Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa leges & judicia. aber contra prudentiam. Die meisten revolutiones in der Welt sind entstan-den propter leges ineptas, sonderlich propter leges, da man des Herrn seinen Geitz und interesse wahrgenommen. Das ist keine seria volun- tas, wo avara utilitas ex illa lege hervor leuchtet. Der Herr muß sich selbst auch nach denen Legibus accommodiren. Nach der Jurispruden- tia heißt es: Principes legibus sunt soluti, nemo sibi ipsi obligationem imponit. Aber der peuple glaubt nicht, daß es dem Herrn ein Ernst sey, wenn der Herr sich nicht selbst darnach richtet. Wenn der Herr sagt: Man soll nicht Ehebrechen; da sagen sie nos multis poenis fatigat, und er thut selbst nicht darnach. Wäre es ihm ein Ernst, so würde er sich accommodiren: denn wenn er meynet, daß der Ehebruch der Re- public so schädlich, quare ipse est adulter: Es giebt ein scandalum, die Unterthanen glauben nicht, daß es unrecht, weil es der Princeps selbst thut. Man hält ihn vor interessirt, gleichwie ein Zuhörer einen Predi- ger vor einen fourbe hält, wenn er siehet, daß der Prediger saget, man soll nicht stehlen, und er ist selbst ein Dieb. Wenn der Fürst saget, es soll kein luxus in der Republic seyn, so muß er selbst nicht luxurieux le- ben. Wie der König in Franckreich Frieden machte, und sahe, daß durch den luxum sein Land sehr herunter kommen, so fuhr er selbst in einer Kutschen, da kein Strich Gold daran war, wie es der König ein- mahl that, so folgten sie ihm alle bald nach. Die Königin in Franck- reich Maria Theresia hat auch eine probe davon abgelegt. Denn wie der König in Franckreich haben wollen, es sollten die Franzosen Zeuge tragen, welche in Franckreich fabriciret worden, so konnten sie nicht da- zu gebracht werden, ob man gleich poenas satzte. Endlich ließ sich die Königin ein Kleid machen aus Zeuge, da ihr bald andere Dames folg- ten, und trugen hernach alle solche Zeuge. Wenn man auch die grossen fantangen abbringen will, so muß man nicht lassen die Prediger auf der Cantzel darauf schmählen, sondern es darff die Fürstin eine kleine duo- dez fantange tragen, alsdenn werden bald andere nachfolgen. Setzet aber die Fürstin eine grosse fantange auf, so ist alles babylonisch. Exem- plum ist eines von denen besten legibus, welches man beym Tacito und andern historicis sehen kan. Amelot hat in seinem Tiberio gewiesen, daß derselbe anfangs wohl regieret, so, daß auch einige gemeynet, er regiere besser als Augustus, weil unter Augusto so ein grosser luxus gewesen, und derselbe sich so an die Weiber gehänget. Dieser Tiberius hat allen Staat eingezogen, und seinen Hof retranchiret, daß es ihm alle nach- gethan. Man hat observiret, daß vor Francisco I. in Franckreich eine harte disciplin gewesen, wie aber Franciscus I. regieret, so sind die Dames a la A a
ſtatus circa leges & judicia. aber contra prudentiam. Die meiſten revolutiones in der Welt ſind entſtan-den propter leges ineptas, ſonderlich propter leges, da man des Herrn ſeinen Geitz und intereſſe wahrgenommen. Das iſt keine ſeria volun- tas, wo avara utilitas ex illa lege hervor leuchtet. Der Herr muß ſich ſelbſt auch nach denen Legibus accommodiren. Nach der Jurispruden- tia heißt es: Principes legibus ſunt ſoluti, nemo ſibi ipſi obligationem imponit. Aber der peuple glaubt nicht, daß es dem Herrn ein Ernſt ſey, wenn