuadirt, daß selbige nicht leicht
Cap. V. De prudentia Die Menſchen ſuchen neceſſaria, utilia, commoda, und wird derjenige,ſo etwas zu der commodité der Menſchen erfindet, gewiß reuſſiren. Wenige ſind, welche mit neceſſariis zufrieden, pauperes neceſſaria quæ- runt, quærunt ex neceſſitate, weil ſie nichts mehr haben koͤnnen. Ein Volck, welches laborem induſtriam, ingenium hat, gewinnet mehr als andere nationes. Ja, die Manufacturen, weil ſie nicht ſo theuer ſind, fuͤhren das commercium hinter ſich, und iſt das commercium fructuo- ſiſſimum. Wo die Manufacturen, bekommt man entweder andere Waaren oder baar Geld. Diejenigen, ſo keine Manufacturen haben, wie die Spanier, ſind verarmet. Savedra, ein Spanier, welcher Ge- ſandter auf den Frieden zu Muͤnſter geweſen, ſagt ſelbſt in ſeinem Sym- bolis, es helffe denen Spaniern ihr Gold, Silber, Edelgeſteine nichts, weil ſie guten Theils von artefactis deſtituirt waͤren. In denen Lettres des Mazarini findet man, daß, als der Friede zu Chantillus geſchloſſen worden, und man die Mariam Thereſiam vor dem Koͤnig in Franckreich ausbedungen, ſo hat der Don Louis de Haro geſagt, der Koͤnig in Franck- reich ſollte ſie wohl bekommen, aber nicht ſo bald als er ſie verlangte, weil in Spanien nicht ſo viel artifices, daß alles koͤnnte ſo bald verfer- tiget werden, was ſie noͤthig haͤtten. Wenn man in Madrit fragt, was vor artifices da ſind, ſo ſind es Wallonen, i. e. Niederlaͤnder, welche die meiſten Sachen machen. Die Spanier arbeiten nicht gerne auf dem Felde, auch nicht gerne mit der Hand, ſondern wollen immer raiſonniren, ſie ſind faul, und ihre Faulheit verurſachet, daß ſie alles von andern Leuten muͤſſen kauffen, deßwegen hilfft ihnen ihr Reich- thum nichts. Das kan man hieraus ſehen. Es iſt wohl kein Volck in Europa, welches nicht Huͤte und Kleider braucht, ſie muͤſſen Waͤſche haben, und die Spanier ſonderlich, welche ſich alle Tage weiß anziehen; das koſtet ihnen viel Geld, welches ſie aber alle aus fremder Hand muͤſſen kaufen, und bleibt ihnen nichts uͤbrig von al- len ihrem Gold und Silber; dieſes iſt eben die Urſache, warum man ſagt, daß Holland und Engeland gerne ſaͤhen, wenn keine manufacturen in Spanien angelegt werden, und die Spanier in ihren alten præjudiciis bleiben, damit ſie immer ihren profit haben koͤnnen. Man hat obſer- viret, daß, wenn die Spanier den Genie von Franckreich annaͤhmen und ſelbſt manufacturen anlegten, wuͤrde den Hollaͤndern und Enge- laͤndern groſſer Tort geſchehen. Der Don Philipp hatte es auch Wil- lens, brachte es aber mal à propos an, weil er dadurch effectuiret, daß die Hollaͤnder und Engelaͤnder mehr das Succeſſions-Recht vom Kayſer pouſſirt, indem ſie von denen Oeſterreichern perſuadirt, daß ſelbige nicht leicht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0352" n="332"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/> Die Menſchen ſuchen <hi rendition="#aq">neceſſaria, utilia, commoda,</hi> und wird derjenige,<lb/> ſo etwas zu der <hi rendition="#aq">commodité</hi> der Menſchen erfindet, gewiß <hi rendition="#aq">reuſſi</hi>ren.<lb/> Wenige ſind, welche mit <hi rendition="#aq">neceſſariis</hi> zufrieden, <hi rendition="#aq">pauperes neceſſaria quæ-<lb/> runt, quærunt ex neceſſitate,</hi> weil ſie nichts mehr haben koͤnnen. Ein<lb/> Volck, welches <hi rendition="#aq">laborem induſtriam, ingenium</hi> hat, gewinnet mehr als<lb/> andere <hi rendition="#aq">nationes.