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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
sehr betriegen. Io. Evelyn, ein Engeländer, hat ein Buch geschrieben
de Physiognomia, davon ein extract in Actibus Eruditionis zu finden, in
diesen erzehlet er auch von Jacobo I. daß er den Hertzog von Sommerset
und Comte Bembrock hat erhoben, weil sie wohl ausgesehen. Je hüb-
scher die Leute offt aussehen, je weniger können sie gebraucht werden:
denn solche Leute haben mehrentheils aliquid voluptatis, und wenn gleich
was anders dabey ist, so ist es doch nicht sufficient. Pabst Sixtus V.
wollte lauter schwartze Leute in seinen Diensten haben, da er aber manch-
mahl auch einen guten Spitzbuben mit drunter bekommen.

Noch mehr
aber auf die
Neigung und
Temperament.

§. 10. 11. Diejenigen sind auf einem bessern Weg, welche mey-
nen, ein Herr müsse sich dahin befleißigen, daß er zusehe, was vor ein
temperament ein Kerl habe: denn ein temperamentum ist aptius ad hoc;
ein anders aptius ad illud. Hieraus kan man erkennen, daß die doctri-
na de temperamentis
nicht zu verachten, wenn sie nur recht vorgetragen
wird. Unser Autor hat sich auch Mühe gegeben, zu zeigen, welche tem-
peramenta
zu diesem oder jenem am geschicktesten seyn. Ehe man aber
dieses recht verstehen kan, müssen vorher einige generalia bemercket wer-
den. Von denen temperamentis wird sonsten in der Moral, Physic und
Medicin gehandelt. Einmahl ist gewiß, daß corpora nostra eine diver-
sam temperaturam
und mixturam haben. Es ist nicht ein Cörper wie
der andere, sondern alle differiren, welches die alten temperamenta ge-
nennet. Darinnen sind die Alten aber von den Neuern unterschieden,
daß sie gemeynet, die differenz bestünde in calido, sicco, frigido und hu-
mido.
Wenn man wissen will, was die Alten hievon statuiret, so kan
man des Professor Speners in Wittenberg Dissertatio de temperamentis
lesen, welche er hier unter dem Herrn Doctor Buddeo gehalten. Es
hat dieselbe sein Vater der alte Spener gemacht, und ist überaus wohl
elaboriret. Ich habe nicht leicht etwas gelesen, da alles mit so vielem
Fleiß und accuratesse zusammen getragen, als in dieser Dissertation.
Kein einiger ist gewesen, der nicht gemeynet, dari diversam temperatu-
ram.
Die meisten haben aber heut zu Tage die alten Dinge fahren
lassen, und auf das Geblüth gesehen. Sie sagen: Das wären nimis
generalia,
wenn man auf das humidum, frigidum &c. sähe, man müste
specialiter gehen, und supponiren also das Geblüthe. Das Geblüthe
ist die quint-essenz von allen, was sich bey den Menschen findet; alle
Säffte, spiritus vitales, alle Knochen kommen von dem Geblüthe. Daß
die Knochen von dem Geblüthe kommen, kan man daher sehen, appo-
nitur semper nobis aliquid,
wir werden ja nicht so groß gebohren, und
dieses kommt eben von dem Geblüthe. Das Geblüth aber bestehet ex

variis

Cap. V. De prudentia
ſehr betriegen. Io. Evelyn, ein Engelaͤnder, hat ein Buch geſchrieben
de Phyſiognomia, davon ein extract in Actibus Eruditionis zu finden, in
dieſen erzehlet er auch von Jacobo I. daß er den Hertzog von Sommerſet
und Comte Bembrock hat erhoben, weil ſie wohl ausgeſehen. Je huͤb-
ſcher die Leute offt ausſehen, je weniger koͤnnen ſie gebraucht werden:
denn ſolche Leute haben mehrentheils aliquid voluptatis, und wenn gleich
was anders dabey iſt, ſo iſt es doch nicht ſufficient. Pabſt Sixtus V.
wollte lauter ſchwartze Leute in ſeinen Dienſten haben, da er aber manch-
mahl auch einen guten Spitzbuben mit drunter bekommen.

Noch mehr
aber auf die
Neigung und
Temperament.

§. 10. 11. Diejenigen ſind auf einem beſſern Weg, welche mey-
nen, ein Herr muͤſſe ſich dahin befleißigen, daß er zuſehe, was vor ein
temperament ein Kerl habe: denn ein temperamentum iſt aptius ad hoc;
ein anders aptius ad illud. Hieraus kan man erkennen, daß die doctri-
na de temperamentis
nicht zu verachten, wenn ſie nur recht vorgetragen
wird. Unſer Autor hat ſich auch Muͤhe gegeben, zu zeigen, welche tem-
peramenta
zu dieſem oder jenem am geſchickteſten ſeyn. Ehe man aber
dieſes recht verſtehen kan, muͤſſen vorher einige generalia bemercket wer-
den. Von denen temperamentis wird ſonſten in der Moral, Phyſic und
Medicin gehandelt. Einmahl iſt gewiß, daß corpora noſtra eine diver-
ſam temperaturam
und mixturam haben. Es iſt nicht ein Coͤrper wie
der andere, ſondern alle differiren, welches die alten temperamenta ge-
nennet. Darinnen ſind die Alten aber von den Neuern unterſchieden,
daß ſie gemeynet, die differenz beſtuͤnde in calido, ſicco, frigido und hu-
mido.
Wenn man wiſſen will, was die Alten hievon ſtatuiret, ſo kan
man des Profeſſor Speners in Wittenberg Diſſertatio de temperamentis
leſen, welche er hier unter dem Herrn Doctor Buddeo gehalten. Es
hat dieſelbe ſein Vater der alte Spener gemacht, und iſt uͤberaus wohl
elaboriret. Ich habe nicht leicht etwas geleſen, da alles mit ſo vielem
Fleiß und accurateſſe zuſammen getragen, als in dieſer Diſſertation.
Kein einiger iſt geweſen, der nicht gemeynet, dari diverſam temperatu-
ram.
Die meiſten haben aber heut zu Tage die alten Dinge fahren
laſſen, und auf das Gebluͤth geſehen. Sie ſagen: Das waͤren nimis
generalia,
wenn man auf das humidum, frigidum &c. ſaͤhe, man muͤſte
ſpecialiter gehen, und ſupponiren alſo das Gebluͤthe. Das Gebluͤthe
iſt die quint-eſſenz von allen, was ſich bey den Menſchen findet; alle
Saͤffte, ſpiritus vitales, alle Knochen kommen von dem Gebluͤthe. Daß
die Knochen von dem Gebluͤthe kommen, kan man daher ſehen, appo-
nitur ſemper nobis aliquid,
wir werden ja nicht ſo groß gebohren, und
dieſes kommt eben von dem Gebluͤthe. Das Gebluͤth aber beſtehet ex

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[232/0252] Cap. V. De prudentia ſehr betriegen. Io. Evelyn, ein Engelaͤnder, hat ein Buch geſchrieben de Phyſiognomia, davon ein extract in Actibus Eruditionis zu finden, in dieſen erzehlet er auch von Jacobo I. daß er den Hertzog von Sommerſet und Comte Bembrock hat erhoben, weil ſie wohl ausgeſehen. Je huͤb- ſcher die Leute offt ausſehen, je weniger koͤnnen ſie gebraucht werden: denn ſolche Leute haben mehrentheils aliquid voluptatis, und wenn gleich was anders dabey iſt, ſo iſt es doch nicht ſufficient. Pabſt Sixtus V. wollte lauter ſchwartze Leute in ſeinen Dienſten haben, da er aber manch- mahl auch einen guten Spitzbuben mit drunter bekommen. §. 10. 11. Diejenigen ſind auf einem beſſern Weg, welche mey- nen, ein Herr muͤſſe ſich dahin befleißigen, daß er zuſehe, was vor ein temperament ein Kerl habe: denn ein temperamentum iſt aptius ad hoc; ein anders aptius ad illud. Hieraus kan man erkennen, daß die doctri- na de temperamentis nicht zu verachten, wenn ſie nur recht vorgetragen wird. Unſer Autor hat ſich auch Muͤhe gegeben, zu zeigen, welche tem- peramenta zu dieſem oder jenem am geſchickteſten ſeyn. Ehe man aber dieſes recht verſtehen kan, muͤſſen vorher einige generalia bemercket wer- den. Von denen temperamentis wird ſonſten in der Moral, Phyſic und Medicin gehandelt. Einmahl iſt gewiß, daß corpora noſtra eine diver- ſam temperaturam und mixturam haben. Es iſt nicht ein Coͤrper wie der andere, ſondern alle differiren, welches die alten temperamenta ge- nennet. Darinnen ſind die Alten aber von den Neuern unterſchieden, daß ſie gemeynet, die differenz beſtuͤnde in calido, ſicco, frigido und hu- mido. Wenn man wiſſen will, was die Alten hievon ſtatuiret, ſo kan man des Profeſſor Speners in Wittenberg Diſſertatio de temperamentis leſen, welche er hier unter dem Herrn Doctor Buddeo gehalten. Es hat dieſelbe ſein Vater der alte Spener gemacht, und iſt uͤberaus wohl elaboriret. Ich habe nicht leicht etwas geleſen, da alles mit ſo vielem Fleiß und accurateſſe zuſammen getragen, als in dieſer Diſſertation. Kein einiger iſt geweſen, der nicht gemeynet, dari diverſam temperatu- ram. Die meiſten haben aber heut zu Tage die alten Dinge fahren laſſen, und auf das Gebluͤth geſehen. Sie ſagen: Das waͤren nimis generalia, wenn man auf das humidum, frigidum &c. ſaͤhe, man muͤſte ſpecialiter gehen, und ſupponiren alſo das Gebluͤthe. Das Gebluͤthe iſt die quint-eſſenz von allen, was ſich bey den Menſchen findet; alle Saͤffte, ſpiritus vitales, alle Knochen kommen von dem Gebluͤthe. Daß die Knochen von dem Gebluͤthe kommen, kan man daher ſehen, appo- nitur ſemper nobis aliquid, wir werden ja nicht ſo groß gebohren, und dieſes kommt eben von dem Gebluͤthe. Das Gebluͤth aber beſtehet ex variis

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/252>, abgerufen am 24.11.2024.