Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

Bild:
<< vorherige Seite

circa commercia & rem monetariam.
ein Loch, wo sie einen Vertreib haben können. Die Holländer haben
sonst nicht nach Moscau und nach der Levante gehandelt, jetzo aber han-
deln sie am stärcksten dahin, so daß sie andern grossen Schaden thun.
Die meisten Leute verstehen nicht, was ein rechter Handel ist. e. g.
Wenn man fragt, ob noch mehr Handels-Leute hier in Halle subsistiren
können, so meynen sie quod non, weil schon so viel. Allein es können
viel Kauffleute hier seyn, die zwar keinen Kram haben, und doch han-
deln. e. g. Ich wohne hier und habe einen Handel nach Pariß, nach
Prag. Dieses weiß ich daher: In Nürnberg sind drey bis vier hun-
dert Kauffleute, unter welchen wenige, so einen Kram haben, denn die-
jenigen hält man geringe, welche einen Kram haben. Hergegen diejeni-
gen werden aestimiret, welche mit versperreten Thüren handeln, wenn
man in ein solch Hauß kommt, so findet man nichts als etliche Rechen-
Bücher, aber wenn eine Messe ist, so gehet er nach Wien, Straßburg,
Saltzburg, Leipzig und handelt. Selten kommt es, daß ein Centner
Waaren nach Nürnberg kömmt, sondern alles dahin, wo er handelt,
diese Leute sind geehret, und da niemand unter denen gemeinen Leuten
darff einen Degen tragen, so ist es diesen erlaubt. An vielen Orten,
werden sie im Rath genommen, und bestehet der halbe Theil in Leipzig
aus Kauffleuten. In Leipzig findet man eben dergleichen Kauffleute,
und ist ausser der Messe fast kein negotium, als was Kramer seyn. Ein
solcher Kerl fragt auch nichts darnach, der Herr mag so viel imposten
auflegen, als er will, aber er muß wissen, daß er einen Vertreib hat.
VVitt hat ein sensibles Exempel beygebracht, was die multitudo homi-
num
thun könne, er sagt: Man wisse, was die Grönlands-Fahrer vor
einen profit machten. Vor diesem wäre nur ein eintziges Schiff hin-
gefahren, welches etwa drey oder vier Wallfische bekommen, das hätte
gleichsam das monopolium gehabt, und die Holländer hätten doch viel
profitirt, aber nachgehends wären mehr Schiffe hingegangen, da hätte
zwar nicht ein jedes Schiff drey bis vier Wallfische gebracht; Man
fänge aber nunmehro über funffzig, das also der profit viel grösser. Nicht
zu gedencken, wie viel tausend Leute sonst profitiren, da mehr Schiffe
hingebracht worden. VVitt sagt, er habe in denen alten Rechnungen
gesehen, das Holland aufs höchste zwölff hundert Schiffe gehabt, nun-
mehro aber haben sie hundert tausend Schiffe, das muß ja einen schreck-
lichen profit machen. Die Leute in Holland finden überall Nahrung, und
wenn man die Engeländer ausnimmt, so übertreffen sie alle andere na-
tiones
in der Schifffahrt. Es nehmen auch viele andere ihre Schiffe
von ihnen, als der Czaar, die Spanier; Die Frantzosen haben auch sonst

die
S s 2

circa commercia & rem monetariam.
ein Loch, wo ſie einen Vertreib haben koͤnnen. Die Hollaͤnder haben
ſonſt nicht nach Moſcau und nach der Levante gehandelt, jetzo aber han-
deln ſie am ſtaͤrckſten dahin, ſo daß ſie andern groſſen Schaden thun.
Die meiſten Leute verſtehen nicht, was ein rechter Handel iſt. e. g.
