Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa leges & judicia. den inferiorem nicht supprimiret, & ne inferior ascendat, & potentioressupprimat, sonst wird ein Bauer-Krieg draus. Er muß sehen, daß ein jedes in seiner classe bleibet, und nicht aus der balance kommt. Die Theologi expliciren auch den locum theologicum de Magistratu politico, und wäre gut, wenn sie ihn nicht recht explicirten, aber mehrentheils schmelen sie auf den principem, oder attribuiren alles dem Volck, da müssen hernach die Sünden derer Unterthanen an allen Schuld seyn. Wenn ein grosser Herr geduldig wäre, so könnte er auch nach und nach alles ändern. Weil nun aber ein Fürst nicht alles thun kan, so muß er sich nach subalternen umsehen, welche seine Person repraesentiren, soll ei- ner seine Person repraesentiren, die man als sanctam ansiehet, so muß es ein rechter Mann seyn. Wer läßt sich gerne durch einen Fribon reprae- sentiren? Wer schickt gerne einen Bettler cum charactere repraesentatitio, da er sich sonst von Bettlern distinguiret. Der ein sapiens ist, wird sich nicht gerne einen Bouffon repraesentiren lassen. Dieses negligiret man überall, man verkaufft die justiz, man verpachtet sie, O he! und soll doch eine sapientia da seyn, nam propterea nos submissimus principi, weil er sapiens. Vor dem sind die meisten Personen lauter seniores gewesen. Das Wort Seigneur kommt auch vom senior. Sie haben gemeynet, daß die seniores am geschicktesten, weil sie Erfahrung haben ex conse- quenti Wissenschafft, denn die Erfahrung ist eine perpetua memoria. Wenn mir einer sagt: Dieser ist ein experimentirter Mann, so ist sol- ches ein grosses eloge in meinen Ohren, man siehet ihn an, als einen hominem pragmaticum, wenn er gleich nicht alle subtilitäten weiß, das gehöret vor einen Professor. Die subtilitäten machen mich nicht allezeit klug, führen einen offt ab. Das jus ist an sich selbst leicht, dasjenige, was es schwer machet, ist das factum, wissen wir das factum, so kan alsdenn leicht eine decision gemachet werden. In judicio wird das fa- ctum dunckel gemacht von denen Partheyen, Advocaten und Procurato- ribus, da ist also eine Kunst, das factum zu developpiren, und muß ein princeps geschickte judices haben. Es muß also hier gehandelt werden von Advocaten, weil die das factum offt dunckel machen, ingleichen von Procuratoribus, und endlich von denen Partheyen selbst, weil diese offt auch nichts nutze, reorum enim est fingere. Es sind auch noch über dieses allerhand circumstantiae zu beobachten. Man könnte über die re- formation der justiz ein gantzes collegium halten, und würde solches sehr nützlich seyn, aber es müste von uninteressirten Leuten geschehen, denn wer ein interesse davon hat, wird sein Tage nichts Gutes sagen. Man verliehret dadurch in Schöppen-Stühlen und facultäten, indem ihnen als- B b
ſtatus circa leges & judicia. den inferiorem nicht ſupprimiret, & ne inferior aſcendat, & potentioresſupprimat, ſonſt wird ein Bauer-Krieg draus. Er muß ſehen, daß ein jedes in ſeiner claſſe bleibet, und nicht aus der balance kommt. Die Theologi expliciren auch den locum theologicum de Magiſtratu politico, und waͤre gut, wenn ſie ihn nicht recht explicirten, aber mehrentheils ſchmelen ſie auf den principem, oder attribuiren alles dem Volck, da muͤſſen hernach die Suͤnden derer Unterthanen an allen Schuld ſeyn. Wenn ein groſſer Herr geduldig waͤre, ſo koͤnnte er auch nach und nach alles aͤndern. Weil nun aber ein Fuͤrſt nicht alles thun kan, ſo muß er ſich nach ſubalternen umſehen, welche ſeine Perſon repræſentiren, ſoll ei- ner ſeine Perſon repræſentiren, die man als ſanctam anſiehet, ſo muß es ein rechter Mann ſeyn. Wer laͤßt ſich gerne durch einen Fribon repræ- ſentiren? Wer ſchickt gerne einen Bettler cum charactere repræſentatitio, da er ſich ſonſt von Bettlern diſtinguiret. Der ein ſapiens iſt, wird ſich nicht gerne einen Bouffon repræſentiren laſſen. Dieſes negligiret man uͤberall, man verkaufft die juſtiz, man verpachtet ſie, O he! und ſoll doch eine ſapientia da ſeyn, nam propterea nos ſubmiſſimus principi, weil er ſapiens. Vor dem ſind