der Herr ſich nicht ſelbſt darnach richtet. Wenn der Herr ſagt: Man ſoll nicht Ehebrechen; da ſagen ſie nos multis pœnis fatigat, und er thut ſelbſt nicht darnach. Waͤre es ihm ein Ernſt, ſo wuͤrde er ſich accommodiren: denn wenn er meynet, daß der Ehebruch der Re- public ſo ſchaͤdlich, quare ipſe eſt adulter: Es giebt ein ſcandalum, die Unterthanen glauben nicht, daß es unrecht, weil es der Princeps ſelbſt thut. Man haͤlt ihn vor intereſſirt, gleichwie ein Zuhoͤrer einen Predi- ger vor einen fourbe haͤlt, wenn er ſiehet, daß der Prediger ſaget, man ſoll nicht ſtehlen, und er iſt ſelbſt ein Dieb. Wenn der Fuͤrſt ſaget, es ſoll kein luxus in der Republic ſeyn, ſo muß er ſelbſt nicht luxurieux le- ben. Wie der Koͤnig in Franckreich Frieden machte, und ſahe, daß durch den luxum ſein Land ſehr herunter kommen, ſo fuhr er ſelbſt in einer Kutſchen, da kein Strich Gold daran war, wie es der Koͤnig ein- mahl that, ſo folgten ſie ihm alle bald nach. Die Koͤnigin in Franck- reich Maria Thereſia hat auch eine probe davon abgelegt. Denn wie der Koͤnig in Franckreich haben wollen, es ſollten die Franzoſen Zeuge tragen, welche in Franckreich fabriciret worden, ſo konnten ſie nicht da- zu gebracht werden, ob man gleich pœnas ſatzte. Endlich ließ ſich die Koͤnigin ein Kleid machen aus Zeuge, da ihr bald andere Dames folg- ten, und trugen hernach alle ſolche Zeuge. Wenn man auch die groſſen fantangen abbringen will, ſo muß man nicht laſſen die Prediger auf der Cantzel darauf ſchmaͤhlen, ſondern es darff die Fuͤrſtin eine kleine duo- dez fantange tragen, alsdenn werden bald andere nachfolgen. Setzet aber die Fuͤrſtin eine groſſe fantange auf, ſo iſt alles babyloniſch. Exem- plum iſt eines von denen beſten legibus, welches man beym Tacito und andern hiſtoricis ſehen kan. Amelot hat in ſeinem Tiberio gewieſen, daß derſelbe anfangs wohl regieret, ſo, daß auch einige gemeynet, er regiere beſſer als Auguſtus, weil unter Auguſto ſo ein groſſer luxus geweſen, und derſelbe ſich ſo an die Weiber gehaͤnget. Dieſer Tiberius hat allen Staat eingezogen, und ſeinen Hof retranchiret, daß es ihm alle nach- gethan. Man hat obſerviret, daß vor Franciſco I. in Franckreich eine harte diſciplin geweſen, wie aber Franciſcus I. regieret, ſo ſind die Dames a la A a
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0205" n="185"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">ſtatus circa leges & judicia.</hi></fw><lb/> aber <hi rendition="#aq">contra prudentiam.</hi> Die meiſten <hi rendition="#aq">revolutiones</hi> in der Welt ſind entſtan-<lb/> den <hi rendition="#aq">propter leges ineptas,</hi> ſonderlich <hi rendition="#aq">propter leges,</hi> da man des Herrn<lb/> ſeinen Geitz und <hi rendition="#aq">intereſſe</hi> wahrgenommen. Das iſt keine <hi rendition="#aq">ſeria volun-<lb/> tas,</hi> wo <hi rendition="#aq">avara utilitas ex illa lege</hi> hervor leuchtet. Der Herr muß ſich<lb/> ſelbſt auch nach denen <hi rendition="#aq">Legibus accommodi</hi>ren. Nach der <hi rendition="#aq">Jurispruden-<lb/> tia</hi> heißt es: <hi rendition="#aq">Principes legibus ſunt ſoluti, nemo ſibi ipſi obligationem<lb/> imponit.</hi> Aber der <hi rendition="#aq">peuple</hi> glaubt nicht, daß es dem Herrn ein Ernſt<lb/> ſey, wenn der Herr ſich nicht ſelbſt darnach richtet. Wenn der Herr<lb/> ſagt: Man ſoll nicht Ehebrechen; da ſagen ſie <hi rendition="#aq">nos multis pœnis fatigat,</hi><lb/> und er thut ſelbſt nicht darnach. Waͤre es ihm ein Ernſt, ſo wuͤrde er<lb/> ſich <hi rendition="#aq">accommodi</hi>ren: denn wenn er meynet, daß der Ehebruch der Re-<lb/> public ſo ſchaͤdlich, <hi rendition="#aq">quare ipſe eſt adulter:</hi> Es giebt ein <hi rendition="#aq">ſcandalum,</hi> die<lb/> Unterthanen glauben nicht, daß es unrecht, weil es der <hi rendition="#aq">Princeps</hi> ſelbſt<lb/> thut. Man haͤlt ihn vor <hi rendition="#aq">intereſſi</hi>rt, gleichwie ein Zuhoͤrer einen Predi-<lb/> ger vor einen <hi rendition="#aq">fourbe</hi> haͤlt, wenn er ſiehet, daß der Prediger ſaget, man<lb/> ſoll nicht ſtehlen, und er iſt ſelbſt ein Dieb. Wenn der Fuͤrſt ſaget, es<lb/> ſoll kein <hi rendition="#aq">luxus</hi> in der Republic ſeyn, ſo muß er ſelbſt nicht <hi rendition="#aq">luxurieux</hi> le-<lb/> ben. Wie der Koͤnig in Franckreich Frieden machte, und ſahe, daß<lb/> durch den <hi rendition="#aq">luxum</hi> ſein Land ſehr herunter kommen, ſo fuhr er ſelbſt in<lb/> einer Kutſchen, da kein Strich Gold daran war, wie es der Koͤnig ein-<lb/> mahl that, ſo folgten ſie ihm alle bald nach. Die Koͤnigin in Franck-<lb/> reich <hi rendition="#aq">Maria Thereſia</hi> hat auch eine <hi rendition="#aq">probe</hi> davon abgelegt. Denn wie<lb/> der Koͤnig in Franckreich haben wollen, es ſollten die Franzoſen Zeuge<lb/> tragen, welche in Franckreich <hi rendition="#aq">fabrici</hi>ret worden, ſo konnten ſie nicht da-<lb/> zu gebracht werden, ob man gleich <hi rendition="#aq">pœnas</hi> ſatzte. Endlich ließ ſich die<lb/> Koͤnigin ein Kleid machen aus Zeuge, da ihr bald andere <hi rendition="#aq">Dames</hi> folg-<lb/> ten, und trugen hernach alle ſolche Zeuge. Wenn man auch die groſſen<lb/><hi rendition="#aq">fantangen</hi> abbringen will, ſo muß man nicht laſſen die Prediger auf der<lb/> Cantzel darauf ſchmaͤhlen, ſondern es darff die Fuͤrſtin eine kleine <hi rendition="#aq">duo-<lb/> dez fantange</hi> tragen, alsdenn werden bald andere nachfolgen. Setzet<lb/> aber die Fuͤrſtin eine groſſe <hi rendition="#aq">fantange</hi> auf, ſo iſt alles babyloniſch. <hi rendition="#aq">Exem-<lb/> plum</hi> iſt eines von denen beſten <hi rendition="#aq">legibus,</hi> welches man beym <hi rendition="#aq">Tacito</hi> und<lb/> andern <hi rendition="#aq">hiſtoricis</hi> ſehen kan. <hi rendition="#aq">Amelot</hi> hat in ſeinem <hi rendition="#aq">Tiberio</hi> gewieſen, daß<lb/> derſelbe anfangs wohl regieret, ſo, daß auch einige gemeynet, er regiere<lb/> beſſer als <hi rendition="#aq">Auguſtus,</hi> weil unter <hi rendition="#aq">Auguſto</hi> ſo ein groſſer <hi rendition="#aq">luxus</hi> geweſen, und<lb/> derſelbe ſich ſo an die Weiber gehaͤnget. Dieſer <hi rendition="#aq">Tiberius</hi> hat allen<lb/> Staat eingezogen, und ſeinen Hof <hi rendition="#aq">retranchi</hi>ret, daß es ihm alle nach-<lb/> gethan. Man hat <hi rendition="#aq">obſervi</hi>ret, daß vor <hi rendition="#aq">Franciſco I.</hi> in Franckreich eine<lb/> harte <hi rendition="#aq">diſciplin</hi> geweſen, wie aber <hi rendition="#aq">Franciſcus I.</hi> regieret, ſo ſind die <hi rendition="#aq">Dames</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">A a</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">a la</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0205]
ſtatus circa leges & judicia.
