Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa Ministros & Magistratus inferiores wenn ich frage: warum sind die Vorfahren aestimiret worden, so ist kei-ne andere raison, als weil sie tapffer, tugendhafft gewesen. Will nun der Adel sich conserviren, so kan er nicht anders thun, als die Vorfah- ren zu imitiren; kommen nun die virtutes der Vorfahren mit seinen ei- genen zusammen, so brilliret er. Die Noblesse in Teutschland hat man erbare Leute genennet, auch die grosse Noblesse in Francken und Schwa- ben. Von Ehre haben sie profession gemacht, wodurch sie sich eben von Pock distinguiret, welches auf einen sordiden Gewinnst gehet. Chara- cter nobilitatis est virtus eminens, honestas eminens. Die gemeinen Leute gelangen nicht dahin, weil sie keine education haben; Daher eben ein grosser Herr nicht wohl thut, wenn er die nobiles supprimirt, und vi- les zu seinen Bedienten nimmt. Wenn die nobiles bey demjenigen blei- ben, was ihre Vorfahren gethan, so würden sie nicht herunter kommen, aber manchmahl kommt es, daß sie nichts lernen, oder sie lehnen sich ge- gen die Fürsten auf, da kommen sie herunter. Derjenige Herr aber thut nicht wohl, welcher die Noblesse supprimiret, und nicht an deren Stelle neue Nobiles macht: Denn er ist fons nobilitatis, und kan es nicht anders seyn, er muß nobiles um sich haben. In Schweden hat man die alte Noblesse supprimiret, aber wieder neue gemacht. In gantz Europa hat man einmahl die Noblesse, daher muß man sich darnach richten. In der Türckey ist es ein anders, da ist keine Noblesse, sondern der Türcke nimmt Sclaven und allerhand Leute dazu, davon mancher seinen Nahmen nicht nennen kan. Er thut es um deßwillen, daß sie ihm sollten desto treuer seyn, vid. Vignau de la decadence de l'Empire des Ottomanns. Mir hat wohl gefallen das consilium, welches unter dem Hochseligen König in Preussen gegeben worden; Es wurde auch disputirt von der Noblesse, ob man sie alleine brauchen sollte? da sagt einer, man sollte Bürgerliche Pagen und auch Adeliche nehmen. Die sich nun am besten hielten, es möchte nobilis oder civis seyn, die sollten steigen. Wenn der nobilis eben so viel könnte, so sollte er vorgehen, weil er nicht alleine merita sua, sondern auch merita majorum habe. Fa- ctum est, und sind dadurch viele in die Höhe kommen. Wenn der no- bilis siehet, der Bürger kan über ihn weg steigen, so suchet er eher etwas zu lernen. Hergegen glaubt er sibi deberi munera, so giebt er sich keine grosse Mühe, sondern denckt, es könne ihm ohnedem nicht entlauffen. Man muß die nobiles nicht nimis supprimere, auch nicht nimis extollere. Bisweilen finden sich auch unter Bürgerlichen Leuten welche, so eine bravoure, Geschicklichkeit haben, warum soll man die nicht erheben? Wir sind ja alle von einer razza, und kommen alle her von dem Noah. Fride-
ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores wenn ich frage: warum ſind die Vorfahren æſtimiret worden, ſo iſt kei-ne andere raiſon, als weil ſie tapffer, tugendhafft geweſen. Will nun der Adel ſich conſerviren, ſo kan er nicht anders thun, als die Vorfah- ren zu imitiren; kommen nun die virtutes der Vorfahren mit ſeinen ei- genen zuſammen, ſo brilliret er. Die Nobleſſe in Teutſchland hat man erbare Leute genennet, auch die groſſe Nobleſſe in Francken und Schwa- ben. Von Ehre haben ſie profesſion gemacht, wodurch ſie ſich eben von Pock diſtinguiret, welches auf einen ſordiden Gewinnſt gehet. Chara- cter nobilitatis eſt virtus eminens, honeſtas eminens. Die gemeinen Leute gelangen nicht dahin, weil ſie keine education haben; Daher eben ein groſſer Herr nicht wohl thut, wenn er die nobiles ſupprimirt, und vi- les zu ſeinen Bedienten nimmt. Wenn die nobiles bey demjenigen blei- ben, was ihre Vorfahren gethan, ſo wuͤrden ſie nicht herunter kommen, aber manchmahl kommt es, daß ſie nichts lernen, oder ſie lehnen ſich ge- gen die Fuͤrſten auf, da kommen ſie herunter. Derjenige Herr aber thut nicht wohl, welcher die Nobleſſe ſupprimiret, und nicht an deren Stelle neue Nobiles macht: Denn er iſt fons nobilitatis, und kan es nicht anders ſeyn, er muß nobiles um ſich haben. In Schweden hat man die alte Nobleſſe ſupprimiret, aber wieder neue gemacht. In gantz Europa hat man einmahl die Nobleſſe, daher muß man ſich darnach richten. In der Tuͤrckey iſt es ein anders, da iſt keine Nobleſſe, ſondern der Tuͤrcke nimmt Sclaven und allerhand Leute dazu, davon mancher ſeinen Nahmen nicht nennen kan. Er thut es um deßwillen, daß ſie ihm ſollten deſto treuer ſeyn, vid. Vignau de la decadence de l’Empire des Ottomanns. Mir hat wohl gefallen das conſilium, welches unter dem Hochſeligen Koͤnig in Preuſſen gegeben worden; Es wurde auch diſputirt von der Nobleſſe, ob man ſie alleine brauchen ſollte? da ſagt einer, man ſollte Buͤrgerliche Pagen und auch Adeliche nehmen. Die ſich nun am beſten hielten, es moͤchte nobilis oder civis ſeyn, die ſollten ſteigen. Wenn der nobilis eben ſo viel koͤnnte, ſo ſollte er vorgehen, weil er nicht alleine merita ſua, ſondern auch merita majorum habe. Fa- ctum eſt, und ſind dadurch viele in die Hoͤhe kommen. Wenn der no- bilis ſiehet, der Buͤrger kan uͤber ihn weg ſteigen, ſo ſuchet er eher etwas zu lernen. Hergegen glaubt er ſibi deberi munera, ſo giebt er ſich keine groſſe Muͤhe, ſondern denckt, es koͤnne ihm ohnedem nicht entlauffen. Man muß die nobiles nicht nimis ſupprimere, auch nicht nimis extollere. Bisweilen finden ſich auch unter Buͤrgerlichen Leuten welche, ſo eine bravoure, Geſchicklichkeit haben, warum ſoll man die nicht erheben? Wir ſind ja alle von einer razza, und kommen alle her von dem Noah. Fride-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0243" n="223"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores</hi></fw><lb/> wenn ich frage: warum ſind die Vorfahren <hi rendition="#aq">æſtimi</hi>ret worden, ſo iſt kei-<lb/> ne andere <hi rendition="#aq">raiſon,</hi> als weil ſie tapffer, tugendhafft geweſen. Will nun<lb/> der Adel ſich <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ren, ſo kan er nicht anders thun, als die Vorfah-<lb/> ren zu <hi rendition="#aq">imiti</hi>ren; kommen nun die <hi rendition="#aq">virtutes</hi> der Vorfahren mit ſeinen ei-<lb/> genen zuſammen, ſo <hi rendition="#aq">brilli</hi>ret er. Die <hi rendition="#aq">Nobleſſe</hi> in Teutſchland hat man<lb/> erbare Leute genennet, auch die groſſe <hi rendition="#aq">Nobleſſe</hi> in Francken und Schwa-<lb/> ben. Von Ehre haben ſie <hi rendition="#aq">profesſion</hi> gemacht, wodurch ſie ſich eben von<lb/> Pock <hi rendition="#aq">diſtingui</hi>ret, welches auf einen <hi rendition="#aq">ſordid</hi>en Gewinnſt gehet. <hi rendition="#aq">Chara-<lb/> cter nobilitatis eſt virtus eminens, honeſtas eminens.</hi> Die gemeinen<lb/> Leute gelangen nicht dahin, weil ſie keine <hi rendition="#aq">education</hi> haben; Daher eben<lb/> ein groſſer Herr nicht wohl thut, wenn er die <hi rendition="#aq">nobiles ſupprimi</hi>rt, und <hi rendition="#aq">vi-<lb/> les</hi> zu ſeinen Bedienten nimmt. Wenn die <hi rendition="#aq">nobiles</hi> bey demjenigen blei-<lb/> ben, was ihre Vorfahren gethan, ſo wuͤrden ſie nicht herunter kommen,<lb/> aber manchmahl kommt es, daß ſie nichts lernen, oder ſie lehnen ſich ge-<lb/> gen die Fuͤrſten auf, da kommen ſie herunter. Derjenige Herr aber<lb/> thut nicht wohl, welcher die <hi rendition="#aq">Nobleſſe ſupprimi</hi>ret, und nicht an deren<lb/> Stelle neue <hi rendition="#aq">Nobiles</hi> macht: Denn er iſt <hi rendition="#aq">fons nobilitatis,</hi> und kan es<lb/> nicht anders ſeyn, er muß <hi rendition="#aq">nobiles</hi> um ſich haben. In Schweden hat<lb/> man die alte <hi rendition="#aq">Nobleſſe ſupprimi</hi>ret, aber wieder neue gemacht. In gantz<lb/> Europa hat man einmahl die <hi rendition="#aq">Nobleſſe,</hi> daher muß man ſich darnach<lb/> richten. In der Tuͤrckey iſt es ein anders, da iſt keine <hi rendition="#aq">Nobleſſe,</hi> ſondern<lb/> der Tuͤrcke nimmt Sclaven und allerhand Leute dazu, davon mancher<lb/> ſeinen Nahmen nicht nennen kan. Er thut es um deßwillen, daß ſie<lb/> ihm ſollten deſto treuer ſeyn, <hi rendition="#aq">vid. Vignau de la decadence de l’Empire<lb/> des Ottomanns.</hi> Mir hat wohl gefallen das <hi rendition="#aq">conſilium,</hi> welches unter<lb/> dem Hochſeligen Koͤnig in Preuſſen gegeben worden; Es wurde auch<lb/><hi rendition="#aq">diſputi</hi>rt von der <hi rendition="#aq">Nobleſſe,</hi> ob man ſie alleine brauchen ſollte? da ſagt<lb/> einer, man ſollte Buͤrgerliche Pagen und auch Adeliche nehmen. Die<lb/> ſich nun am beſten hielten, es moͤchte <hi rendition="#aq">nobilis</hi> oder <hi rendition="#aq">civis</hi> ſeyn, die ſollten<lb/> ſteigen. Wenn der <hi rendition="#aq">nobilis</hi> eben ſo viel koͤnnte, ſo ſollte er vorgehen,<lb/> weil er nicht alleine <hi rendition="#aq">merita ſua,</hi> ſondern auch <hi rendition="#aq">merita majorum</hi> habe. <hi rendition="#aq">Fa-<lb/> ctum eſt,</hi> und ſind dadurch viele in die Hoͤhe kommen. Wenn der <hi rendition="#aq">no-<lb/> bilis</hi> ſiehet, der Buͤrger kan uͤber ihn weg ſteigen, ſo ſuchet er eher etwas<lb/> zu lernen. Hergegen glaubt er <hi rendition="#aq">ſibi deberi munera,</hi> ſo giebt er ſich keine<lb/> groſſe Muͤhe, ſondern denckt, es koͤnne ihm ohnedem nicht entlauffen.<lb/> Man muß die <hi rendition="#aq">nobiles</hi> nicht <hi rendition="#aq">nimis ſupprimere,</hi> auch nicht <hi rendition="#aq">nimis extollere.</hi><lb/> Bisweilen finden ſich auch unter Buͤrgerlichen Leuten welche, ſo eine<lb/><hi rendition="#aq">bravoure,</hi> Geſchicklichkeit haben, warum ſoll man die nicht erheben?<lb/> Wir ſind ja alle von einer <hi rendition="#aq">razza,</hi> und kommen alle her von dem Noah.<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Fride-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0243]
ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores
wenn ich frage: warum ſind die Vorfahren æſtimiret worden, ſo iſt kei-
ne andere raiſon, als weil ſie tapffer, tugendhafft geweſen. Will nun
der Adel ſich conſerviren, ſo kan er nicht anders thun, als die Vorfah-
ren zu imitiren; kommen nun die virtutes der Vorfahren mit ſeinen ei-
genen zuſammen, ſo brilliret er. Die Nobleſſe in Teutſchland hat man
erbare Leute genennet, auch die groſſe Nobleſſe in Francken und Schwa-
ben. Von Ehre haben ſie profesſion gemacht, wodurch ſie ſich eben von
Pock diſtinguiret, welches auf einen ſordiden Gewinnſt gehet. Chara-
cter nobilitatis eſt virtus eminens, honeſtas eminens. Die gemeinen
Leute gelangen nicht dahin, weil ſie keine education haben; Daher eben
ein groſſer Herr nicht wohl thut, wenn er die nobiles ſupprimirt, und vi-
les zu ſeinen Bedienten nimmt. Wenn die nobiles bey demjenigen blei-
ben, was ihre Vorfahren gethan, ſo wuͤrden ſie nicht herunter kommen,
aber manchmahl kommt es, daß ſie nichts lernen, oder ſie lehnen ſich ge-
gen die Fuͤrſten auf, da kommen ſie herunter. Derjenige Herr aber
thut nicht wohl, welcher die Nobleſſe ſupprimiret, und nicht an deren
Stelle neue Nobiles macht: Denn er iſt fons nobilitatis, und kan es
nicht anders ſeyn, er muß nobiles um ſich haben. In Schweden hat
man die alte Nobleſſe ſupprimiret, aber wieder neue gemacht. In gantz
Europa hat man einmahl die Nobleſſe, daher muß man ſich darnach
richten. In der Tuͤrckey iſt es ein anders, da iſt keine Nobleſſe, ſondern
der Tuͤrcke nimmt Sclaven und allerhand Leute dazu, davon mancher
ſeinen Nahmen nicht nennen kan. Er thut es um deßwillen, daß ſie
ihm ſollten deſto treuer ſeyn, vid. Vignau de la decadence de l’Empire
des Ottomanns. Mir hat wohl gefallen das conſilium, welches unter
dem Hochſeligen Koͤnig in Preuſſen gegeben worden; Es wurde auch
diſputirt von der Nobleſſe, ob man ſie alleine brauchen ſollte? da ſagt
einer, man ſollte Buͤrgerliche Pagen und auch Adeliche nehmen. Die
ſich nun am beſten hielten, es moͤchte nobilis oder civis ſeyn, die ſollten
ſteigen. Wenn der nobilis eben ſo viel koͤnnte, ſo ſollte er vorgehen,
weil er nicht alleine merita ſua, ſondern auch merita majorum habe. Fa-
ctum eſt, und ſind dadurch viele in die Hoͤhe kommen. Wenn der no-
bilis ſiehet, der Buͤrger kan uͤber ihn weg ſteigen, ſo ſuchet er eher etwas
zu lernen. Hergegen glaubt er ſibi deberi munera, ſo giebt er ſich keine
groſſe Muͤhe, ſondern denckt, es koͤnne ihm ohnedem nicht entlauffen.
Man muß die nobiles nicht nimis ſupprimere, auch nicht nimis extollere.
Bisweilen finden ſich auch unter Buͤrgerlichen Leuten welche, ſo eine
bravoure, Geſchicklichkeit haben, warum ſoll man die nicht erheben?
Wir ſind ja alle von einer razza, und kommen alle her von dem Noah.
Fride-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |