Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. gen werde ich nicht unpäßlich. Es ist dieses keine Lügen, sondern nurein falsum. Mendacium nocet, falsum non, sed interdum juvat & me conservat a multis malis alioquin peragendis. Ja wenn lauter gescheu- te Leute da wären, die unsere Freunde wären, so hätten wir mein Ta- ge nicht nöthig zu simuliren, oder dissimuliren, aber da wir einen Hauf- fen Feinde haben, und es saget einer alles heraus, wenn er auch noch so tugendhafft, peribit. Veritas simulanda & dissimulanda est. Diejeni- gen, welche wider diese Meynung sind, thun es doch actu, & tamen, dum in cathedra stant, donnern sie auf diese doctrin sehr loß. Herr Buddaeus sagt auch in seiner Theologia morali, man habe sonst sehr viele dubia dawider gemacht, aber man könnte simpliciter sagen, falsi loquium est licitum. Erasmus hat defendiret, falsiloquium sey nicht erlaubt, aber er hat allerhand exceptiones suchen zu machen, denn als ein Fränckischer von Adel, Ulrich von Hutten, von ihm Geld borgen wollte, so sagte er, er habe kein Geld, deßwegen reprochirte ihn einer in einen Brief, und sagte: Erasmus statuirte, man sollte kein falsiloquium begehen, und doch habe er eines begangen, weil er Geld hatte, und dem Hutten keines ge- geben, worauf er geantwortet, er habe wohl Geld, aber nicht vor den Ulrich von Hutten. Grotius aber sagt in seinem Jure B. & P. das sey nur eine chicane, welche der Erasmus hierüber gemacht. Also kan gar wohl auch bey dem decoro eine simulatio und dissimulatio angehen: Denn dadurch werden die affecten supprimiret. Hochstetter in seinen Collegio Puffendorffiano hat auch die masque abgezogen, und gestehet: Daß, wenn man nicht admittiren wollte, daß man simuliren und dissi- muliren könnte, so müste man ein hauffen exceptiones machen; Wo es nicht nothwendig ist, da wäre es albern, wenn man ein falsoloquium brauchen wollte, ja es ist alsdenn ein incedens, die Leute werden es ge- wahr. Manche connectiren schlecht in ihren falsis, sie fragen nach etli- chen Tagen wieder darnach, und wenn einer etwa alsdenn saget, er wü- ste es sich nicht mehr zu erinnern, so sichet man, daß er ein homo vanus, stultus, die Leute sind ihm nicht gut, und sagen: es ist wohl ein hübscher Mensch, aber es gehet nichts wahres aus seinem Munde. Sonst aber ist eben keine obligation da, daß ich einen alles sagen muß, und geschie- het ihm kein Tort, wenn ich nicht alles so frey heraus sage. stand im Re- den. §. 12. Sermo gehöret vornemlich zum Exterieur, denn wir kön- müssen
Cap. V. gen werde ich nicht unpaͤßlich. Es iſt dieſes keine Luͤgen, ſondern nurein falſum. Mendacium nocet, falſum non, ſed interdum juvat & me conſervat a multis malis alioquin peragendis. Ja wenn lauter geſcheu- te Leute da waͤren, die unſere Freunde waͤren, ſo haͤtten wir mein Ta- ge nicht noͤthig zu ſimuliren, oder diſſimuliren, aber da wir einen Hauf- fen Feinde haben, und es ſaget einer alles heraus, wenn er auch noch ſo tugendhafft, peribit. Veritas ſimulanda & diſſimulanda eſt. Diejeni- gen, welche wider dieſe Meynung ſind, thun es doch actu, & tamen, dum in cathedra ſtant, donnern ſie auf dieſe doctrin ſehr