die meiſten Perſonen lauter ſeniores geweſen. Das Wort Seigneur kommt auch vom ſenior. Sie haben gemeynet, daß die ſeniores am geſchickteſten, weil ſie Erfahrung haben ex conſe- quenti Wiſſenſchafft, denn die Erfahrung iſt eine perpetua memoria. Wenn mir einer ſagt: Dieſer iſt ein experimentirter Mann, ſo iſt ſol- ches ein groſſes eloge in meinen Ohren, man ſiehet ihn an, als einen hominem pragmaticum, wenn er gleich nicht alle ſubtilitaͤten weiß, das gehoͤret vor einen Profeſſor. Die ſubtilitaͤten machen mich nicht allezeit klug, fuͤhren einen offt ab. Das jus iſt an ſich ſelbſt leicht, dasjenige, was es ſchwer machet, iſt das factum, wiſſen wir das factum, ſo kan alsdenn leicht eine deciſion gemachet werden. In judicio wird das fa- ctum dunckel gemacht von denen Partheyen, Advocaten und Procurato- ribus, da iſt alſo eine Kunſt, das factum zu developpiren, und muß ein princeps geſchickte judices haben. Es muß alſo hier gehandelt werden von Advocaten, weil die das factum offt dunckel machen, ingleichen von Procuratoribus, und endlich von denen Partheyen ſelbſt, weil dieſe offt auch nichts nutze, reorum enim eſt fingere. Es ſind auch noch uͤber dieſes allerhand circumſtantiæ zu beobachten. Man koͤnnte uͤber die re- formation der juſtiz ein gantzes collegium halten, und wuͤrde ſolches ſehr nuͤtzlich ſeyn, aber es muͤſte von unintereſſirten Leuten geſchehen, denn wer ein intereſſe davon hat, wird ſein Tage nichts Gutes ſagen. Man verliehret dadurch in Schoͤppen-Stuͤhlen und facultaͤten, indem ihnen als- B b
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jedes in ſeiner claſſe bleibet, und nicht aus der balance kommt. Die
Theologi expliciren auch den locum theologicum de Magiſtratu politico,
und waͤre gut, wenn ſie ihn nicht recht explicirten, aber mehrentheils
ſchmelen ſie auf den principem, oder attribuiren alles dem Volck, da
muͤſſen hernach die Suͤnden derer Unterthanen an allen Schuld ſeyn.
Wenn ein groſſer Herr geduldig waͤre, ſo koͤnnte er auch nach und nach
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ſich nach ſubalternen umſehen, welche ſeine Perſon repræſentiren, ſoll ei-
ner ſeine Perſon repræſentiren, die man als ſanctam anſiehet, ſo muß es
ein rechter Mann ſeyn. Wer laͤßt ſich gerne durch einen Fribon repræ-
ſentiren? Wer ſchickt gerne einen Bettler cum charactere repræſentatitio,
da er ſich ſonſt von Bettlern diſtinguiret. Der ein ſapiens iſt, wird ſich
nicht gerne einen Bouffon repræſentiren laſſen. Dieſes negligiret man
uͤberall, man verkaufft die juſtiz, man verpachtet ſie, O he! und ſoll
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er ſapiens. Vor dem ſind die meiſten Perſonen lauter ſeniores geweſen.
Das Wort Seigneur kommt auch vom ſenior. Sie haben gemeynet,
daß die ſeniores am geſchickteſten, weil ſie Erfahrung haben ex conſe-
quenti Wiſſenſchafft, denn die Erfahrung iſt eine perpetua memoria.
Wenn mir einer ſagt: Dieſer iſt ein experimentirter Mann, ſo iſt ſol-
ches ein groſſes eloge in meinen Ohren, man ſiehet ihn an, als einen
hominem pragmaticum, wenn er gleich nicht alle ſubtilitaͤten weiß, das
gehoͤret vor einen Profeſſor. Die ſubtilitaͤten machen mich nicht allezeit
klug, fuͤhren einen offt ab. Das jus iſt an ſich ſelbſt leicht, dasjenige,
was es ſchwer machet, iſt das factum, wiſſen wir das factum, ſo kan
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ctum dunckel gemacht von denen Partheyen, Advocaten und Procurato-
ribus, da iſt alſo eine Kunſt, das factum zu developpiren, und muß ein
princeps geſchickte judices haben. Es muß alſo hier gehandelt werden
von Advocaten, weil die das factum offt dunckel machen, ingleichen von
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auch nichts nutze, reorum enim eſt fingere. Es ſind auch noch uͤber
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nuͤtzlich ſeyn, aber es muͤſte von unintereſſirten Leuten geſchehen, denn
wer ein intereſſe davon hat, wird ſein Tage nichts Gutes ſagen. Man
verliehret dadurch in Schoͤppen-Stuͤhlen und facultaͤten, indem ihnen
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