Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.PROLEGOMENA. sen, ** und sagt: die Ameisen laborant in unum; sie haben com-munionem; keine nimmt mehr, als sie gebrauchet. Die Bienen sind eben so geartet. Die Ameisen haben keine affecten; es ist kei- ne ambitio; keine avaritia; keine voluptas; kein dominium da. Hergegen wenn wir Menschen wollten in communione leben, da ist einer ein Wäscher, der andere ein Faullentzer, der dritte frißt drey mahl so viel, als die andern; also gehet es bey uns nicht an. Wir sind neidisch; wir wollen raisoniren; wir wollen regieren. Diese artige observation des Aristotelis habe ich auch gebrauchet, da ich vor diesen über den Hobbesium de Cive gelesen. Puffen- dorff hat ebenfalls die comparaison admiriret. Es ist nicht gnug, daß man mercke, es gehöre hieher die Kunst zu regieren, son- dern es wird sapientia, prudentia (welche Wörter hier popula- riter promiscue genommen werden, sonst aber unterschieden sind,) erfordert. Also muß man auch wissen, was sapientia sey. Denn GOtt handelt nicht per miracula, das sind exceptiones: nach denen exceptionibus muß man nicht sein Leben einrichten, sonst ar- gumentiret man a particulari ad universale. Estrarissimum, quod multi non credunt! Viele Leute glauben keine miracula, wiewohl ich das Gegentheil in der Politic gewiesen. Unterdessen ist doch gewiß, daß GOtt miracula nur thut ex specialissima ra- tione. GOtt hat ja eine Ordnung gemacht, darnach man leben soll. Prudentiam muß man als ein donum divinum ansehen, daher saget Conringius in seiner Prudentia civili: Prudentia est radius aeternae providentiae, ein Strahl ewiger Weißheit, daraus man GOttes Weisheit erkennet, vid. Mons. le Clerc sur le bonheur & malheur dans les lotteries. Wenn man auch den Salomon lieset, so findet man, daß er nicht gebethen um Glück, sondern um Weisheit. GOtt hat freylich nicht gesagt: ihr sollt auf eure Vernunfft bauen, und mich aus den Augen setzen; sondern weil ** Seneca hat eben die Frage, er hat aber nicht so gut darüber reflectiret, als A- ristoteles: denn Aristoteles war ein penetranter Mann. Hertius und Con- ringius allegiren ihn auf allen Blättern. Er hatte Erfahrung, weil er an Alexandri Magni Hofe war. In Griechenland waren vielerley Republiquen, so er alle kennen lernen. B
PROLEGOMENA. ſen, ** und ſagt: die Ameiſen laborant in unum; ſie haben com-munionem; keine nimmt mehr, als ſie gebrauchet. Die Bienen ſind eben ſo geartet. Die Ameiſen haben keine affecten; es iſt kei- ne ambitio; keine avaritia; keine voluptas; kein dominium da. Hergegen wenn wir Menſchen wollten in communione leben, da iſt einer ein Waͤſcher, der andere ein Faullentzer, der dritte frißt drey mahl ſo viel, als die andern; alſo gehet es bey uns nicht an. Wir ſind neidiſch; wir wollen raiſoniren; wir wollen regieren. Dieſe artige obſervation des Ariſtotelis habe ich auch gebrauchet, da ich vor dieſen uͤber den Hobbeſium de Cive geleſen. Puffen- dorff hat ebenfalls die comparaiſon admiriret. Es iſt nicht gnug, daß man mercke, es gehoͤre hieher die Kunſt zu regieren, ſon- dern es wird ſapientia, prudentia (welche Woͤrter hier popula- riter promiſcue genommen werden, ſonſt aber unterſchieden ſind,) erfordert. Alſo muß man auch wiſſen, was ſapientia ſey. Denn GOtt handelt nicht per miracula, das ſind exceptiones: nach denen exceptionibus muß man nicht ſein Leben einrichten, ſonſt ar- gumentiret man a particulari