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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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statum reipublicae conservandi in genere.
schrecklich von allen zu sagen, sie wären unsere Feinde, und wir lebenbenachbarten
Staaten ver-
anlasset wer-
den.

mit einander als Brüder. Allein, warum hält man Soldaten, die be-
ständig müssen wachen? daher entstehet die Frage: wie ich mich vor de-
nen vicinis kan in acht nehmen, und wie kan ich mich vor denenselben
schützen? dieses ist ein generale, welches man wissen muß in Monarchia.
Aristocratia, Democratia
und in statu irregulari. Mein principium, wel-
ches auch schon im Tacito stehet, ist: Obviandum est metui crescentis
potentiae.
Der Autor gestehet auch selbst, man hätte potentiam crescen-
tem
zu fürchten. Darum habe ich eine Dissertation in Gundlingianis
gemacht, ob man wegen anwachsender Macht derer Nachbarn könne den
Degen ziehen? da ich die Dissertation de statu Hobbesiano ex jure Civ.
defenso
geschrieben, so habe ich schon hinten einen paragraphum hievon
mit angehängt, und den Grotium refutirt, welcher gemeynet: metus
crescentis potentiae
sey nicht causa belli. Gribner aber hat in seinem
Jure Nat. gemeynet, er dissentire doch noch von mir, daher habe ich es
in einer eigenen Dissertation ausgeführet. Man siehet es auch in praxi
so. Denn als der König in Franckreich Spanien verschlingen wollte,
so declarirten ihm die Holländer den Krieg, liessen ein manifest drucken,
und setzten darinnen: daß metus crescentis potentiae sie veranlasset, denn
er hätte sie hernach auch gefressen, da braucht man keine Umschweiffe
zu machen, und zu sagen, man sollte nur suchen die potentiam zu schwä-
chen, daß man offensiv- und defensiv-Alliancen mache, oder andere ihm
auf den Hals hetze. Das ist meine intention nicht, daß einer könnte
ob quam cunque causam einen Krieg anfangen. Es wird keine propor-
tio arithmetica
in der Welt seyn, aber man siehet doch, die schwächer
sind, werden von andern soutenirt, man sucht eine balance zu erhalten.
Der König in Dännemarck ist nicht so starck als der Czaar, aber man
läst ihn doch nicht unterdrucken. Unser Teutschland wäre längstens
verlohren gegangen, wenn nicht andere Potenzen gewesen/ welche gese-
hen, daß wenn Teutschland verlohren gienge, würden sie auch dran müs-
sen. Aber dieses ist meine Sache, wenn man sagt: Es ist ohnedem ein
unruhig Reich, und es bekommt einem grossen Anwachs, da muß man
nicht stille sitzen, und wenn einer einem rathet, er solle nichts anfangen,
das ist ein elender Politicus. Wird hier ein Fehler gemacht, so ist es
aus, ich bin ein Sclav, und kan es nicht redressiret werden. Also kan
man nicht das tempo vorbey lassen; Man kan nicht geschehen lassen,
daß Dännemarck übern Hauffen gehet. Wie Carl Gustav vor Cop-
penhagen stund, so hat der Churfürst Friedrich VVilhelm denen Hollän-
dern sehr angelegen auf die Schweden los zu gehen, welches sie auch ge-

than:
Y 2

ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
ſchrecklich von allen zu ſagen, ſie waͤren unſere Feinde, und wir lebenbenachbarten
Staaten ver-
anlaſſet wer-
den.

mit einander als Bruͤder. Allein, warum haͤlt man Soldaten, die be-
ſtaͤndig muͤſſen wachen? daher entſtehet die Frage: wie ich mich vor de-
nen vicinis kan in acht nehmen, und wie kan ich mich vor denenſelben
ſchuͤtzen? dieſes iſt ein generale, welches man wiſſen muß in Monarchia.
Ariſtocratia, Democratia
und in ſtatu irregulari. Mein principium, wel-
ches auch ſchon im Tacito ſtehet, iſt: Obviandum eſt metui creſcentis
potentiæ.
Der Autor geſtehet auch ſelbſt, man haͤtte potentiam creſcen-
tem
zu fuͤrchten. Darum habe ich eine Diſſertation in Gundlingianis
gemacht, ob man wegen anwachſender Macht derer Nachbarn koͤnne den
Degen ziehen? da ich die Diſſertation de ſtatu Hobbeſiano ex jure Civ.
defenſo
geſchrieben, ſo habe ich ſchon hinten einen paragraphum hievon
mit angehaͤngt, und den Grotium refutirt, welcher gemeynet: metus
creſcentis potentiæ
ſey nicht cauſa belli. Gribner aber hat in ſeinem
Jure Nat. gemeynet, er diſſentire doch noch von mir, daher habe ich es
in einer eigenen Diſſertation ausgefuͤhret. Man ſiehet es auch in praxi
ſo. Denn als der Koͤnig in Franckreich Spanien verſchlingen wollte,
ſo declarirten ihm die Hollaͤnder den Krieg, lieſſen ein manifeſt drucken,
und ſetzten darinnen: daß metus creſcentis potentiæ ſie veranlaſſet, denn
er haͤtte ſie hernach auch gefreſſen, da braucht man keine Umſchweiffe
zu machen, und zu ſagen, man ſollte nur ſuchen die potentiam zu ſchwaͤ-
chen, daß man offenſiv- und defenſiv-Alliancen mache, oder andere ihm
auf den Hals hetze. Das iſt meine intention nicht, daß einer koͤnnte
ob quam cunque cauſam einen Krieg anfangen. Es wird keine propor-
tio arithmetica
in der Welt ſeyn, aber man ſiehet doch, die ſchwaͤcher
ſind, werden von andern ſoutenirt, man ſucht eine balance zu erhalten.
Der Koͤnig in Daͤnnemarck iſt nicht ſo ſtarck als der Czaar, aber man
laͤſt ihn doch nicht unterdrucken. Unſer Teutſchland waͤre laͤngſtens
verlohren gegangen, wenn nicht andere Potenzen geweſen/ welche geſe-
hen, daß wenn Teutſchland verlohren gienge, wuͤrden ſie auch dran muͤſ-
ſen. Aber dieſes iſt meine Sache, wenn man ſagt: Es iſt ohnedem ein
unruhig Reich, und es bekommt einem groſſen Anwachs, da muß man
nicht ſtille ſitzen, und wenn einer einem rathet, er ſolle nichts anfangen,
das iſt ein elender Politicus. Wird hier ein Fehler gemacht, ſo iſt es
aus, ich bin ein Sclav, und kan es nicht redreſſiret werden. Alſo kan
man nicht das tempo vorbey laſſen; Man kan nicht geſchehen laſſen,
daß Daͤnnemarck uͤbern Hauffen gehet. Wie Carl Guſtav vor Cop-
penhagen ſtund, ſo hat der Churfuͤrſt Friedrich VVilhelm denen Hollaͤn-
dern ſehr angelegen auf die Schweden los zu gehen, welches ſie auch ge-