</hi> Ja, die <hi rendition="#aq">Manufactu</hi>ren, weil ſie nicht ſo theuer ſind,<lb/> fuͤhren das <hi rendition="#aq">commercium</hi> hinter ſich, und iſt das <hi rendition="#aq">commercium fructuo-<lb/> ſiſſimum.</hi> Wo die <hi rendition="#aq">Manufactu</hi>ren, bekommt man entweder andere<lb/> Waaren oder baar Geld. Diejenigen, ſo keine <hi rendition="#aq">Manufactu</hi>ren haben,<lb/> wie die Spanier, ſind verarmet. <hi rendition="#aq">Savedra,</hi> ein Spanier, welcher Ge-<lb/> ſandter auf den Frieden zu Muͤnſter geweſen, ſagt ſelbſt in ſeinem <hi rendition="#aq">Sym-<lb/> bolis,</hi> es helffe denen Spaniern ihr Gold, Silber, Edelgeſteine nichts,<lb/> weil ſie guten Theils von <hi rendition="#aq">artefactis deſtitui</hi>rt waͤren. In denen <hi rendition="#aq">Lettres</hi><lb/> des <hi rendition="#aq">Mazarini</hi> findet man, daß, als der Friede zu <hi rendition="#aq">Chantillus</hi> geſchloſſen<lb/> worden, und man die <hi rendition="#aq">Mariam Thereſiam</hi> vor dem Koͤnig in Franckreich<lb/> ausbedungen, ſo hat der <hi rendition="#aq">Don Louis de Haro</hi> geſagt, der Koͤnig in Franck-<lb/> reich ſollte ſie wohl bekommen, aber nicht ſo bald als er ſie verlangte,<lb/> weil in Spanien nicht ſo viel <hi rendition="#aq">artifices,</hi> daß alles koͤnnte ſo bald verfer-<lb/> tiget werden, was ſie noͤthig haͤtten. Wenn man in Madrit fragt,<lb/> was vor <hi rendition="#aq">artifices</hi> da ſind, ſo ſind es Wallonen, <hi rendition="#aq">i. e.</hi> Niederlaͤnder,<lb/> welche die meiſten Sachen machen. Die Spanier arbeiten nicht gerne<lb/> auf dem Felde, auch nicht gerne mit der Hand, ſondern wollen immer<lb/><hi rendition="#aq">raiſonni</hi>ren, ſie ſind faul, und ihre Faulheit verurſachet, daß ſie alles von<lb/> andern Leuten muͤſſen kauffen, deßwegen hilfft ihnen ihr Reich-<lb/> thum nichts. Das kan man hieraus ſehen. Es iſt wohl kein<lb/> Volck in Europa, welches nicht Huͤte und Kleider braucht, ſie<lb/> muͤſſen Waͤſche haben, und die Spanier ſonderlich, welche ſich alle<lb/> Tage weiß anziehen; das koſtet ihnen viel Geld, welches ſie aber alle<lb/> aus fremder Hand muͤſſen kaufen, und bleibt ihnen nichts uͤbrig von al-<lb/> len ihrem Gold und Silber; dieſes iſt eben die Urſache, warum man<lb/> ſagt, daß Holland und Engeland gerne ſaͤhen, wenn keine <hi rendition="#aq">manufactur</hi>en<lb/> in Spanien angelegt werden, und die Spanier in ihren alten <hi rendition="#aq">præjudiciis</hi><lb/> bleiben, damit ſie immer ihren <hi rendition="#aq">profit</hi> haben koͤnnen. Man hat <hi rendition="#aq">obſer-<lb/> vi</hi>ret, daß, wenn die Spanier den <hi rendition="#aq">Genie</hi> von Franckreich annaͤhmen<lb/> und ſelbſt <hi rendition="#aq">manufactur</hi>en anlegten, wuͤrde den Hollaͤndern und Enge-<lb/> laͤndern groſſer Tort geſchehen. Der <hi rendition="#aq">Don Philipp</hi> hatte es auch Wil-<lb/> lens, brachte es aber <hi rendition="#aq">mal à propos</hi> an, weil er dadurch <hi rendition="#aq">effectui</hi>ret, daß<lb/> die Hollaͤnder und Engelaͤnder mehr das <hi rendition="#aq">Succeſſions</hi>-Recht vom Kayſer<lb/><hi rendition="#aq">pouſſi</hi>rt, indem ſie von denen Oeſterreichern <hi rendition="#aq">perſuadi</hi>rt, daß ſelbige nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">leicht</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [332/0352]
Cap. V. De prudentia
Die Menſchen ſuchen neceſſaria, utilia, commoda, und wird derjenige,
ſo etwas zu der commodité der Menſchen erfindet, gewiß reuſſiren.
