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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa Ministros & Magistratus inferiores.
stund bey der Elisabeth in grossen Ansehen, denn es war ein bel Esprit,
seine memoires, die er Englisch geschrieben, so man auch ins Frantzösi-
sche übersetzet, sind wohl zu gebrauchen. Die Elisabeth hat ihn viel-
fältig in ihr Zimmer kommen lassen, und mit ihm discouriret, weil sie
nun gesehen, daß es ein gescheuter Kerl, so hat sie gesagt, sie wisse, daß
sie viel Fehler an sich habe, und nicht allezeit das erwehle, was recht,
er sollte ihr Hof-Meister seyn, und sie corrigiren, was sie nicht recht
thäte, welches sie, als eine grosse Wohlthat ansehen wollte. Aber Mel-
ville
sagte, er bedancke sich davor, und wollte die charge nicht anneh-
men, ob es gleich eine grosse charge. Sie würde auch alles wohl pene-
tri
ret haben, was er gesagt hätte, denn sie war gelehrt, verstund auch
die artes regnandi. Aber sie hatte viel Eitelkeit an sich; wenn sie einer
touchiret hatte, und etwas von ihr geredet, so hat sie denselben verfolget,
welches man daraus sehen kan: Als einsmahls ein Frantzoß von extra-
ction
mit einem Ambassadeur hinüber kommen, und derselbige was prae-
judici
rliches von ihr gesprochen, so hat sie sich gleich erkundiget, was er
gewesen, und hat der Frantzoß nicht allein fort gemust, sondern auch der
Ambassadeur, und hat der König in Franckreich einen andern schicken
müssen, daß der Melville solches abgeschlagen, ist er nicht zu verdencken.
Ich weiß, daß ein grosser Herr einen befohlen hat, seinen Hof und seine
Fehler selbst zu beschreiben, und wie er es gethan, hat er hernach müssen
unter des Henckers Hand sterben. Luther hat eine artige passage in
seinen Tisch-Reden, der sagt: die Juristen wollten immer sacerdotes
justitiae
seyn, also sollten sie sich auch so aufführen, und wie ein Predi-
ger kein Blat vors Maul nähme/ sollten sie es auch thun. Daher,
wenn der Herr was unrechtes thäte, sollten sie sagen: hoc est peccatum,
vestra celsitudo hoc omittat,
wollte der Herr nicht ablassen, sollten sie
abdancken. Ja, wenn wir legionen Engel bey uns hätten, daß wir uns
helffen könnten, so wäre es gantz gut, aber vor die Juristen ist es nicht.
Es findet sich nicht, daß Juristen solche courage haben, wie Luther.
Bisweilen wäre es gut, wenn es geschähe, aber es ist schlimm, daß,
wenn man saget, man wolle abdancken, so wird man ins Gefängniß
gesetzet. Was kluge Fürsten sind, die sehen, daß man sie nur flattire
nach ihren passionibus, und daß sie das Zehnde nicht erfahren. Nie-
mand weiß weniger die Wahrheit als grosse Herren. Daher fallen
diejenigen, so von Natur gescheuet sind auf andere Dinge, sie nehmen
sich bouffons an: denn die bouffons sind nicht eben zum plaissir, das
kommt accidentaliter; Manche Herren, die immer in otio leben, suchen
sich freylich durch solche die Zeit zu vertreiben, aber kluge Herren haben

sie
I i

ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores.
ſtund bey der Eliſabeth in groſſen Anſehen, denn es war ein bel Eſprit,
ſeine memoires, die er Engliſch geſchrieben, ſo man auch ins Frantzoͤſi-
ſche uͤberſetzet, ſind wohl zu gebrauchen. Die Eliſabeth hat ihn viel-
faͤltig in ihr Zimmer kommen laſſen, und mit ihm diſcouriret, weil ſie
nun geſehen, daß es ein geſcheuter Kerl, ſo hat ſie geſagt, ſie wiſſe, daß
ſie viel Fehler an ſich habe, und nicht allezeit das erwehle, was recht,
er ſollte ihr Hof-Meiſter ſeyn, und ſie corrigiren, was ſie nicht recht
thaͤte, welches ſie, als eine groſſe Wohlthat anſehen wollte. Aber Mel-
ville
ſagte, er bedancke ſich davor, und wollte die charge nicht anneh-
men, ob es gleich eine groſſe charge. Sie wuͤrde auch alles wohl pene-
tri
ret haben, was er geſagt haͤtte, denn ſie war gelehrt, verſtund auch
die artes regnandi. Aber ſie hatte viel Eitelkeit an ſich; wenn ſie einer
touchiret hatte, und etwas von ihr geredet, ſo hat ſie denſelben verfolget,
welches man daraus ſehen kan: Als einsmahls ein Frantzoß von extra-
ction
mit einem Ambaſſadeur hinuͤber kommen, und derſelbige was præ-
judici
rliches von ihr geſprochen, ſo hat ſie ſich gleich erkundiget, was er
geweſen, und hat der Frantzoß nicht allein fort gemuſt, ſondern auch der
Ambaſſadeur, und hat der Koͤnig in Franckreich einen andern ſchicken
muͤſſen, daß der Melville ſolches abgeſchlagen, iſt er nicht zu verdencken.
Ich weiß, daß ein groſſer Herr einen befohlen hat, ſeinen Hof und ſeine
Fehler ſelbſt zu beſchreiben, und wie er es gethan, hat er hernach muͤſſen
unter des Henckers Hand ſterben. Luther hat eine artige paſſage in
ſeinen Tiſch-Reden, der ſagt: die Juriſten wollten immer ſacerdotes
juſtitiæ
ſeyn, alſo ſollten ſie ſich auch ſo auffuͤhren, und wie ein Predi-
ger kein Blat vors Maul naͤhme/ ſollten ſie es auch thun. Daher,
wenn der Herr was unrechtes thaͤte, ſollten ſie ſagen: hoc eſt peccatum,
veſtra celſitudo hoc omittat,
wollte der Herr nicht ablaſſen, ſollten ſie
abdancken. Ja, wenn wir legionen Engel bey uns haͤtten, daß wir uns
helffen koͤnnten, ſo waͤre es gantz gut, aber vor die Juriſten iſt es nicht.
Es findet ſich nicht, daß Juriſten ſolche courage haben, wie Luther.
Bisweilen waͤre es gut, wenn es geſchaͤhe, aber es iſt ſchlimm, daß,
wenn man ſaget, man wolle abdancken, ſo wird man ins Gefaͤngniß
geſetzet. Was kluge Fuͤrſten ſind, die ſehen, daß man ſie nur flattire
nach ihren paſſionibus, und daß ſie das Zehnde nicht erfahren. Nie-
mand weiß weniger die Wahrheit als groſſe Herren. Daher fallen
diejenigen, ſo von Natur geſcheuet ſind auf andere Dinge, ſie nehmen
ſich bouffons an: denn die bouffons ſind nicht eben zum plaiſſir, das
kommt accidentaliter; Manche Herren, die immer in otio leben, ſuchen
ſich freylich durch ſolche die Zeit zu vertreiben, aber kluge Herren haben