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[171/0191] ſtatum reipublicæ conſervandi in genere. ſchrecklich von allen zu ſagen, ſie waͤren unſere Feinde, und wir leben mit einander als Bruͤder. Allein, warum haͤlt man Soldaten, die be- ſtaͤndig muͤſſen wachen? daher entſtehet die Frage: wie ich mich vor de- nen vicinis kan in acht nehmen, und wie kan ich mich vor denenſelben ſchuͤtzen? dieſes iſt ein generale, welches man wiſſen muß in Monarchia. Ariſtocratia, Democratia und in ſtatu irregulari. Mein principium, wel- ches auch ſchon im Tacito ſtehet, iſt: Obviandum eſt metui creſcentis potentiæ. Der Autor geſtehet auch ſelbſt, man haͤtte potentiam creſcen- tem zu fuͤrchten. Darum habe ich eine Diſſertation in Gundlingianis gemacht, ob man wegen anwachſender Macht derer Nachbarn koͤnne den Degen ziehen? da ich die Diſſertation de ſtatu Hobbeſiano ex jure Civ. defenſo geſchrieben, ſo habe ich ſchon hinten einen paragraphum hievon mit angehaͤngt, und den Grotium refutirt, welcher gemeynet: metus creſcentis potentiæ ſey nicht cauſa belli. Gribner aber hat in ſeinem Jure Nat. gemeynet, er diſſentire doch noch von mir, daher habe ich es in einer eigenen Diſſertation ausgefuͤhret. Man ſiehet es auch in praxi ſo. Denn als der Koͤnig in Franckreich Spanien verſchlingen wollte, ſo declarirten ihm die Hollaͤnder den Krieg, lieſſen ein manifeſt drucken, und ſetzten darinnen: daß metus creſcentis potentiæ ſie veranlaſſet, denn er haͤtte ſie hernach auch gefreſſen, da braucht man keine Umſchweiffe zu machen, und zu ſagen, man ſollte nur ſuchen die potentiam zu ſchwaͤ- chen, daß man offenſiv- und defenſiv-Alliancen mache, oder andere ihm auf den Hals hetze. Das iſt meine intention nicht, daß einer koͤnnte ob quam cunque cauſam einen Krieg anfangen. Es wird keine propor- tio arithmetica in der Welt ſeyn, aber man ſiehet doch, die ſchwaͤcher ſind, werden von andern ſoutenirt, man ſucht eine balance zu erhalten. Der Koͤnig in Daͤnnemarck iſt nicht ſo ſtarck als der Czaar, aber man laͤſt ihn doch nicht unterdrucken. Unſer Teutſchland waͤre laͤngſtens verlohren gegangen, wenn nicht andere Potenzen geweſen/ welche geſe- hen, daß wenn Teutſchland verlohren gienge, wuͤrden ſie auch dran muͤſ- ſen. Aber dieſes iſt meine Sache, wenn man ſagt: Es iſt ohnedem ein unruhig Reich, und es bekommt einem groſſen Anwachs, da muß man nicht ſtille ſitzen, und wenn einer einem rathet, er ſolle nichts anfangen, das iſt ein elender Politicus. Wird hier ein Fehler gemacht, ſo iſt es aus, ich bin ein Sclav, und kan es nicht redreſſiret werden. Alſo kan man nicht das tempo vorbey laſſen; Man kan nicht geſchehen laſſen, daß Daͤnnemarck uͤbern Hauffen gehet. Wie Carl Guſtav vor Cop- penhagen ſtund, ſo hat der Churfuͤrſt Friedrich VVilhelm denen Hollaͤn- dern ſehr angelegen auf die Schweden los zu gehen, welches ſie auch ge- than: benachbarten Staaten ver- anlaſſet wer- den. Y 2

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/191>, abgerufen am 24.11.2024.