Wenn man fragt, ob noch mehr Handels-Leute hier in Halle ſubſiſtiren
koͤnnen, ſo meynen ſie quod non, weil ſchon ſo viel. Allein es koͤnnen
viel Kauffleute hier ſeyn, die zwar keinen Kram haben, und doch han-
deln. e. g. Ich wohne hier und habe einen Handel nach Pariß, nach
Prag. Dieſes weiß ich daher: In Nuͤrnberg ſind drey bis vier hun-
dert Kauffleute, unter welchen wenige, ſo einen Kram haben, denn die-
jenigen haͤlt man geringe, welche einen Kram haben. Hergegen diejeni-
gen werden æſtimiret, welche mit verſperreten Thuͤren handeln, wenn
man in ein ſolch Hauß kommt, ſo findet man nichts als etliche Rechen-
Buͤcher, aber wenn eine Meſſe iſt, ſo gehet er nach Wien, Straßburg,
Saltzburg, Leipzig und handelt. Selten kommt es, daß ein Centner
Waaren nach Nuͤrnberg koͤmmt, ſondern alles dahin, wo er handelt,
dieſe Leute ſind geehret, und da niemand unter denen gemeinen Leuten
darff einen Degen tragen, ſo iſt es dieſen erlaubt. An vielen Orten,
werden ſie im Rath genommen, und beſtehet der halbe Theil in Leipzig
aus Kauffleuten. In Leipzig findet man eben dergleichen Kauffleute,
und iſt auſſer der Meſſe faſt kein negotium, als was Kramer ſeyn. Ein
ſolcher Kerl fragt auch nichts darnach, der Herr mag ſo viel impoſten
auflegen, als er will, aber er muß wiſſen, daß er einen Vertreib hat.
VVitt hat ein ſenſibles Exempel beygebracht, was die multitudo homi-
num
thun koͤnne, er ſagt: Man wiſſe, was die Groͤnlands-Fahrer vor
einen profit machten. Vor dieſem waͤre nur ein eintziges Schiff hin-
gefahren, welches etwa drey oder vier Wallfiſche bekommen, das haͤtte
gleichſam das monopolium gehabt, und die Hollaͤnder haͤtten doch viel
profitirt, aber nachgehends waͤren mehr Schiffe hingegangen, da haͤtte
zwar nicht ein jedes Schiff drey bis vier Wallfiſche gebracht; Man
faͤnge aber nunmehro uͤber funffzig, das alſo der profit viel groͤſſer. Nicht
zu gedencken, wie viel tauſend Leute ſonſt profitiren, da mehr Schiffe
hingebracht worden. VVitt ſagt, er habe in denen alten Rechnungen
geſehen, das Holland aufs hoͤchſte zwoͤlff hundert Schiffe gehabt, nun-
mehro aber haben ſie hundert tauſend Schiffe, das muß ja einen ſchreck-
lichen profit machen. Die Leute in Holland finden uͤberall Nahrung, und
wenn man die Engelaͤnder ausnimmt, ſo uͤbertreffen ſie alle andere na-
tiones
in der Schifffahrt. Es nehmen auch viele andere ihre Schiffe
von ihnen, als der Czaar, die Spanier; Die Frantzoſen haben auch ſonſt

die
S s 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0343" n="323"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">circa commercia &amp; rem monetariam.</hi></fw><lb/>
ein Loch, wo &#x017F;ie einen Vertreib haben ko&#x0364;nnen. Die Holla&#x0364;nder haben<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t nicht nach Mo&#x017F;cau und nach der Levante gehandelt, jetzo aber han-<lb/>
deln &#x017F;ie am &#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;ten dahin, &#x017F;o daß &#x017F;ie andern gro&#x017F;&#x017F;en Schaden thun.<lb/>
Die mei&#x017F;ten Leute ver&#x017F;tehen nicht, was ein rechter Handel i&#x017F;t. <hi rendition="#aq">e. g.</hi><lb/>
Wenn man fragt, ob noch mehr Handels-Leute hier in Halle <hi rendition="#aq">&#x017F;ub&#x017F;i&#x017F;ti</hi>ren<lb/>
ko&#x0364;nnen, &#x017F;o meynen &#x017F;ie <hi rendition="#aq">quod non,</hi> weil &#x017F;chon &#x017F;o viel. Allein es ko&#x0364;nnen<lb/>
viel Kauffleute hier &#x017F;eyn, die zwar keinen Kram haben, und doch han-<lb/>
deln. <hi rendition="#aq">e. g.</hi> Ich wohne hier und habe einen Handel nach Pariß, nach<lb/>
Prag. Die&#x017F;es weiß ich daher: In Nu&#x0364;rnberg &#x017F;ind drey bis vier hun-<lb/>
dert Kauffleute, unter welchen wenige, &#x017F;o einen Kram haben, denn die-<lb/>
jenigen ha&#x0364;lt man geringe, welche einen Kram haben. Hergegen diejeni-<lb/>
gen werden <hi rendition="#aq">æ&#x017F;timi</hi>ret, welche mit ver&#x017F;perreten Thu&#x0364;ren handeln, wenn<lb/>
man in ein &#x017F;olch Hauß kommt, &#x017F;o findet man nichts als etliche Rechen-<lb/>
Bu&#x0364;cher, aber wenn eine Me&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t, &#x017F;o gehet er nach Wien, Straßburg,<lb/>
Saltzburg, Leipzig und handelt. Selten kommt es, daß ein Centner<lb/>
Waaren nach Nu&#x0364;rnberg ko&#x0364;mmt, &#x017F;ondern alles dahin, wo er handelt,<lb/>
die&#x017F;e Leute &#x017F;ind geehret, und da niemand unter denen gemeinen Leuten<lb/>
darff einen Degen tragen, &#x017F;o i&#x017F;t es die&#x017F;en erlaubt. An vielen Orten,<lb/>
werden &#x017F;ie im Rath genommen, und be&#x017F;tehet der halbe Theil in Leipzig<lb/>
aus Kauffleuten. In Leipzig findet man eben dergleichen Kauffleute,<lb/>
und i&#x017F;t au&#x017F;&#x017F;er der Me&#x017F;&#x017F;e fa&#x017F;t kein <hi rendition="#aq">negotium,</hi> als was Kramer &#x017F;eyn. Ein<lb/>
&#x017F;olcher Kerl fragt auch nichts darnach, der Herr mag &#x017F;o viel <hi rendition="#aq">impo&#x017F;t</hi>en<lb/>
auflegen, als er will, aber er muß wi&#x017F;&#x017F;en, daß er einen Vertreib hat.<lb/><hi rendition="#aq">VVitt</hi> hat ein <hi rendition="#aq">&#x017F;en&#x017F;ibles</hi> Exempel beygebracht, was die <hi rendition="#aq">multitudo homi-<lb/>
num</hi> thun ko&#x0364;nne, er &#x017F;agt: Man wi&#x017F;&#x017F;e, was die Gro&#x0364;nlands-Fahrer vor<lb/>
einen <hi rendition="#aq">profit</hi> machten. Vor die&#x017F;em wa&#x0364;re nur ein eintziges Schiff hin-<lb/>
gefahren, welches etwa drey oder vier Wallfi&#x017F;che bekommen, das ha&#x0364;tte<lb/>
gleich&#x017F;am das <hi rendition="#aq">monopolium</hi> gehabt, und die Holla&#x0364;nder ha&#x0364;tten doch viel<lb/><hi rendition="#aq">profiti</hi>rt, aber nachgehends wa&#x0364;ren mehr Schiffe hingegangen, da ha&#x0364;tte<lb/>
zwar nicht ein jedes Schiff drey bis vier Wallfi&#x017F;che gebracht; Man<lb/>
fa&#x0364;nge aber nunmehro u&#x0364;ber funffzig, das al&#x017F;o der <hi rendition="#aq">profit</hi> viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er. Nicht<lb/>
zu gedencken, wie viel tau&#x017F;end Leute &#x017F;on&#x017F;t <hi rendition="#aq">profiti</hi>ren, da mehr Schiffe<lb/>
hingebracht worden. <hi rendition="#aq">VVitt</hi> &#x017F;agt, er habe in denen alten Rechnungen<lb/>
ge&#x017F;ehen, das Holland aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te zwo&#x0364;lff hundert Schiffe gehabt, nun-<lb/>
mehro aber haben &#x017F;ie hundert tau&#x017F;end Schiffe, das muß ja einen &#x017F;chreck-<lb/>
lichen <hi rendition="#aq">profit</hi> machen. Die Leute in Holland finden u&#x0364;berall Nahrung, und<lb/>
wenn man die Engela&#x0364;nder ausnimmt, &#x017F;o u&#x0364;bertreffen &#x017F;ie alle andere <hi rendition="#aq">na-<lb/>
tiones</hi> in der Schifffahrt. Es nehmen auch viele andere ihre Schiffe<lb/>
von ihnen, als der Czaar, die Spanier; Die Frantzo&#x017F;en haben auch &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s 2</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0343] circa commercia & rem monetariam. ein Loch, wo ſie einen Vertreib haben koͤnnen. Die Hollaͤnder haben ſonſt nicht nach Moſcau und nach der Levante gehandelt, jetzo aber han- deln ſie am ſtaͤrckſten dahin, ſo daß ſie andern groſſen Schaden thun. Die meiſten Leute verſtehen nicht, was ein rechter Handel iſt. e. g. Wenn man fragt, ob noch mehr Handels-Leute hier in Halle ſubſiſtiren koͤnnen, ſo meynen ſie quod non, weil ſchon ſo viel. Allein es koͤnnen viel Kauffleute hier ſeyn, die zwar keinen Kram haben, und doch han- deln. e. g. Ich wohne hier und habe einen Handel nach Pariß, nach Prag. Dieſes weiß ich daher: In Nuͤrnberg ſind drey bis vier hun- dert Kauffleute, unter welchen wenige, ſo einen Kram haben, denn die- jenigen haͤlt man geringe, welche einen Kram haben. Hergegen diejeni- gen werden æſtimiret, welche mit verſperreten Thuͤren handeln, wenn man in ein ſolch Hauß kommt, ſo findet man nichts als etliche Rechen- Buͤcher, aber wenn eine Meſſe iſt, ſo gehet er nach Wien, Straßburg, Saltzburg, Leipzig und handelt. Selten kommt es, daß ein Centner Waaren nach Nuͤrnberg koͤmmt, ſondern alles dahin, wo er handelt, dieſe Leute ſind geehret, und da niemand unter denen gemeinen Leuten darff einen Degen tragen, ſo iſt es dieſen erlaubt. An vielen Orten, werden ſie im Rath genommen, und beſtehet der halbe Theil in Leipzig aus Kauffleuten. In Leipzig findet man eben dergleichen Kauffleute, und iſt auſſer der Meſſe faſt kein negotium, als was Kramer ſeyn. Ein ſolcher Kerl fragt auch nichts darnach, der Herr mag ſo viel impoſten auflegen, als er will, aber er muß wiſſen, daß er einen Vertreib hat. VVitt hat ein ſenſibles Exempel beygebracht, was die multitudo homi- num thun koͤnne, er ſagt: Man wiſſe, was die Groͤnlands-Fahrer vor einen profit machten. Vor dieſem waͤre nur ein eintziges Schiff hin- gefahren, welches etwa drey oder vier Wallfiſche bekommen, das haͤtte gleichſam das monopolium gehabt, und die Hollaͤnder haͤtten doch viel profitirt, aber nachgehends waͤren mehr Schiffe hingegangen, da haͤtte zwar nicht ein jedes Schiff drey bis vier Wallfiſche gebracht; Man faͤnge aber nunmehro uͤber funffzig, das alſo der profit viel groͤſſer. Nicht zu gedencken, wie viel tauſend Leute ſonſt profitiren, da mehr Schiffe hingebracht worden. VVitt ſagt, er habe in denen alten Rechnungen geſehen, das Holland aufs hoͤchſte zwoͤlff hundert Schiffe gehabt, nun- mehro aber haben ſie hundert tauſend Schiffe, das muß ja einen ſchreck- lichen profit machen. Die Leute in Holland finden uͤberall Nahrung, und wenn man die Engelaͤnder ausnimmt, ſo uͤbertreffen ſie alle andere na- tiones in der Schifffahrt. Es nehmen auch viele andere ihre Schiffe von ihnen, als der Czaar, die Spanier; Die Frantzoſen haben auch ſonſt die S s 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/343
Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/343>, abgerufen am 24.11.2024.