Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia Fridericus Wilhelmus M. welcher ein sehr penetranter Herr gewesen, hatauch viele von Bürgerlichen Stande an seinem Hof gehabt. Puffen- dorff in Rebus gestis Friderici VVilhelmi erzehlet, daß er gesagt: Er hal- te mehr auf einen Kerl, der sich poussirte, ohne daß er Mittel habe: Denn die nobiles haben Mittel und gute Auferziehung, was er hat, das hat er alles vor sich, und gehöret eine grosse force und Verstand dazu, wenn er sich in die Höhe gebracht hat. Die nobiles können sich auch nicht be- schweren, wenn neben ihnen auch andere erhoben werden. Die Noblesse hat bisweilen grosses Vermögen, und suchet nichts zu lernen, in Krieg wollen sie auch nicht gehen: Denn wenn andere schlaffen, müssen sie wachen, da bleiben sie lieber auf ihren Güthern, alsdenn muß man an- dere nehmen. Wären sie vigilant, und lerneten was, so würde kein an- derer dazu gelangen. Man muß den Mantel nach dem Winde hengen, und nicht opiniatre seyn, weil sonst so grosser Schade geschiehet. Denn wenn ein gemeiner Kerl opiniatre ist, und sagt, es mag alles zu Grunde gehen, so wird er denn ein Bettler, findet aber eine grosse compagnie; Hergegen aber bey vornehmen Leuten hat es mehr zu sagen. gäntzlich aus- zuschliessen. §. 5. Kein Philosophus, kein Theologus ist der nicht pauperibus und
Cap. V. De prudentia Fridericus Wilhelmus M. welcher ein ſehr penetranter Herr geweſen, hatauch viele von Buͤrgerlichen Stande an ſeinem Hof gehabt. Puffen- dorff in Rebus geſtis Friderici VVilhelmi erzehlet, daß er geſagt: Er hal- te mehr auf einen Kerl, der ſich pousſirte, ohne daß er Mittel habe: Denn die nobiles haben Mittel und gute Auferziehung, was er hat, das hat er alles vor ſich, und gehoͤret eine groſſe force und Verſtand dazu, wenn er ſich in die Hoͤhe gebracht hat. Die nobiles koͤnnen ſich auch nicht be- ſchweren, wenn neben ihnen auch andere erhoben werden. Die Nobleſſe hat bisweilen groſſes Vermoͤgen, und ſuchet nichts zu lernen, in Krieg wollen ſie auch nicht gehen: Denn wenn andere ſchlaffen, muͤſſen ſie wachen, da bleiben ſie lieber auf ihren Guͤthern, alsdenn muß man an- dere nehmen. Waͤren ſie vigilant, und lerneten was, ſo wuͤrde kein an- derer dazu gelangen. Man muß den Mantel nach dem Winde hengen, und nicht opiniatre ſeyn, weil ſonſt ſo groſſer Schade geſchiehet. Denn wenn ein gemeiner Kerl opiniatre iſt, und ſagt, es mag alles zu Grunde gehen, ſo wird er denn ein Bettler, findet aber eine groſſe compagnie; Hergegen aber bey vornehmen Leuten hat es mehr zu ſagen. gaͤntzlich aus- zuſchlieſſen. §. 5. Kein Philoſophus, kein Theologus iſt der nicht pauperibus und
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Cap. V. De prudentia
Fridericus Wilhelmus M. welcher ein ſehr penetranter Herr geweſen, hat
auch viele von Buͤrgerlichen Stande an ſeinem Hof gehabt. Puffen-
dorff in Rebus geſtis Friderici VVilhelmi erzehlet, daß er geſagt: Er hal-
te mehr auf einen Kerl, der ſich pousſirte, ohne daß er Mittel habe: Denn
die nobiles haben Mittel und gute Auferziehung, was er hat, das hat er
alles vor ſich, und gehoͤret eine groſſe force und Verſtand dazu, wenn er
ſich in die Hoͤhe gebracht hat. Die nobiles koͤnnen ſich auch nicht be-
ſchweren, wenn neben ihnen auch andere erhoben werden. Die Nobleſſe
hat bisweilen groſſes Vermoͤgen, und ſuchet nichts zu lernen, in Krieg
wollen ſie auch nicht gehen: Denn wenn andere ſchlaffen, muͤſſen ſie
wachen, da bleiben ſie lieber auf ihren Guͤthern, alsdenn muß man an-
dere nehmen. Waͤren ſie vigilant, und lerneten was, ſo wuͤrde kein an-
derer dazu gelangen. Man muß den Mantel nach dem Winde hengen,
und nicht opiniatre ſeyn, weil ſonſt ſo groſſer Schade geſchiehet. Denn
wenn ein gemeiner Kerl opiniatre iſt, und ſagt, es mag alles zu Grunde
gehen, ſo wird er denn ein Bettler, findet aber eine groſſe compagnie;
Hergegen aber bey vornehmen Leuten hat es mehr zu ſagen.
§. 5. Kein Philoſophus, kein Theologus iſt der nicht pauperibus
das Wort redet: Denn ſie haben die alte ſentenz geleſen, da man ſagt:
ſæpe ſub palliola ſordido latet ſapientia. Sie fuͤhren auch aus der Bi-
bel an: Selig ſind die Armen ꝛc. Im Himmel iſt freylich alles gleich,
und wird auch pauperrimus homo in Himmel kommen. Lazarus iſt im
Himmel, wo aber der reiche Mann iſt, will ich nicht ſeyn. Aber es
giebt Leute, ſo ſich nicht finden koͤnnen. Wenn ich arme Leute zu
Ehren-Stellen promoviren ſollte, welche groſſe capacité haͤtten, ſo
wuͤrde ich ſie erſt reich machen, welches groſſe Herren auch leicht thun
koͤnnten, alsdenn wuͤſte ich doch, woher ihr Reichthum kaͤme, und iſt
nicht wahrſcheinlich, daß ſie ſich ex ſanguine & ſudore ſubditorum, als-
denn werden bereichern. Thue ich dieſes nicht, ſo kommen hernach vie-
le exceſſe, ſie verkauffen die juſtiz, leges violant. Richelieu ſagt: ich bin
denen Armen nicht feind, bin ſelbſten arm geweſen, aber bey denen Ar-
men iſt doch ein beſtaͤndiger ſoubçon, daß ſie ſich ſuchen zu bereichern.
Die gagen, ſo groſſe Herrn geben, langen offt nicht zu. Stryck ſaget
auch, man koͤnne tutorem pauperem nicht repelliren, aber er meynet doch,
daß er fine fidejuſſoribus nicht koͤnne angenommen werden. Alſo ſiehet
man, daß allezeit noch formido oppoſiti bleibet, er ſey nicht recht treu.
Der Amelot hat in ſeinen notis ad Tacitum Tom. I. p. 366. eine ſchoͤne
paſſage hievon aus dem Cabrera allegiret. Dieſer erzehlet von dem Phi-
lippo II. daß er ſonſt ſehr geſucht, die vornehmen! Familien zu conſerviren,
und
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