ſie
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[249/0269] ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores. ſtund bey der Eliſabeth in groſſen Anſehen, denn es war ein bel Eſprit, ſeine memoires, die er Engliſch geſchrieben, ſo man auch ins Frantzoͤſi- ſche uͤberſetzet, ſind wohl zu gebrauchen. Die Eliſabeth hat ihn viel- faͤltig in ihr Zimmer kommen laſſen, und mit ihm diſcouriret, weil ſie nun geſehen, daß es ein geſcheuter Kerl, ſo hat ſie geſagt, ſie wiſſe, daß ſie viel Fehler an ſich habe, und nicht allezeit das erwehle, was recht, er ſollte ihr Hof-Meiſter ſeyn, und ſie corrigiren, was ſie nicht recht thaͤte, welches ſie, als eine groſſe Wohlthat anſehen wollte. Aber Mel- ville ſagte, er bedancke ſich davor, und wollte die charge nicht anneh- men, ob es gleich eine groſſe charge. Sie wuͤrde auch alles wohl pene- triret haben, was er geſagt haͤtte, denn ſie war gelehrt, verſtund auch die artes regnandi. Aber ſie hatte viel Eitelkeit an ſich; wenn ſie einer touchiret hatte, und etwas von ihr geredet, ſo hat ſie denſelben verfolget, welches man daraus ſehen kan: Als einsmahls ein Frantzoß von extra- ction mit einem Ambaſſadeur hinuͤber kommen, und derſelbige was præ- judicirliches von ihr geſprochen, ſo hat ſie ſich gleich erkundiget, was er geweſen, und hat der Frantzoß nicht allein fort gemuſt, ſondern auch der Ambaſſadeur, und hat der Koͤnig in Franckreich einen andern ſchicken muͤſſen, daß der Melville ſolches abgeſchlagen, iſt er nicht zu verdencken. Ich weiß, daß ein groſſer Herr einen befohlen hat, ſeinen Hof und ſeine Fehler ſelbſt zu beſchreiben, und wie er es gethan, hat er hernach muͤſſen unter des Henckers Hand ſterben. Luther hat eine artige paſſage in ſeinen Tiſch-Reden, der ſagt: die Juriſten wollten immer ſacerdotes juſtitiæ ſeyn, alſo ſollten ſie ſich auch ſo auffuͤhren, und wie ein Predi- ger kein Blat vors Maul naͤhme/ ſollten ſie es auch thun. Daher, wenn der Herr was unrechtes thaͤte, ſollten ſie ſagen: hoc eſt peccatum, veſtra celſitudo hoc omittat, wollte der Herr nicht ablaſſen, ſollten ſie abdancken. Ja, wenn wir legionen Engel bey uns haͤtten, daß wir uns helffen koͤnnten, ſo waͤre es gantz gut, aber vor die Juriſten iſt es nicht. Es findet ſich nicht, daß Juriſten ſolche courage haben, wie Luther. Bisweilen waͤre es gut, wenn es geſchaͤhe, aber es iſt ſchlimm, daß, wenn man ſaget, man wolle abdancken, ſo wird man ins Gefaͤngniß geſetzet. Was kluge Fuͤrſten ſind, die ſehen, daß man ſie nur flattire nach ihren paſſionibus, und daß ſie das Zehnde nicht erfahren. Nie- mand weiß weniger die Wahrheit als groſſe Herren. Daher fallen diejenigen, ſo von Natur geſcheuet ſind auf andere Dinge, ſie nehmen ſich bouffons an: denn die bouffons ſind nicht eben zum plaiſſir, das kommt accidentaliter; Manche Herren, die immer in otio leben, ſuchen ſich freylich durch ſolche die Zeit zu vertreiben, aber kluge Herren haben ſie I i

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/269>, abgerufen am 24.11.2024.