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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V.
dere Falten ziehen, ich muß mich traurig stellen, weil derjenige, welchen
ich besuche, sich zum Tode praepariret, ich muß lauter severa reden, und
suche ich ihn entweder zu trösten, oder ich will Abschied von ihm nehmen.
Hergegen ist einer unter Gesunden, wer wird praetendiren, daß man al-
lezeit solle seria reden. Daher ist kein Zweiffel, daß Schertzen erlaubet,
wenn man unter guten Freunden ist. Wer allen Schertz will aus der
Welt hinausjagen, der ist nicht anders als der, so kein Saltz will auf
dem Tische leiden. Der Schertz bestehet in ingenieusen Ausdrückun-
gen, welche sich alle in similia resolviren, ein solcher Mensch ist geschickt,
prompt, wie man denn findet, daß alle ingenieuse Leute prompt sind,
welche wissen alles dasjenige, was sie gelernet, und gelesen, geschickt zu-
sammen zu hengen. Was kan also wohl der Schertz vor Unfug an-
richten, wenn man was ingenieux imprimiret, und zugleich galant, daß
keine Sau-faute mit unterläufft. Viele können den Schertz nicht lei-
den, das sind homines tristes, Melancholici, welche kein ingenium ha-
ben, und alles so frey heraus sagen; aber sie müssen sich offt selbst wun-
dern, über die artigen Einfälle, so andere haben, und doch sind sie allen
Schertz feind, Man muß auch nicht allezeit schertzen vor Leuten, wel-
che ambitieux sind: Denn sie meynen ihr respect werde laediret, wenn
die andern sich so lustig aufführen, daher muß sich einer der lustig ist, bey
vornehmen Leuten wohl in acht nehmen, sonst wird er sich durch seinen
aufgemunterten Geist mehr disrecommendiren, als recommendiren; Es
wäre denn, daß die vornehmen Leute sich ein wenig relachirten, alsdenn
gienge es eher an. Bey dem Schertz findet sich auch eine raillerie, eine
raillerie attaquiret, die ist nicht angenehm. Ja wenn ich inferiores vor
mir habe, die können etwas vertragen, und machen eine reverence, wenn
sie railliret werden. Daher pflegen offt grosse Herren solche zu railliren/
und haben ihr plaisir daran, damit sie hören, was solche antworten;
aber wer die Grossen attaquiret, der macht sich unglücklich, denn es sind
wenige, welche solches vertragen können, und dem Louis XI. und Caro-
lo IX.
in Franckreich gleich kommen. Denn Carolus IX. hat leiden kön-
nen, daß ihn der Poet, Pierre Ronsard, öffentlich in compagnie railliret,
hundert findet man, welche nicht so gesinnet sind, und hat mancher Mensch
seine fortun dadurch ruiniret. Wenn einer gleich Fehler an seinen Herrn
siehet, so muß er thun, als wenn er tumm, taub, und blind wäre. Noch
närrischer ist, wenn einer einen öffentlich in Schrifften railliret, als wie
es der Rabutin de Bussy dem Louis XIV. gemacht, weßwegen ihn der
König zu sich ruffen ließ, zeigte ihn eine passage, und fragte: ob er nicht
damit auf ihn geziehlt? wie er nun solches mit Ja beantwortet, so ver-

lohr

Cap. V.
dere Falten ziehen, ich muß mich traurig ſtellen, weil derjenige, welchen
ich beſuche, ſich zum Tode præpariret, ich muß lauter ſevera reden, und
ſuche ich ihn entweder zu troͤſten, oder ich will Abſchied von ihm nehmen.
Hergegen iſt einer unter Geſunden, wer wird prætendiren, daß man al-
lezeit ſolle ſeria reden. Daher iſt kein Zweiffel, daß Schertzen erlaubet,
wenn man unter guten Freunden iſt. Wer allen Schertz will aus der
Welt hinausjagen, der iſt nicht anders als der, ſo kein Saltz will auf
dem Tiſche leiden. Der Schertz beſtehet in ingenieuſen Ausdruͤckun-
gen, welche ſich alle in ſimilia reſolviren, ein ſolcher Menſch iſt geſchickt,
prompt, wie man denn findet, daß alle ingenieuſe Leute prompt ſind,
welche wiſſen alles dasjenige, was ſie gelernet, und geleſen, geſchickt zu-
ſammen zu hengen. Was kan alſo wohl der Schertz vor Unfug an-
richten, wenn man was ingenieux imprimiret, und zugleich galant, daß
keine Sau-faute mit unterlaͤufft. Viele koͤnnen den Schertz nicht lei-
den, das ſind homines triſtes, Melancholici, welche kein ingenium ha-
ben, und alles ſo frey heraus ſagen; aber ſie muͤſſen ſich offt ſelbſt wun-
dern, uͤber die artigen Einfaͤlle, ſo andere haben, und doch ſind ſie allen
Schertz feind, Man muß auch nicht allezeit ſchertzen vor Leuten, wel-
che ambitieux ſind: Denn ſie meynen ihr reſpect werde lædiret, wenn
die andern ſich ſo luſtig auffuͤhren, daher muß ſich einer der luſtig iſt, bey
vornehmen Leuten wohl in acht nehmen, ſonſt wird er ſich durch ſeinen
aufgemunterten Geiſt mehr diſrecommendiren, als recommendiren; Es
waͤre denn, daß die vornehmen Leute ſich ein wenig relachirten, alsdenn
gienge es eher an. Bey dem Schertz findet ſich auch eine raillerie, eine
raillerie attaquiret, die iſt nicht angenehm. Ja wenn ich inferiores vor
mir habe, die koͤnnen etwas vertragen, und machen eine reverence, wenn
ſie railliret werden. Daher pflegen offt groſſe Herren ſolche zu railliren/
und haben ihr plaiſir daran, damit ſie hoͤren, was ſolche antworten;
aber wer die Groſſen attaquiret, der macht ſich ungluͤcklich, denn es ſind
wenige, welche ſolches vertragen koͤnnen, und dem Louis XI. und Caro-
lo IX.
in Franckreich gleich kommen. Denn Carolus IX. hat leiden koͤn-
nen, daß ihn der Poet, Pierre Ronſard, oͤffentlich in compagnie railliret,
hundert findet man, welche nicht ſo geſinnet ſind, und hat mancher Menſch
ſeine fortun dadurch ruiniret. Wenn einer gleich Fehler an ſeinen Herrn
ſiehet, ſo muß er thun, als wenn er tumm, taub, und blind waͤre. Noch
naͤrriſcher iſt, wenn einer einen oͤffentlich in Schrifften railliret, als wie
es der Rabutin de Buſſy dem Louis XIV. gemacht, weßwegen ihn der
Koͤnig zu ſich ruffen ließ, zeigte ihn eine paſſage, und fragte: ob er nicht
damit auf ihn geziehlt? wie er nun ſolches mit Ja beantwortet, ſo ver-

lohr
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[130/0150] Cap. V. dere Falten ziehen, ich muß mich traurig ſtellen, weil derjenige, welchen ich beſuche, ſich zum Tode præpariret, ich muß lauter ſevera reden, und ſuche ich ihn entweder zu troͤſten, oder ich will Abſchied von ihm nehmen. Hergegen iſt einer unter Geſunden, wer wird prætendiren, daß man al- lezeit ſolle ſeria reden. Daher iſt kein Zweiffel, daß Schertzen erlaubet, wenn man unter guten Freunden iſt. Wer allen Schertz will aus der Welt hinausjagen, der iſt nicht anders als der, ſo kein Saltz will auf dem Tiſche leiden. Der Schertz beſtehet in ingenieuſen Ausdruͤckun- gen, welche ſich alle in ſimilia reſolviren, ein ſolcher Menſch iſt geſchickt, prompt, wie man denn findet, daß alle ingenieuſe Leute prompt ſind, welche wiſſen alles dasjenige, was ſie gelernet, und geleſen, geſchickt zu- ſammen zu hengen. Was kan alſo wohl der Schertz vor Unfug an- richten, wenn man was ingenieux imprimiret, und zugleich galant, daß keine Sau-faute mit unterlaͤufft. Viele koͤnnen den Schertz nicht lei- den, das ſind homines triſtes, Melancholici, welche kein ingenium ha- ben, und alles ſo frey heraus ſagen; aber ſie muͤſſen ſich offt ſelbſt wun- dern, uͤber die artigen Einfaͤlle, ſo andere haben, und doch ſind ſie allen Schertz feind, Man muß auch nicht allezeit ſchertzen vor Leuten, wel- che ambitieux ſind: Denn ſie meynen ihr reſpect werde lædiret, wenn die andern ſich ſo luſtig auffuͤhren, daher muß ſich einer der luſtig iſt, bey vornehmen Leuten wohl in acht nehmen, ſonſt wird er ſich durch ſeinen aufgemunterten Geiſt mehr diſrecommendiren, als recommendiren; Es waͤre denn, daß die vornehmen Leute ſich ein wenig relachirten, alsdenn gienge es eher an. Bey dem Schertz findet ſich auch eine raillerie, eine raillerie attaquiret, die iſt nicht angenehm. Ja wenn ich inferiores vor mir habe, die koͤnnen etwas vertragen, und machen eine reverence, wenn ſie railliret werden. Daher pflegen offt groſſe Herren ſolche zu railliren/ und haben ihr plaiſir daran, damit ſie hoͤren, was ſolche antworten; aber wer die Groſſen attaquiret, der macht ſich ungluͤcklich, denn es ſind wenige, welche ſolches vertragen koͤnnen, und dem Louis XI. und Caro- lo IX. in Franckreich gleich kommen. Denn Carolus IX. hat leiden koͤn- nen, daß ihn der Poet, Pierre Ronſard, oͤffentlich in compagnie railliret, hundert findet man, welche nicht ſo geſinnet ſind, und hat mancher Menſch ſeine fortun dadurch ruiniret. Wenn einer gleich Fehler an ſeinen Herrn ſiehet, ſo muß er thun, als wenn er tumm, taub, und blind waͤre. Noch naͤrriſcher iſt, wenn einer einen oͤffentlich in Schrifften railliret, als wie es der Rabutin de Buſſy dem Louis XIV. gemacht, weßwegen ihn der Koͤnig zu ſich ruffen ließ, zeigte ihn eine paſſage, und fragte: ob er nicht damit auf ihn geziehlt? wie er nun ſolches mit Ja beantwortet, ſo ver- lohr

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/150>, abgerufen am 24.11.2024.