Wenige ſind, welche mit neceſſariis zufrieden, pauperes neceſſaria quæ-
runt, quærunt ex neceſſitate, weil ſie nichts mehr haben koͤnnen. Ein
Volck, welches laborem induſtriam, ingenium hat, gewinnet mehr als
andere nationes. Ja, die Manufacturen, weil ſie nicht ſo theuer ſind,
fuͤhren das commercium hinter ſich, und iſt das commercium fructuo-
ſiſſimum. Wo die Manufacturen, bekommt man entweder andere
Waaren oder baar Geld. Diejenigen, ſo keine Manufacturen haben,
wie die Spanier, ſind verarmet. Savedra, ein Spanier, welcher Ge-
ſandter auf den Frieden zu Muͤnſter geweſen, ſagt ſelbſt in ſeinem Sym-
bolis, es helffe denen Spaniern ihr Gold, Silber, Edelgeſteine nichts,
weil ſie guten Theils von artefactis deſtituirt waͤren. In denen Lettres
des Mazarini findet man, daß, als der Friede zu Chantillus geſchloſſen
worden, und man die Mariam Thereſiam vor dem Koͤnig in Franckreich
ausbedungen, ſo hat der Don Louis de Haro geſagt, der Koͤnig in Franck-
reich ſollte ſie wohl bekommen, aber nicht ſo bald als er ſie verlangte,
weil in Spanien nicht ſo viel artifices, daß alles koͤnnte ſo bald verfer-
tiget werden, was ſie noͤthig haͤtten. Wenn man in Madrit fragt,
was vor artifices da ſind, ſo ſind es Wallonen, i. e. Niederlaͤnder,
welche die meiſten Sachen machen. Die Spanier arbeiten nicht gerne
auf dem Felde, auch nicht gerne mit der Hand, ſondern wollen immer
raiſonniren, ſie ſind faul, und ihre Faulheit verurſachet, daß ſie alles von
andern Leuten muͤſſen kauffen, deßwegen hilfft ihnen ihr Reich-
thum nichts. Das kan man hieraus ſehen. Es iſt wohl kein
Volck in Europa, welches nicht Huͤte und Kleider braucht, ſie
muͤſſen Waͤſche haben, und die Spanier ſonderlich, welche ſich alle
Tage weiß anziehen; das koſtet ihnen viel Geld, welches ſie aber alle
aus fremder Hand muͤſſen kaufen, und bleibt ihnen nichts uͤbrig von al-
len ihrem Gold und Silber; dieſes iſt eben die Urſache, warum man
ſagt, daß Holland und Engeland gerne ſaͤhen, wenn keine manufacturen
in Spanien angelegt werden, und die Spanier in ihren alten præjudiciis
bleiben, damit ſie immer ihren profit haben koͤnnen. Man hat obſer-
viret, daß, wenn die Spanier den Genie von Franckreich annaͤhmen
und ſelbſt manufacturen anlegten, wuͤrde den Hollaͤndern und Enge-
laͤndern groſſer Tort geſchehen. Der Don Philipp hatte es auch Wil-
lens, brachte es aber mal à propos an, weil er dadurch effectuiret, daß
die Hollaͤnder und Engelaͤnder mehr das Succeſſions-Recht vom Kayſer
pouſſirt, indem ſie von denen Oeſterreichern perſuadirt, daß ſelbige nicht
leicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |