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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. IV.
ley mores gehabt, und wenn man die alten Gothischen, Schwedischen
und andere Teutsche leges ansiehet, so wird man finden, daß sie in ge-
neralibus
mit einander übereintreffen. Augustus hatte was Gutes im
Sinne, daß er wollte haben, man sollte nicht so viel Knechte manumiti-
ren, damit nicht so viel servilisch Blut sich möchte unter die Bürger mi-
schen: Denn die Knechte wären alle Fremde, und schickten sich da die Römi-
schen Gesetze nicht. Finden sich in einer Republie fremde ein, so leiden die
alten Gesetze noth; daher hat auch GOtt haben wollen, die Jüden soll-
ten in einem Lande wohnen, da sie überall eingeschlossen, damit kein po-
pulus
könne zu ihnen kommen. Alle ihre Städte sind von der See ent-
fernet gewesen; Er hat auch haben wollen, daß sie alle populos, welche
sie fänden, sollten todt machen, damit sie auf keine Abgötterey möchten
fallen, & ut semper lex eadem maneat. Das haben sie nicht gethan,
welches ihnen nachgehends sehr geschadet. Amelot hat auch von denen
Venetianern observiret, daß ein Fremder sich zwar daselbst könne auf-
halten, aber wenn er sich recht niedersetzen wollte, so würde es ihm recht
schwer gemacht. Ich habe auch in vielen Reichs-Städten wahr genom-
men, daß sie nicht gerne wollen Fremde haben; Denn sie führen daselbst
ein sehr stilles Leben, wenn sie nur wollen die Fremden intra limites coer-
cere,
so appelliren sie, lauffen weg, und machen allerhand Verdrießlich-
keiten. Ja ich halte das vor einen Verfall, wenn man alle Fremde auf-
nimmt, und fragt man offt nicht einmahl, wo die Leute herkommen.
Also ist gut, daß man die peregrinos, so viel möglich ist, separiret: Denn
dadurch, daß man sie indistincte aufnimmt, geschiehet es aber, daß man
die leges muß ändern, und die alten guten leges zu Grunde gehen lassen.
Wenn man aber immer an den legibus bessert, so sehen sie aus, wie ein
Hauß, daran man immer was bauet, da kommt endlich eine irregula-
rit
ät heraus. Die beste harmonie ist, wenn die leges so eingerichtet
werden, daß sie die cupiditates der Menschen in Zaum halten, und muß
man freylich auch darauf sehen, daß die Gesetze gehalten werden; Deß-
wegen müssen judicia seyn. Ein Legislator, wenn er gescheuet ist, muß
justos viros setzen, welche die leges exequiren, und darüber halten, sonst
gehet der lex per contrarium usum zu Grunde, und ist eine Anzeige, daß
der Herr nicht gewachet, wenn man saget, da ist der lex; aber er ist
nicht in usum kommen. Wenn man die Römische Republic betrachtet,
so sind gleich anfangs daselbst viele vitia gewesen, welches der Venetia-
nische Nobilis Paruta vortrefflich gewiesen, und schöne observationes da-
bey gemacht. Denn es war ein Asylum latronum; einer kam daher,
der andere dort her, und ist zu verwundern, daß noch so eine harmonie

gewe-

Cap. IV.
ley mores gehabt, und wenn man die alten Gothiſchen, Schwediſchen
und andere Teutſche leges anſiehet, ſo wird man finden, daß ſie in ge-
neralibus
mit einander uͤbereintreffen. Auguſtus hatte was Gutes im
Sinne, daß er wollte haben, man ſollte nicht ſo viel Knechte manumiti-
ren, damit nicht ſo viel ſerviliſch Blut ſich moͤchte unter die Buͤrger mi-
ſchen: Denn die Knechte waͤren alle Fremde, und ſchickten ſich da die Roͤmi-
ſchen Geſetze nicht. Finden ſich in einer Republie fremde ein, ſo leiden die
alten Geſetze noth; daher hat auch GOtt haben wollen, die Juͤden ſoll-
ten in einem Lande wohnen, da ſie uͤberall eingeſchloſſen, damit kein po-
pulus
koͤnne zu ihnen kommen. Alle ihre Staͤdte ſind von der See ent-
fernet geweſen; Er hat auch haben wollen, daß ſie alle populos, welche
ſie faͤnden, ſollten todt machen, damit ſie auf keine Abgoͤtterey moͤchten
fallen, & ut ſemper lex eadem maneat. Das haben ſie nicht gethan,
welches ihnen nachgehends ſehr geſchadet. Amelot hat auch von denen
Venetianern obſerviret, daß ein Fremder ſich zwar daſelbſt koͤnne auf-
halten, aber wenn er ſich recht niederſetzen wollte, ſo wuͤrde es ihm recht
ſchwer gemacht. Ich habe auch in vielen Reichs-Staͤdten wahr genom-
men, daß ſie nicht gerne wollen Fremde haben; Denn ſie fuͤhren daſelbſt
ein ſehr ſtilles Leben, wenn ſie nur wollen die Fremden intra limites coër-
cere,
ſo appelliren ſie, lauffen weg, und machen allerhand Verdrießlich-
keiten. Ja ich halte das vor einen Verfall, wenn man alle Fremde auf-
nimmt, und fragt man offt nicht einmahl, wo die Leute herkommen.
Alſo iſt gut, daß man die peregrinos, ſo viel moͤglich iſt, ſepariret: Denn
dadurch, daß man ſie indiſtincte aufnimmt, geſchiehet es aber, daß man
die leges muß aͤndern, und die alten guten leges zu Grunde gehen laſſen.
Wenn man aber immer an den legibus beſſert, ſo ſehen ſie aus, wie ein
Hauß, daran man immer was bauet, da kommt endlich eine irregula-
rit
aͤt heraus. Die beſte harmonie iſt, wenn die leges ſo eingerichtet
werden, daß ſie die cupiditates der Menſchen in Zaum halten, und muß
man freylich auch darauf ſehen, daß die Geſetze gehalten werden; Deß-
wegen muͤſſen judicia ſeyn. Ein Legislator, wenn er geſcheuet iſt, muß
juſtos viros ſetzen, welche die leges exequiren, und daruͤber halten, ſonſt
gehet der lex per contrarium uſum zu Grunde, und iſt eine Anzeige, daß
der Herr nicht gewachet, wenn man ſaget, da iſt der lex; aber er iſt
nicht in uſum kommen. Wenn man die Roͤmiſche Republic betrachtet,
ſo ſind gleich anfangs daſelbſt viele vitia geweſen, welches der Venetia-
niſche Nobilis Paruta vortrefflich gewieſen, und ſchoͤne obſervationes da-
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der andere dort her, und iſt zu verwundern, daß noch ſo eine harmonie

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[106/0126] Cap. IV. ley mores gehabt, und wenn man die alten Gothiſchen, Schwediſchen und andere Teutſche leges anſiehet, ſo wird man finden, daß ſie in ge- neralibus mit einander uͤbereintreffen. Auguſtus hatte was Gutes im Sinne, daß er wollte haben, man ſollte nicht ſo viel Knechte manumiti- ren, damit nicht ſo viel ſerviliſch Blut ſich moͤchte unter die Buͤrger mi- ſchen: Denn die Knechte waͤren alle Fremde, und ſchickten ſich da die Roͤmi- ſchen Geſetze nicht. Finden ſich in einer Republie fremde ein, ſo leiden die alten Geſetze noth; daher hat auch GOtt haben wollen, die Juͤden ſoll- ten in einem Lande wohnen, da ſie uͤberall eingeſchloſſen, damit kein po- pulus koͤnne zu ihnen kommen. Alle ihre Staͤdte ſind von der See ent- fernet geweſen; Er hat auch haben wollen, daß ſie alle populos, welche ſie faͤnden, ſollten todt machen, damit ſie auf keine Abgoͤtterey moͤchten fallen, & ut ſemper lex eadem maneat. Das haben ſie nicht gethan, welches ihnen nachgehends ſehr geſchadet. Amelot hat auch von denen Venetianern obſerviret, daß ein Fremder ſich zwar daſelbſt koͤnne auf- halten, aber wenn er ſich recht niederſetzen wollte, ſo wuͤrde es ihm recht ſchwer gemacht. Ich habe auch in vielen Reichs-Staͤdten wahr genom- men, daß ſie nicht gerne wollen Fremde haben; Denn ſie fuͤhren daſelbſt ein ſehr ſtilles Leben, wenn ſie nur wollen die Fremden intra limites coër- cere, ſo appelliren ſie, lauffen weg, und machen allerhand Verdrießlich- keiten. Ja ich halte das vor einen Verfall, wenn man alle Fremde auf- nimmt, und fragt man offt nicht einmahl, wo die Leute herkommen. Alſo iſt gut, daß man die peregrinos, ſo viel moͤglich iſt, ſepariret: Denn dadurch, daß man ſie indiſtincte aufnimmt, geſchiehet es aber, daß man die leges muß aͤndern, und die alten guten leges zu Grunde gehen laſſen. Wenn man aber immer an den legibus beſſert, ſo ſehen ſie aus, wie ein Hauß, daran man immer was bauet, da kommt endlich eine irregula- ritaͤt heraus. Die beſte harmonie iſt, wenn die leges ſo eingerichtet werden, daß ſie die cupiditates der Menſchen in Zaum halten, und muß man freylich auch darauf ſehen, daß die Geſetze gehalten werden; Deß- wegen muͤſſen judicia ſeyn. Ein Legislator, wenn er geſcheuet iſt, muß juſtos viros ſetzen, welche die leges exequiren, und daruͤber halten, ſonſt gehet der lex per contrarium uſum zu Grunde, und iſt eine Anzeige, daß der Herr nicht gewachet, wenn man ſaget, da iſt der lex; aber er iſt nicht in uſum kommen. Wenn man die Roͤmiſche Republic betrachtet, ſo ſind gleich anfangs daſelbſt viele vitia geweſen, welches der Venetia- niſche Nobilis Paruta vortrefflich gewieſen, und ſchoͤne obſervationes da- bey gemacht. Denn es war ein Aſylum latronum; einer kam daher, der andere dort her, und iſt zu verwundern, daß noch ſo eine harmonie gewe-

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/126>, abgerufen am 24.11.2024.