Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia will, so kan man erst die alten und neuen Republiquen ansehen, und her-nach viele practica beybringen. Das Haupt-fundament wird auch hier proponiret werden. Da man die summam potestatem nicht erkennet, nisi cum voluntatem declarat princeps, so ist lex re vera nichts anders, als vox principis. Es ist nicht nöthig daß ein Hauß-Vater ordre gie- bet, wenn er siehet, daß ohne seine ordre schon alles in acht genommen wird; au contraire es ist absurd, wenn er ihnen will vorschreiben, daß sie alle ihre devoir in acht nehmen; es ist ein Prahler, der zeigen will, was er vor Macht habe. So ist auch absurd, si princeps loquatur & leges ferat; wenn boni mores plus valent quam alibi bonae leges. Die Teutschen haben ehedessen wenig leges gehabt. Die leges können bonae seyn, und die Menschen leben doch nicht darnach; Hergegen sind es Leute so bonos mores haben, was soll man da grosse Gesetze geben? Denn wenn ein Volck keine inclination hat ad Sodomiam, ad adulterium &c. wie die Teutschen castissimi gewesen, was braucht man legem Iuliam de adulteriis welchen die Römer gehabt. Wer leges giebet, muß auf spe- cialia gehen, und vieles sagen, da dencken die Leute nach. Es ist eben, als wenn man Kindern, die nicht einmahl noch diversitatem sexus wissen, viel vorsaget von Hurerey, die werden dadurch curieux, dencken nach, und fallen hernach auf solche Sachen, daran sie sonst nicht gedacht hät- ten. Wer will harte leges geben von der Hexerey? wo man gar keine inclination dazu hat, als wie in Holland. Bayle sagt auch, es wäre gut, wenn man gar keine Hexerey geglaubet hätte: Denn da würden die Leute nicht darauf gedacht haben, wie sie möchten lernen hexen. Das menschliche Hertz ist böse von Jugend auf, und dencket immer nach. Cicero sagt in seiner Oration pro Sexto Roscio Amerino: Die Leute hät- ten nicht gemeynet, daß jemand würde so gottloß seyn, und seine Eltern umbringen, daher habe man keinen legem de parricidis gehabt, und hat Pompejus M. erst den legem parricidis gegeben. Vorher war es nicht nöthig, hergegen wenn die Leute verführet werden, daß sie von ihren gu- ten Sitten abgehen, da muß man mit denen legibus drüber her, und ih- nen malum opponere, damit sie lieber von dem bösen Leben ablassen etc. als den Staup-Besen nehmen, oder sich hängen lassen etc. Die Diebe sind in Teutschland beständig mit dem Tode gestrafft worden, weil man gesehen, daß die Teutschen zu nichts mehr incliniret, als zum Stehlen. Wer leges will geben, muß reden, daß man ihn verstehet, soll man aber die leges verstehen, so müssen dieselbe clarae, distinctae, und evidentes seyn. Obscurae leges werden ridiculae; obscura lex non est lex, obscura vox, non est vox juridice, es muß derselbe evident gemachet werden, und wenn der
Cap. V. De prudentia will, ſo kan man erſt die alten und neuen Republiquen anſehen, und her-nach viele practica beybringen. Das Haupt-fundament wird auch hier proponiret werden. Da man die ſummam poteſtatem nicht erkennet, niſi cum voluntatem declarat princeps, ſo iſt lex re vera nichts anders, als vox principis. Es iſt nicht noͤthig daß ein Hauß-Vater ordre gie- bet, wenn er ſiehet, daß ohne ſeine ordre ſchon alles in acht genommen wird; au contraire es iſt abſurd, wenn er ihnen will vorſchreiben, daß ſie alle ihre devoir in acht nehmen; es iſt ein Prahler, der zeigen will, was er vor Macht habe. So iſt auch abſurd, ſi princeps loquatur & leges ferat; wenn boni mores plus valent quam alibi bonæ leges. Die Teutſchen haben ehedeſſen wenig leges gehabt. Die leges koͤnnen bonæ ſeyn, und die Menſchen leben doch nicht darnach; Hergegen ſind es Leute ſo bonos mores haben, was ſoll man da groſſe Geſetze geben? Denn wenn ein Volck keine inclination hat ad Sodomiam, ad adulterium &c. wie die Teutſchen caſtisſimi geweſen, was braucht man legem Iuliam de adulteriis welchen die Roͤmer gehabt. Wer leges giebet, muß auf ſpe- cialia gehen, und vieles ſagen, da dencken die Leute nach. Es iſt eben, als wenn man Kindern, die nicht einmahl noch diverſitatem ſexus wiſſen, viel vorſaget von Hurerey, die werden dadurch curieux, dencken nach, und fallen hernach auf ſolche Sachen, daran ſie ſonſt nicht gedacht haͤt- ten. Wer will harte leges geben von der Hexerey? wo man gar keine inclination dazu hat, als wie in Holland. Bayle ſagt auch, es waͤre gut, wenn man gar keine Hexerey geglaubet haͤtte: Denn da wuͤrden die Leute nicht darauf gedacht haben, wie ſie moͤchten lernen hexen. Das menſchliche Hertz iſt boͤſe von Jugend auf, und dencket immer nach. Cicero ſagt in ſeiner Oration pro Sexto Roſcio Amerino: Die Leute haͤt- ten nicht gemeynet, daß jemand wuͤrde ſo gottloß ſeyn, und ſeine Eltern umbringen, daher habe man keinen legem de parricidis gehabt, und hat Pompejus M. erſt den legem parricidis gegeben. Vorher war es nicht noͤthig, hergegen wenn die Leute verfuͤhret werden, daß ſie von ihren gu- ten Sitten abgehen, da muß man mit denen legibus druͤber her, und ih- nen malum opponere, damit ſie lieber von dem boͤſen Leben ablaſſen ꝛc. als den Staup-Beſen nehmen, oder ſich haͤngen laſſen ꝛc. Die Diebe ſind in Teutſchland beſtaͤndig mit dem Tode geſtrafft worden, weil man geſehen, daß die Teutſchen zu nichts mehr incliniret, als zum Stehlen. Wer leges will geben, muß reden, daß man ihn verſtehet, ſoll man aber die leges verſtehen, ſo muͤſſen dieſelbe claræ, diſtinctæ, und evidentes ſeyn. Obſcuræ leges werden ridiculæ; obſcura lex non eſt lex, obſcura vox, non eſt vox juridice, es muß derſelbe evident gemachet werden, und wenn der
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Cap. V. De prudentia
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nach viele practica beybringen. Das Haupt-fundament wird auch hier
proponiret werden. Da man die ſummam poteſtatem nicht erkennet,
niſi cum voluntatem declarat princeps, ſo iſt lex re vera nichts anders,
als vox principis. Es iſt nicht noͤthig daß ein Hauß-Vater ordre gie-
bet, wenn er ſiehet, daß ohne ſeine ordre ſchon alles in acht genommen
wird; au contraire es iſt abſurd, wenn er ihnen will vorſchreiben, daß
ſie alle ihre devoir in acht nehmen; es iſt ein Prahler, der zeigen will,
was er vor Macht habe. So iſt auch abſurd, ſi princeps loquatur &
leges ferat; wenn boni mores plus valent quam alibi bonæ leges. Die
Teutſchen haben ehedeſſen wenig leges gehabt. Die leges koͤnnen bonæ
ſeyn, und die Menſchen leben doch nicht darnach; Hergegen ſind es
Leute ſo bonos mores haben, was ſoll man da groſſe Geſetze geben? Denn
wenn ein Volck keine inclination hat ad Sodomiam, ad adulterium &c.
wie die Teutſchen caſtisſimi geweſen, was braucht man legem Iuliam de
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als wenn man Kindern, die nicht einmahl noch diverſitatem ſexus wiſſen,
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und fallen hernach auf ſolche Sachen, daran ſie ſonſt nicht gedacht haͤt-
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die Leute nicht darauf gedacht haben, wie ſie moͤchten lernen hexen. Das
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Cicero ſagt in ſeiner Oration pro Sexto Roſcio Amerino: Die Leute haͤt-
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Pompejus M. erſt den legem parricidis gegeben. Vorher war es nicht
noͤthig, hergegen wenn die Leute verfuͤhret werden, daß ſie von ihren gu-
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nen malum opponere, damit ſie lieber von dem boͤſen Leben ablaſſen ꝛc.
als den Staup-Beſen nehmen, oder ſich haͤngen laſſen ꝛc. Die Diebe
ſind in Teutſchland beſtaͤndig mit dem Tode geſtrafft worden, weil man
geſehen, daß die Teutſchen zu nichts mehr incliniret, als zum Stehlen.
Wer leges will geben, muß reden, daß man ihn verſtehet, ſoll man aber
die leges verſtehen, ſo muͤſſen dieſelbe claræ, diſtinctæ, und evidentes ſeyn.
Obſcuræ leges werden ridiculæ; obſcura lex non eſt lex, obſcura vox,
non eſt vox juridice, es muß derſelbe evident gemachet werden, und wenn
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