Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De Mediis statum conservandi. müssen ins Closter gehen, daher nennet man es auch vitam contempla-tivam, und wenn man von denen Alten lieset, daß sie ad vitam contem- plativam condemniret worden, wie es dem Thassiloni, Hertzogen in Bayern, ergangen, so ist es nicht anders, als daß sie ins Closter gehen müssen. Es ist besser, daß wir homines pragmatici sind, und mit einander con- versiren. Die Absonderung ist nur ein remedium, wenn alles corrum- pirt. Der Petre Lamy in seiner Theologie Morale sagt auch, es sey kein ordinarium, allein zu seyn, sondern extraordinarium. Extra ordinem geschiehet es, daß es heist solus agas cum solo donec transcat corruptio. Man muß in der Welt nur in conversation seyn. Also ist einem jeden Menschen gesagt: loquere ut te videam: Denn wenn einer in conversa- tion ist, und nicht redet, den reprochiret man. Ich habe eine Person gesehen, welche sieben Stunden in compagnic gesessen, und konnte nie- mand sagen, daß er ein Wort von ihm gehöret, als wenn eine Gesund- heit getruncken worden, so hat sie ein wenig gemurmelt; Jederman nahm das übel auf, man urtheilete, es wäre ein spion: Denn man glaubet nicht, daß er anderwärts auch nicht redete. Man muß also keinen Stummen agiren, sonst wird man einem solchen feind, und ist es sehr indecens, wenn einer gar nichts redet. Dicis: Er kan nichts reden? Respond. Da ist es bey der Auferziehung versehen worden. Cato, so seveur er auch gewesen, so war er doch kein tummer Kerl, und hat er sei- ne Kinder allezeit lassen mit speisen, wenn er gleich jemanden bey sich ge- habt. Sie waren in infima parte lecti: Denn die Römer haben lie- gend gespeiset, wie die orientales. Man muß die Kinder lassen alle zwey bis drey Tage etwas erzehlen, damit sie reden lernen: Denn die Bau- ren können nicht reden, wenn sie was erzehlen sollen, und muß man ih- nen immer drein helffen; Daher muß man die Kinder bald dazu ge- wöhnen. Wenn man nun aber redet, so muß man doch einen Unter- scheid machen, und muß man nicht das Maul alleine haben wollen: Denn der alleine das Wort hat, docere videtur, in conservation läßt man sich gar nicht gerne dociren. Es ist alsdenn aliquid indecens, wenn einer zuviel redet, und ist pedantisch, denn ein pedant, welcher die Kinder informiret, redet immer gantz allein, ceteri tacent, filent. In conversa- tion aber wollen andere auch reden. Nicht zu gedencken, daß wenn ei- ner gantz alleine redet, bey ihm das alte Sprüchwort eintrifft: ubi mul- tum loquentiae ibi parum sapientiae; Denn wer viel redet, der überlegt we- nig, und bringet also viele sottisen mit drunter vor, woraus das Sprüch- wort leicht demonstriret werden kan; Deßwegen ist eine grosse pru- dentia nöthig ratione sermonis, und ratione quantitatis in sermone. Wer teden
De Mediis ſtatum conſervandi. muͤſſen ins Cloſter gehen, daher nennet man es auch vitam contempla-tivam, und wenn man von denen Alten lieſet, daß ſie ad vitam contem- plativam condemniret worden, wie es dem Thaſſiloni, Hertzogen in Bayern, ergangen, ſo iſt es nicht anders, als daß ſie ins Cloſter gehen muͤſſen. Es iſt beſſer, daß wir homines pragmatici ſind, und mit einander con- verſiren. Die Abſonderung iſt nur ein remedium, wenn alles corrum- pirt. Der Petre Lamy in ſeiner Theologie Morale ſagt auch, es ſey kein ordinarium, allein zu ſeyn, ſondern extraordinarium. Extra ordinem geſchiehet es, daß es heiſt ſolus agas cum ſolo donec tranſcat corruptio. Man muß in der Welt nur in converſation ſeyn. Alſo iſt einem jeden Menſchen geſagt: loquere ut te videam: Denn wenn einer in converſa- tion iſt, und nicht redet, den reprochiret man. Ich habe eine Perſon geſehen, welche ſieben Stunden in compagnic geſeſſen, und konnte nie- mand ſagen, daß er ein Wort von ihm gehoͤret, als wenn eine Geſund- heit getruncken worden, ſo hat ſie ein wenig gemurmelt; Jederman nahm das uͤbel auf, man urtheilete, es waͤre ein ſpion: Denn man glaubet nicht, daß er anderwaͤrts auch nicht redete. Man muß alſo keinen Stummen agiren, ſonſt wird man einem ſolchen feind, und iſt es ſehr indecens, wenn einer gar nichts redet. Dicis: Er kan nichts reden? Reſpond. Da iſt es bey der Auferziehung verſehen worden. Cato, ſo ſeveur er auch geweſen, ſo war er doch kein tummer Kerl, und hat er ſei- ne Kinder allezeit laſſen mit ſpeiſen, wenn er gleich jemanden bey ſich ge- habt. Sie waren in infima parte lecti: Denn die Roͤmer haben lie- gend geſpeiſet, wie die orientales. Man muß die Kinder laſſen alle zwey bis drey Tage etwas erzehlen, damit ſie reden lernen: Denn die Bau- ren koͤnnen nicht reden, wenn ſie was erzehlen ſollen, und muß man ih- nen immer drein helffen; Daher muß man die Kinder bald dazu ge- woͤhnen. Wenn man nun aber redet, ſo muß man doch einen Unter- ſcheid machen, und muß man nicht das Maul alleine haben wollen: Denn der alleine das Wort hat, docere videtur, in conſervation laͤßt man ſich gar nicht gerne dociren. Es iſt alsdenn aliquid indecens, wenn einer zuviel redet, und iſt pedantiſch, denn ein pedant, welcher die Kinder informiret, redet immer gantz allein, ceteri tacent, filent. In converſa- tion aber wollen andere auch reden. Nicht zu gedencken, daß wenn ei- ner gantz alleine redet, bey ihm das alte Spruͤchwort eintrifft: ubi mul- tum loquentiæ ibi parum ſapientiæ; Denn wer viel redet, der uͤberlegt we- nig, und bringet alſo viele ſottiſen mit drunter vor, woraus das Spruͤch- wort leicht demonſtriret werden kan; Deßwegen iſt eine groſſe pru- dentia noͤthig ratione ſermonis, und ratione quantitatis in ſermone. Wer teden
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tivam, und wenn man von denen Alten lieſet, daß ſie ad vitam contem-
plativam condemniret worden, wie es dem Thaſſiloni, Hertzogen in Bayern,
ergangen, ſo iſt es nicht anders, als daß ſie ins Cloſter gehen muͤſſen.
Es iſt beſſer, daß wir homines pragmatici ſind, und mit einander con-
verſiren. Die Abſonderung iſt nur ein remedium, wenn alles corrum-
pirt. Der Petre Lamy in ſeiner Theologie Morale ſagt auch, es ſey kein
ordinarium, allein zu ſeyn, ſondern extraordinarium. Extra ordinem
geſchiehet es, daß es heiſt ſolus agas cum ſolo donec tranſcat corruptio.
Man muß in der Welt nur in converſation ſeyn. Alſo iſt einem jeden
Menſchen geſagt: loquere ut te videam: Denn wenn einer in converſa-
tion iſt, und nicht redet, den reprochiret man. Ich habe eine Perſon
geſehen, welche ſieben Stunden in compagnic geſeſſen, und konnte nie-
mand ſagen, daß er ein Wort von ihm gehoͤret, als wenn eine Geſund-
heit getruncken worden, ſo hat ſie ein wenig gemurmelt; Jederman nahm
das uͤbel auf, man urtheilete, es waͤre ein ſpion: Denn man glaubet
nicht, daß er anderwaͤrts auch nicht redete. Man muß alſo keinen
Stummen agiren, ſonſt wird man einem ſolchen feind, und iſt es ſehr
indecens, wenn einer gar nichts redet. Dicis: Er kan nichts reden?
Reſpond. Da iſt es bey der Auferziehung verſehen worden. Cato, ſo
ſeveur er auch geweſen, ſo war er doch kein tummer Kerl, und hat er ſei-
ne Kinder allezeit laſſen mit ſpeiſen, wenn er gleich jemanden bey ſich ge-
habt. Sie waren in infima parte lecti: Denn die Roͤmer haben lie-
gend geſpeiſet, wie die orientales. Man muß die Kinder laſſen alle zwey
bis drey Tage etwas erzehlen, damit ſie reden lernen: Denn die Bau-
ren koͤnnen nicht reden, wenn ſie was erzehlen ſollen, und muß man ih-
nen immer drein helffen; Daher muß man die Kinder bald dazu ge-
woͤhnen. Wenn man nun aber redet, ſo muß man doch einen Unter-
ſcheid machen, und muß man nicht das Maul alleine haben wollen:
Denn der alleine das Wort hat, docere videtur, in conſervation laͤßt
man ſich gar nicht gerne dociren. Es iſt alsdenn aliquid indecens, wenn
einer zuviel redet, und iſt pedantiſch, denn ein pedant, welcher die Kinder
informiret, redet immer gantz allein, ceteri tacent, filent. In converſa-
tion aber wollen andere auch reden. Nicht zu gedencken, daß wenn ei-
ner gantz alleine redet, bey ihm das alte Spruͤchwort eintrifft: ubi mul-
tum loquentiæ ibi parum ſapientiæ; Denn wer viel redet, der uͤberlegt we-
nig, und bringet alſo viele ſottiſen mit drunter vor, woraus das Spruͤch-
wort leicht demonſtriret werden kan; Deßwegen iſt eine groſſe pru-
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