aber contra prudentiam. Die meiſten revolutiones in der Welt ſind entſtan-
den propter leges ineptas, ſonderlich propter leges, da man des Herrn
ſeinen Geitz und intereſſe wahrgenommen. Das iſt keine ſeria volun-
tas, wo avara utilitas ex illa lege hervor leuchtet. Der Herr muß ſich
ſelbſt auch nach denen Legibus accommodiren. Nach der Jurispruden-
tia heißt es: Principes legibus ſunt ſoluti, nemo ſibi ipſi obligationem
imponit. Aber der peuple glaubt nicht, daß es dem Herrn ein Ernſt
ſey, wenn der Herr ſich nicht ſelbſt darnach richtet. Wenn der Herr
ſagt: Man ſoll nicht Ehebrechen; da ſagen ſie nos multis pœnis fatigat,
und er thut ſelbſt nicht darnach. Waͤre es ihm ein Ernſt, ſo wuͤrde er
ſich accommodiren: denn wenn er meynet, daß der Ehebruch der Re-
public ſo ſchaͤdlich, quare ipſe eſt adulter: Es giebt ein ſcandalum, die
Unterthanen glauben nicht, daß es unrecht, weil es der Princeps ſelbſt
thut. Man haͤlt ihn vor intereſſirt, gleichwie ein Zuhoͤrer einen Predi-
ger vor einen fourbe haͤlt, wenn er ſiehet, daß der Prediger ſaget, man
ſoll nicht ſtehlen, und er iſt ſelbſt ein Dieb. Wenn der Fuͤrſt ſaget, es
ſoll kein luxus in der Republic ſeyn, ſo muß er ſelbſt nicht luxurieux le-
ben. Wie der Koͤnig in Franckreich Frieden machte, und ſahe, daß
durch den luxum ſein Land ſehr herunter kommen, ſo fuhr er ſelbſt in
einer Kutſchen, da kein Strich Gold daran war, wie es der Koͤnig ein-
mahl that, ſo folgten ſie ihm alle bald nach. Die Koͤnigin in Franck-
reich Maria Thereſia hat auch eine probe davon abgelegt. Denn wie
der Koͤnig in Franckreich haben wollen, es ſollten die Franzoſen Zeuge
tragen, welche in Franckreich fabriciret worden, ſo konnten ſie nicht da-
zu gebracht werden, ob man gleich pœnas ſatzte. Endlich ließ ſich die
Koͤnigin ein Kleid machen aus Zeuge, da ihr bald andere Dames folg-
ten, und trugen hernach alle ſolche Zeuge. Wenn man auch die groſſen
fantangen abbringen will, ſo muß man nicht laſſen die Prediger auf der
Cantzel darauf ſchmaͤhlen, ſondern es darff die Fuͤrſtin eine kleine duo-
dez fantange tragen, alsdenn werden bald andere nachfolgen. Setzet
aber die Fuͤrſtin eine groſſe fantange auf, ſo iſt alles babyloniſch. Exem-
plum iſt eines von denen beſten legibus, welches man beym Tacito und
andern hiſtoricis ſehen kan. Amelot hat in ſeinem Tiberio gewieſen, daß
derſelbe anfangs wohl regieret, ſo, daß auch einige gemeynet, er regiere
beſſer als Auguſtus, weil unter Auguſto ſo ein groſſer luxus geweſen, und
derſelbe ſich ſo an die Weiber gehaͤnget. Dieſer Tiberius hat allen
Staat eingezogen, und ſeinen Hof retranchiret, daß es ihm alle nach-
gethan. Man hat obſerviret, daß vor Franciſco I. in Franckreich eine
harte diſciplin geweſen, wie aber Franciſcus I. regieret, ſo ſind die Dames
a la
A a
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |