Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De vera cujuslibet status felicitate. der Meynung, wie Otto Prof. Ultraj. noch in Duisburg in einer Disser-tation de perpetua soeminarum tutela gewiesen. Daraus folget aber nicht, ergo muß einer die Frau peinigen; sondern er muß mit ihr raison- niren, argumenta brauchen. Wenn man lieset, was Severus Cato bey dem Plutarcho saget, so findet man, daß er gemeynet, es sey sacrilegium, wenn einer seine Frau schlüge, aber sub disciplina, meynet er, müsse sie doch seyn. Grotius de Jure Belli & Pacis hat auch gewiesen, daß die Frau müsse im Hause bleiben; welches auch die Römer gethan, aber darinnen haben sie excediret, daß sie nichts gethan, denn dadurch sind sie in luxum gerathen, sonderlich unter denen Imperatoribus, wie Seneca gewiesen. §. 6. Wie wir nun thöricht seyn bey dem Ehestand, daß wir aufUnd wie bey dern,
De vera cujuslibet ſtatus felicitate. der Meynung, wie Otto Prof. Ultraj. noch in Duisburg in einer Diſſer-tation de perpetua ſœminarum tutela gewieſen. Daraus folget aber nicht, ergo muß einer die Frau peinigen; ſondern er muß mit ihr raiſon- niren, argumenta brauchen. Wenn man lieſet, was Severus Cato bey dem Plutarcho ſaget, ſo findet man, daß er gemeynet, es ſey ſacrilegium, wenn einer ſeine Frau ſchluͤge, aber ſub diſciplina, meynet er, muͤſſe ſie doch ſeyn. Grotius de Jure Belli & Pacis hat auch gewieſen, daß die Frau muͤſſe im Hauſe bleiben; welches auch die Roͤmer gethan, aber darinnen haben ſie excediret, daß ſie nichts gethan, denn dadurch ſind ſie in luxum gerathen, ſonderlich unter denen Imperatoribus, wie Seneca gewieſen. §. 6. Wie wir nun thoͤricht ſeyn bey dem Eheſtand, daß wir aufUnd wie bey dern,
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De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
der Meynung, wie Otto Prof. Ultraj. noch in Duisburg in einer Diſſer-
tation de perpetua ſœminarum tutela gewieſen. Daraus folget aber
nicht, ergo muß einer die Frau peinigen; ſondern er muß mit ihr raiſon-
niren, argumenta brauchen. Wenn man lieſet, was Severus Cato bey
dem Plutarcho ſaget, ſo findet man, daß er gemeynet, es ſey ſacrilegium,
wenn einer ſeine Frau ſchluͤge, aber ſub diſciplina, meynet er, muͤſſe ſie
doch ſeyn. Grotius de Jure Belli & Pacis hat auch gewieſen, daß die
Frau muͤſſe im Hauſe bleiben; welches auch die Roͤmer gethan, aber
darinnen haben ſie excediret, daß ſie nichts gethan, denn dadurch ſind
ſie in luxum gerathen, ſonderlich unter denen Imperatoribus, wie Seneca
gewieſen.
§. 6. Wie wir nun thoͤricht ſeyn bey dem Eheſtand, daß wir auf
accidentalia fallen, ſo gehet es auch bey denen Kindern. Wenn das
Kind ſchoͤn iſt, es hat einen guten natuͤrlichen Verſtand, und kan was
memoriren, ſo denckt man, es ſey ſchon gnug, und gehen wohl dem Va-
ter die Augen uͤber, wenn er das ſiehet, da es doch nur ein accidentale.
Das fundament iſt die Tugend, iſt es tugendhafft, ſo iſt es auch hoͤfflich,
denn die Hoͤfflichkeit iſt ein Ausfluß der Tugend. Scientia muß auch da
ſeyn. Die iſt diverſa: Denn eine andere wird erfordert, wenn einer
will ein Kauffmann werden, eine andere, wenn er will ſtudiren. Hier
iſt eben zu recommendiren, des Mſr. Crouſaz Tract de l’education des
enfans, da er derer Eltern ihre alberne Gedancken bey Erziehung der
Kinder abbildet, und railliret. Die education ſoll freylich einen fructum
zuwege bringen; deswegen ſich die Eltern viel Muͤhe geben. Gleichwie
aber einer, der vor der Zeit erndten will, auszulachen iſt, indem er fru-
ctus immaturos nicht nutzen kan; alſo ſind auch die Eltern zu improbi-
ren, welche von ihren Kindern ante maturitatem annorum groſſe Fruͤchte
ſuchen. Quod cito fit, cito perit. Die inſtrumenta, organa, quibus
humanum corpus utitur, ſind renera, und wenn ſie alſo zu ſtarck ange-
griffen werden, ſo verderben ſie. Die Kinder, ſo bald klug werden,
ſterben balde; Es iſt zwar exceptio a regula, aber es geſchiehet doch
regulariter. Man hat viele Dinge de præcocibus ingeniis, die da reuͤſſi-
ret ſind, v. g. Grotius machte ſchon im neundten Jahr ſeinem Vater ein
Carmen, darinnen viele realia, kluge Gedancken, und ein ſchoͤner ſtylus
anzutreffen, aber ſein Vater wendete auch viele Muͤhe an ihn, welches
bey andern ſelten geſchiehet. Der beruͤhmte Bochartus, ein Theologus,
hat ſchon Griechiſche Verſe gemacht, antequam pubes exiſteret, conf.
Mſr. Baillet in Jugements des Sçavans, wobey er einen gantzen Tom. hat
des Enfens celebres. Insgemein vergehen ſich die Eltern bey ihren Kin-
dern,
Und wie bey
der Kinder-
Zucht?
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