ad univerſale. Eſtrariſſimum, quod multi non credunt! Viele Leute glauben keine miracula, wiewohl ich das Gegentheil in der Politic gewieſen. Unterdeſſen iſt doch gewiß, daß GOtt miracula nur thut ex ſpecialiſſima ra- tione. GOtt hat ja eine Ordnung gemacht, darnach man leben ſoll. Prudentiam muß man als ein donum divinum anſehen, daher ſaget Conringius in ſeiner Prudentia civili: Prudentia eſt radius æternæ providentiæ, ein Strahl ewiger Weißheit, daraus man GOttes Weisheit erkennet, vid. Monſ. le Clerc ſur le bonheur & malheur dans les lotteries. Wenn man auch den Salomon lieſet, ſo findet man, daß er nicht gebethen um Gluͤck, ſondern um Weisheit. GOtt hat freylich nicht geſagt: ihr ſollt auf eure Vernunfft bauen, und mich aus den Augen ſetzen; ſondern weil ** Seneca hat eben die Frage, er hat aber nicht ſo gut daruͤber reflectiret, als A- riſtoteles: denn Ariſtoteles war ein penetranter Mann. Hertius und Con- ringius allegiren ihn auf allen Blaͤttern. Er hatte Erfahrung, weil er an Alexandri Magni Hofe war. In Griechenland waren vielerley Republiquen, ſo er alle kennen lernen. B
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PROLEGOMENA.
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munionem; keine nimmt mehr, als ſie gebrauchet. Die Bienen
ſind eben ſo geartet. Die Ameiſen haben keine affecten; es iſt kei-
ne ambitio; keine avaritia; keine voluptas; kein dominium da.
Hergegen wenn wir Menſchen wollten in communione leben, da
iſt einer ein Waͤſcher, der andere ein Faullentzer, der dritte frißt drey
mahl ſo viel, als die andern; alſo gehet es bey uns nicht an. Wir
ſind neidiſch; wir wollen raiſoniren; wir wollen regieren. Dieſe
artige obſervation des Ariſtotelis habe ich auch gebrauchet, da
ich vor dieſen uͤber den Hobbeſium de Cive geleſen. Puffen-
dorff hat ebenfalls die comparaiſon admiriret. Es iſt nicht
gnug, daß man mercke, es gehoͤre hieher die Kunſt zu regieren, ſon-
dern es wird ſapientia, prudentia (welche Woͤrter hier popula-
riter promiſcue genommen werden, ſonſt aber unterſchieden ſind,)
erfordert. Alſo muß man auch wiſſen, was ſapientia ſey. Denn
GOtt handelt nicht per miracula, das ſind exceptiones: nach
denen exceptionibus muß man nicht ſein Leben einrichten, ſonſt ar-
gumentiret man a particulari ad univerſale. Eſtrariſſimum,
quod multi non credunt! Viele Leute glauben keine miracula,
wiewohl ich das Gegentheil in der Politic gewieſen. Unterdeſſen
iſt doch gewiß, daß GOtt miracula nur thut ex ſpecialiſſima ra-
tione. GOtt hat ja eine Ordnung gemacht, darnach man leben
ſoll. Prudentiam muß man als ein donum divinum anſehen,
daher ſaget Conringius in ſeiner Prudentia civili: Prudentia
eſt radius æternæ providentiæ, ein Strahl ewiger Weißheit,
daraus man GOttes Weisheit erkennet, vid. Monſ. le Clerc ſur
le bonheur & malheur dans les lotteries. Wenn man auch
den Salomon lieſet, ſo findet man, daß er nicht gebethen um Gluͤck,
ſondern um Weisheit. GOtt hat freylich nicht geſagt: ihr ſollt
auf eure Vernunfft bauen, und mich aus den Augen ſetzen; ſondern
weil
** Seneca hat eben die Frage, er hat aber nicht ſo gut daruͤber reflectiret, als A-
riſtoteles: denn Ariſtoteles war ein penetranter Mann. Hertius und Con-
ringius allegiren ihn auf allen Blaͤttern. Er hatte Erfahrung, weil er an
Alexandri Magni Hofe war. In Griechenland waren vielerley Republiquen,
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