loß. Herr Buddæus ſagt auch in ſeiner Theologia morali, man habe ſonſt ſehr viele dubia dawider gemacht, aber man koͤnnte ſimpliciter ſagen, falſi loquium eſt licitum. Eraſmus hat defendiret, falſiloquium ſey nicht erlaubt, aber er hat allerhand exceptiones ſuchen zu machen, denn als ein Fraͤnckiſcher von Adel, Ulrich von Hutten, von ihm Geld borgen wollte, ſo ſagte er, er habe kein Geld, deßwegen reprochirte ihn einer in einen Brief, und ſagte: Eraſmus ſtatuirte, man ſollte kein falſiloquium begehen, und doch habe er eines begangen, weil er Geld hatte, und dem Hutten keines ge- geben, worauf er geantwortet, er habe wohl Geld, aber nicht vor den Ulrich von Hutten. Grotius aber ſagt in ſeinem Jure B. & P. das ſey nur eine chicane, welche der Eraſmus hieruͤber gemacht. Alſo kan gar wohl auch bey dem decoro eine ſimulatio und diſſimulatio angehen: Denn dadurch werden die affecten ſupprimiret. Hochſtetter in ſeinen Collegio Puffendorffiano hat auch die maſque abgezogen, und geſtehet: Daß, wenn man nicht admittiren wollte, daß man ſimuliren und diſſi- muliren koͤnnte, ſo muͤſte man ein hauffen exceptiones machen; Wo es nicht nothwendig iſt, da waͤre es albern, wenn man ein falſoloquium brauchen wollte, ja es iſt alsdenn ein incedens, die Leute werden es ge- wahr. Manche connectiren ſchlecht in ihren falſis, ſie fragen nach etli- chen Tagen wieder darnach, und wenn einer etwa alsdenn ſaget, er wuͤ- ſte es ſich nicht mehr zu erinnern, ſo ſichet man, daß er ein homo vanus, ſtultus, die Leute ſind ihm nicht gut, und ſagen: es iſt wohl ein huͤbſcher Menſch, aber es gehet nichts wahres aus ſeinem Munde. Sonſt aber iſt eben keine obligation da, daß ich einen alles ſagen muß, und geſchie- het ihm kein Tort, wenn ich nicht alles ſo frey heraus ſage. ſtand im Re- den. §. 12. Sermo gehoͤret vornemlich zum Exterieur, denn wir koͤn- muͤſſen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0146" n="126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V.</hi></fw><lb/> gen werde ich nicht unpaͤßlich. Es iſt dieſes keine Luͤgen, ſondern nur<lb/> ein <hi rendition="#aq">falſum. Mendacium nocet, falſum non, ſed interdum juvat & me<lb/> conſervat a multis malis alioquin peragendis.</hi> Ja wenn lauter geſcheu-<lb/> te Leute da waͤren, die unſere Freunde waͤren, ſo haͤtten wir mein Ta-<lb/> ge nicht noͤthig zu <hi rendition="#aq">ſimuli</hi>ren, oder <hi rendition="#aq">diſſimuli</hi>ren, aber da wir einen Hauf-<lb/> fen Feinde haben, und es ſaget einer alles heraus, wenn er auch noch ſo<lb/> tugendhafft, <hi rendition="#aq">peribit. Veritas ſimulanda & diſſimulanda eſt.</hi> Diejeni-<lb/> gen, welche wider dieſe Meynung ſind, thun es doch <hi rendition="#aq">actu, & tamen, dum<lb/> in cathedra ſtant,</hi> donnern ſie auf dieſe <hi rendition="#aq">doctrin</hi> ſehr loß. Herr <hi rendition="#aq">Buddæus</hi><lb/> ſagt auch in ſeiner <hi rendition="#aq">Theologia morali,</hi> man habe ſonſt ſehr viele <hi rendition="#aq">dubia</hi><lb/> dawider gemacht, aber man koͤnnte <hi rendition="#aq">ſimpliciter</hi> ſagen, <hi rendition="#aq">falſi loquium eſt<lb/> licitum. Eraſmus</hi> hat <hi rendition="#aq">defendi</hi>ret, <hi rendition="#aq">falſiloquium</hi> ſey nicht erlaubt, aber er<lb/> hat allerhand <hi rendition="#aq">exceptiones</hi> ſuchen zu machen, denn als ein Fraͤnckiſcher<lb/> von Adel, <hi rendition="#aq">Ulrich</hi> von <hi rendition="#aq">Hutten,</hi> von ihm Geld borgen wollte, ſo ſagte er,<lb/> er habe kein Geld, deßwegen <hi rendition="#aq">reprochi</hi>rte ihn einer in einen Brief, und<lb/> ſagte: <hi rendition="#aq">Eraſmus ſtatui</hi>rte, man ſollte kein <hi rendition="#aq">falſiloquium</hi> begehen, und doch<lb/> habe er eines begangen, weil er Geld hatte, und dem <hi rendition="#aq">Hutten</hi> keines ge-<lb/> geben, worauf er geantwortet, er habe wohl Geld, aber nicht vor<lb/> den <hi rendition="#aq">Ulrich</hi> von <hi rendition="#aq">Hutten. Grotius</hi> aber ſagt in ſeinem <hi rendition="#aq">Jure B. & P.</hi> das<lb/> ſey nur eine <hi rendition="#aq">chicane,</hi> welche der <hi rendition="#aq">Eraſmus</hi> hieruͤber gemacht. Alſo kan<lb/> gar wohl auch bey dem <hi rendition="#aq">decoro</hi> eine <hi rendition="#aq">ſimulatio</hi> und <hi rendition="#aq">diſſimulatio</hi> angehen:<lb/> Denn dadurch werden die <hi rendition="#aq">affect</hi>en <hi rendition="#aq">ſupprimi</hi>ret. <hi rendition="#aq">Hochſtetter</hi> in ſeinen<lb/><hi rendition="#aq">Collegio Puffendorffiano</hi> hat auch die <hi rendition="#aq">maſque</hi> abgezogen, und geſtehet:<lb/> Daß, wenn man nicht <hi rendition="#aq">admitti</hi>ren wollte, daß man <hi rendition="#aq">ſimuli</hi>ren und <hi rendition="#aq">diſſi-<lb/> muli</hi>ren koͤnnte, ſo muͤſte man ein hauffen <hi rendition="#aq">exceptiones</hi> machen; Wo<lb/> es nicht nothwendig iſt, da waͤre es albern, wenn man ein <hi rendition="#aq">falſoloquium</hi><lb/> brauchen wollte, ja es iſt alsdenn ein <hi rendition="#aq">incedens,</hi> die Leute werden es ge-<lb/> wahr. Manche <hi rendition="#aq">connecti</hi>ren ſchlecht in ihren <hi rendition="#aq">falſis,</hi> ſie fragen nach etli-<lb/> chen Tagen wieder darnach, und wenn einer etwa alsdenn ſaget, er wuͤ-<lb/> ſte es ſich nicht mehr zu erinnern, ſo ſichet man, daß er ein <hi rendition="#aq">homo vanus,<lb/> ſtultus,</hi> die Leute ſind ihm nicht gut, und ſagen: es iſt wohl ein huͤbſcher<lb/> Menſch, aber es gehet nichts wahres aus ſeinem Munde. Sonſt aber<lb/> iſt eben keine <hi rendition="#aq">obligation</hi> da, daß ich einen alles ſagen muß, und geſchie-<lb/> het ihm kein Tort, wenn ich nicht alles ſo frey heraus ſage.</p><lb/> <note place="left">Vom Wohl-<lb/> ſtand im Re-<lb/> den.</note> <p>§. 12. <hi rendition="#aq">Sermo</hi> gehoͤret vornemlich zum <hi rendition="#aq">Exterieur,</hi> denn wir koͤn-<lb/> nen nicht immer zu Hauſe ſeyn, wir muͤſſen auch mit andern <hi rendition="#aq">converſi</hi>ren.<lb/> Es ſind <hi rendition="#aq">pauci vitam contemplativam habentes.</hi> Ja es iſt nicht einmahl<lb/> gut, <hi rendition="#aq">ut homines operam dent vitæ contemplativæ.</hi> Das iſt eben der<lb/> Fehler bey denen Catholiquen, mit dem Moͤnchs-Weſen, daß ſo viele<lb/> <fw place="bottom" type="catch">muͤſſen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0146]
Cap. V.
