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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De prudentia status oeconomici.
Leute brauchen ein recht deutliches Buch; denn wenn sie allezeit erst sollen
den Advocaten fragen, so kostet es ihnen Geld.

§. 9. Wer sein Hauß will conserviren, muß noch auf varia se-Was bey der
Wirthschafft
auf die Um-
stände des
Orths, der
Zeit etc. an-
komme?

hen, auf tempus und auf locum muß einer wohl acht geben. Man-
cher will sich ernehren, legt eine Handlung an, aber an einem solchen
Ort, da die Handlung nicht floriren kan, und kan er auch alsdenn nicht
reussiren. Wer will doch wohl eine grosse Kauffmannschafft anrichten
zu Löbegin oder Wettin, da sind andere loca, wo man sich hinwenden
muß. Es kan einer freylich an einem solchen Orte wohnen und negotii-
ren, aber er hat daselbst keinen offenen Laden, sondern er läst die Waa-
ren an solche Oerter gehen, wo Märckte sind, und siehet man an dem
Ort, wo sie wohnen, nicht, daß es grosse Handwercks-Leute sind. Der
würde also sehr absurd handeln, wenn er an einem solchen Orte wollte
ein grosses Gewölbe haben. Es ist eben, als wenn einer einen schönen
Gast-Hoff bauen wollte an einem solchen Orte, wo keine passage wäre.
Tempus ist auch eines von denen grösten Sachen, wenn einer seine for-
tun
will machen im Krieg, oder auf eine andere Weise, da heist es: post
haec occasio calva
. Also ist absurd, wenn ich will einen Dienst haben,
und ist keiner offen, oder ich bin nicht vigilant, wenn ein Dienst offen ist;
so ist es eben auch beschaffen, wenn alles überhäufft ist von Handel und
Gewerbe, und es will sich doch einer da setzen. Er muß das tempus
recht in acht nehmen. e. g. Es ist etwann eine Pest gewesen, da viele
weg gestorben, oder es ist Krieg gewesen, oder es ist eine neue Stadt ge-
wesen, alsdenn ist Gelegenheit da, daß einer kan einrucken. Hergegen
ist schon alles besetzt, und ich will mich da setzen, so werde ich beneidet
von andern, und suchen sie mich zu ruiniren. Ein Haußwirth, der ein
Landmann ist, muß auch da die Zeit wohl in acht nehmen, wenn man
pflegt die Bäume zu beschneiden etc. Es ist sehr gut, wenn man sich
darinnen recht informiret. Auch bey dem loco muß man sich einen Un-
terscheid machen, daß man siehet, was dahin kan gesäet werden etc. e. g.
Hier hat man das Weitzen-Brod, im Reich aber hat man Dünckel,
welches grosse Körner, und schickt sich nicht zu dem Lande allhier, weil
dieses sehr leimigt, ausser an einigen Orten gehet es an, wo es abhängig
und allezeit feucht ist. Wenn einer ein schön Guth hat, und ein anderer
ein mittelmäßig Guth, dieser hat Verstand, so wird er sein Guth besser nu-
tzen können, als der andere sein schön Guth. Mit einem Garten ist es
eben so, wenn einer einen grossen Garten hat, nimmt aber die Zeit nicht in
acht, so wird er nicht soviel ausrichten, als einer, der einen kleinen Garten
hat, und alles genau observiret.

§. 10. 11. 12.
U 2

De prudentia ſtatus œconomici.
Leute brauchen ein recht deutliches Buch; denn wenn ſie allezeit erſt ſollen
den Advocaten fragen, ſo koſtet es ihnen Geld.

§. 9. Wer ſein Hauß will conſerviren, muß noch auf varia ſe-Was bey der
Wirthſchafft
auf die Um-
ſtaͤnde des
Orths, der
Zeit ꝛc. an-
komme?

hen, auf tempus und auf locum muß einer wohl acht geben. Man-
cher will ſich ernehren, legt eine Handlung an, aber an einem ſolchen
Ort, da die Handlung nicht floriren kan, und kan er auch alsdenn nicht
reuſſiren. Wer will doch wohl eine groſſe Kauffmannſchafft anrichten
zu Loͤbegin oder Wettin, da ſind andere loca, wo man ſich hinwenden
muß. Es kan einer freylich an einem ſolchen Orte wohnen und negotii-
ren, aber er hat daſelbſt keinen offenen Laden, ſondern er laͤſt die Waa-
ren an ſolche Oerter gehen, wo Maͤrckte ſind, und ſiehet man an dem
Ort, wo ſie wohnen, nicht, daß es groſſe Handwercks-Leute ſind. Der
wuͤrde alſo ſehr abſurd handeln, wenn er an einem ſolchen Orte wollte
ein groſſes Gewoͤlbe haben. Es iſt eben, als wenn einer einen ſchoͤnen
Gaſt-Hoff bauen wollte an einem ſolchen Orte, wo keine paſſage waͤre.
Tempus iſt auch eines von denen groͤſten Sachen, wenn einer ſeine for-
tun
will machen im Krieg, oder auf eine andere Weiſe, da heiſt es: poſt
hæc occaſio calva
. Alſo iſt abſurd, wenn ich will einen Dienſt haben,
und iſt keiner offen, oder ich bin nicht vigilant, wenn ein Dienſt offen iſt;
ſo iſt es eben auch beſchaffen, wenn alles uͤberhaͤufft iſt von Handel und
Gewerbe, und es will ſich doch einer da ſetzen. Er muß das tempus
recht in acht nehmen. e. g. Es iſt etwann eine Peſt geweſen, da viele
weg geſtorben, oder es iſt Krieg geweſen, oder es iſt eine neue Stadt ge-
weſen, alsdenn iſt Gelegenheit da, daß einer kan einrucken. Hergegen
iſt ſchon alles beſetzt, und ich will mich da ſetzen, ſo werde ich beneidet
von andern, und ſuchen ſie mich zu ruiniren. Ein Haußwirth, der ein
Landmann iſt, muß auch da die Zeit wohl in acht nehmen, wenn man
pflegt die Baͤume zu beſchneiden ꝛc. Es iſt ſehr gut, wenn man ſich
darinnen recht informiret. Auch bey dem loco muß man ſich einen Un-
terſcheid machen, daß man ſiehet, was dahin kan geſaͤet werden ꝛc. e. g.
Hier hat man das Weitzen-Brod, im Reich aber hat man Duͤnckel,
welches groſſe Koͤrner, und ſchickt ſich nicht zu dem Lande allhier, weil
dieſes ſehr leimigt, auſſer an einigen Orten gehet es an, wo es abhaͤngig
und allezeit feucht iſt. Wenn einer ein ſchoͤn Guth hat, und ein anderer
ein mittelmaͤßig Guth, dieſer hat Verſtand, ſo wird er ſein Guth beſſer nu-
tzen koͤnnen, als der andere ſein ſchoͤn Guth. Mit einem Garten iſt es
eben ſo, wenn einer einen groſſen Garten hat, nimmt aber die Zeit nicht in
acht, ſo wird er nicht ſoviel ausrichten, als einer, der einen kleinen Garten
hat, und alles genau obſerviret.

§. 10. 11. 12.
U 2
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[155/0175] De prudentia ſtatus œconomici. Leute brauchen ein recht deutliches Buch; denn wenn ſie allezeit erſt ſollen den Advocaten fragen, ſo koſtet es ihnen Geld. §. 9. Wer ſein Hauß will conſerviren, muß noch auf varia ſe- hen, auf tempus und auf locum muß einer wohl acht geben. Man- cher will ſich ernehren, legt eine Handlung an, aber an einem ſolchen Ort, da die Handlung nicht floriren kan, und kan er auch alsdenn nicht reuſſiren. Wer will doch wohl eine groſſe Kauffmannſchafft anrichten zu Loͤbegin oder Wettin, da ſind andere loca, wo man ſich hinwenden muß. Es kan einer freylich an einem ſolchen Orte wohnen und negotii- ren, aber er hat daſelbſt keinen offenen Laden, ſondern er laͤſt die Waa- ren an ſolche Oerter gehen, wo Maͤrckte ſind, und ſiehet man an dem Ort, wo ſie wohnen, nicht, daß es groſſe Handwercks-Leute ſind. Der wuͤrde alſo ſehr abſurd handeln, wenn er an einem ſolchen Orte wollte ein groſſes Gewoͤlbe haben. Es iſt eben, als wenn einer einen ſchoͤnen Gaſt-Hoff bauen wollte an einem ſolchen Orte, wo keine paſſage waͤre. Tempus iſt auch eines von denen groͤſten Sachen, wenn einer ſeine for- tun will machen im Krieg, oder auf eine andere Weiſe, da heiſt es: poſt hæc occaſio calva. Alſo iſt abſurd, wenn ich will einen Dienſt haben, und iſt keiner offen, oder ich bin nicht vigilant, wenn ein Dienſt offen iſt; ſo iſt es eben auch beſchaffen, wenn alles uͤberhaͤufft iſt von Handel und Gewerbe, und es will ſich doch einer da ſetzen. Er muß das tempus recht in acht nehmen. e. g. Es iſt etwann eine Peſt geweſen, da viele weg geſtorben, oder es iſt Krieg geweſen, oder es iſt eine neue Stadt ge- weſen, alsdenn iſt Gelegenheit da, daß einer kan einrucken. Hergegen iſt ſchon alles beſetzt, und ich will mich da ſetzen, ſo werde ich beneidet von andern, und ſuchen ſie mich zu ruiniren. Ein Haußwirth, der ein Landmann iſt, muß auch da die Zeit wohl in acht nehmen, wenn man pflegt die Baͤume zu beſchneiden ꝛc. Es iſt ſehr gut, wenn man ſich darinnen recht informiret. Auch bey dem loco muß man ſich einen Un- terſcheid machen, daß man ſiehet, was dahin kan geſaͤet werden ꝛc. e. g. Hier hat man das Weitzen-Brod, im Reich aber hat man Duͤnckel, welches groſſe Koͤrner, und ſchickt ſich nicht zu dem Lande allhier, weil dieſes ſehr leimigt, auſſer an einigen Orten gehet es an, wo es abhaͤngig und allezeit feucht iſt. Wenn einer ein ſchoͤn Guth hat, und ein anderer ein mittelmaͤßig Guth, dieſer hat Verſtand, ſo wird er ſein Guth beſſer nu- tzen koͤnnen, als der andere ſein ſchoͤn Guth. Mit einem Garten iſt es eben ſo, wenn einer einen groſſen Garten hat, nimmt aber die Zeit nicht in acht, ſo wird er nicht ſoviel ausrichten, als einer, der einen kleinen Garten hat, und alles genau obſerviret. Was bey der Wirthſchafft auf die Um- ſtaͤnde des Orths, der Zeit ꝛc. an- komme? §. 10. 11. 12. U 2

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/175>, abgerufen am 24.11.2024.