gen werde ich nicht unpaͤßlich. Es iſt dieſes keine Luͤgen, ſondern nur
ein falſum. Mendacium nocet, falſum non, ſed interdum juvat & me
conſervat a multis malis alioquin peragendis. Ja wenn lauter geſcheu-
te Leute da waͤren, die unſere Freunde waͤren, ſo haͤtten wir mein Ta-
ge nicht noͤthig zu ſimuliren, oder diſſimuliren, aber da wir einen Hauf-
fen Feinde haben, und es ſaget einer alles heraus, wenn er auch noch ſo
tugendhafft, peribit. Veritas ſimulanda & diſſimulanda eſt. Diejeni-
gen, welche wider dieſe Meynung ſind, thun es doch actu, & tamen, dum
in cathedra ſtant, donnern ſie auf dieſe doctrin ſehr loß. Herr Buddæus
ſagt auch in ſeiner Theologia morali, man habe ſonſt ſehr viele dubia
dawider gemacht, aber man koͤnnte ſimpliciter ſagen, falſi loquium eſt
licitum. Eraſmus hat defendiret, falſiloquium ſey nicht erlaubt, aber er
hat allerhand exceptiones ſuchen zu machen, denn als ein Fraͤnckiſcher
von Adel, Ulrich von Hutten, von ihm Geld borgen wollte, ſo ſagte er,
er habe kein Geld, deßwegen reprochirte ihn einer in einen Brief, und
ſagte: Eraſmus ſtatuirte, man ſollte kein falſiloquium begehen, und doch
habe er eines begangen, weil er Geld hatte, und dem Hutten keines ge-
geben, worauf er geantwortet, er habe wohl Geld, aber nicht vor
den Ulrich von Hutten. Grotius aber ſagt in ſeinem Jure B. & P. das
ſey nur eine chicane, welche der Eraſmus hieruͤber gemacht. Alſo kan
gar wohl auch bey dem decoro eine ſimulatio und diſſimulatio angehen:
Denn dadurch werden die affecten ſupprimiret. Hochſtetter in ſeinen
Collegio Puffendorffiano hat auch die maſque abgezogen, und geſtehet:
Daß, wenn man nicht admittiren wollte, daß man ſimuliren und diſſi-
muliren koͤnnte, ſo muͤſte man ein hauffen exceptiones machen; Wo
es nicht nothwendig iſt, da waͤre es albern, wenn man ein falſoloquium
brauchen wollte, ja es iſt alsdenn ein incedens, die Leute werden es ge-
wahr. Manche connectiren ſchlecht in ihren falſis, ſie fragen nach etli-
chen Tagen wieder darnach, und wenn einer etwa alsdenn ſaget, er wuͤ-
ſte es ſich nicht mehr zu erinnern, ſo ſichet man, daß er ein homo vanus,
ſtultus, die Leute ſind ihm nicht gut, und ſagen: es iſt wohl ein huͤbſcher
Menſch, aber es gehet nichts wahres aus ſeinem Munde. Sonſt aber
iſt eben keine obligation da, daß ich einen alles ſagen muß, und geſchie-
het ihm kein Tort, wenn ich nicht alles ſo frey heraus ſage.
§. 12. Sermo gehoͤret vornemlich zum Exterieur, denn wir koͤn-
nen nicht immer zu Hauſe ſeyn, wir muͤſſen auch mit andern converſiren.
Es ſind pauci vitam contemplativam habentes. Ja es iſt nicht einmahl
gut, ut homines operam dent vitæ contemplativæ. Das iſt eben der
Fehler bey denen Catholiquen, mit dem Moͤnchs-Weſen, daß ſo viele
muͤſſen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |