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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den persönlichen Verhältnissen
heit desienigen Staats, worinn er sich befindet, unter-
worfen a]; vermöge eines fast algemein angenommenen
Herkommens aber, verstattet man ihm, in Rücksicht
der mit seiner Person verbundenen Souverainetät,
wenn auch nicht die Ausübung aller Majestätsrechte,
doch wenigstens die Befreiung von der Gerichtsbarkeit
des andern Souverains für sich und seine Familie b],
selbst wenn er unter einem angenommenen Namen, ie-
doch nicht, wenn er ganz incognito als Privatmann
reißt. Man gestattet ihm auch gewönlich die Civilge-
richtsbarkeit über sein Gefolge, allein die Ausübung
der peinlichen findet mehrern Anstand c]. Dies leidet
iedoch allerdings eine Ausnahme, wenn eine dieser Per-
sonen zugleich im Dienste des Landes-Souverains
steht d]. Solte der andere Regent indes unerlaubte
und feindseelige Handlungen unternehmen, so kann ohn-
streitig seine Entfernung verlangt, er auch nach Befin-
den wohl gar als Feind behandelt werden e].

a] Henr. Cocceji diss. de fundata in territorio et plu-
rium locorum concurrente potestate. Frcf. 1684.
Tit. II.
§. 12. wiewohl verschiedene andere Rechtsleh-
rer das Gegentheil behaupten, als Puffendorff I. Nat.
et G. L. VIII. c. 4. n.
21. vergl. de Martens L. V.
§. 146. Einige machen den allerdings nicht unwichti-
gen Unterschied, ob der fremde Souverain mit oder ohne
Erlaubnis in des andern Territorium gekommen, und
glauben, daß im erstern Falle ihm die Befreiung zugleich
mit bewilligt sey.
b] Mosers erste Grundlehren S. 48. de Martens l. c.
c] Als die Königin Christine in Schweden, nachdem sie die
Regierung bereits niedergelegt hatte, ihren Oberstallmei-
ster Monaldeschki im französischen Gebiete hinrichten lies,
bezeigte der König in Frankreich grosses Misfallen darüber.
d] s. Real Science du Gouvern. Tom. V. c. I. Sect. 8.
e] Schrodt P. I. c. 3. §. 59. und Real l. c.
*] Phil.

Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
heit desienigen Staats, worinn er ſich befindet, unter-
worfen a]; vermoͤge eines faſt algemein angenommenen
Herkommens aber, verſtattet man ihm, in Ruͤckſicht
der mit ſeiner Perſon verbundenen Souverainetaͤt,
wenn auch nicht die Ausuͤbung aller Majeſtaͤtsrechte,
doch wenigſtens die Befreiung von der Gerichtsbarkeit
des andern Souverains fuͤr ſich und ſeine Familie b],
ſelbſt wenn er unter einem angenommenen Namen, ie-
doch nicht, wenn er ganz incognito als Privatmann
reißt. Man geſtattet ihm auch gewoͤnlich die Civilge-
richtsbarkeit uͤber ſein Gefolge, allein die Ausuͤbung
der peinlichen findet mehrern Anſtand c]. Dies leidet
iedoch allerdings eine Ausnahme, wenn eine dieſer Per-
ſonen zugleich im Dienſte des Landes-Souverains
ſteht d]. Solte der andere Regent indes unerlaubte
und feindſeelige Handlungen unternehmen, ſo kann ohn-
ſtreitig ſeine Entfernung verlangt, er auch nach Befin-
den wohl gar als Feind behandelt werden e].

a] Henr. Cocceji diſſ. de fundata in territorio et plu-
rium locorum concurrente poteſtate. Frcf. 1684.
Tit. II.
§. 12. wiewohl verſchiedene andere Rechtsleh-
rer das Gegentheil behaupten, als Puffendorff I. Nat.
et G. L. VIII. c. 4. n.
21. vergl. de Martens L. V.
§. 146. Einige machen den allerdings nicht unwichti-
gen Unterſchied, ob der fremde Souverain mit oder ohne
Erlaubnis in des andern Territorium gekommen, und
glauben, daß im erſtern Falle ihm die Befreiung zugleich
mit bewilligt ſey.
b] Moſers erſte Grundlehren S. 48. de Martens l. c.
c] Als die Koͤnigin Chriſtine in Schweden, nachdem ſie die
Regierung bereits niedergelegt hatte, ihren Oberſtallmei-
ſter Monaldeſchki im franzoͤſiſchen Gebiete hinrichten lies,
bezeigte der Koͤnig in Frankreich groſſes Misfallen daruͤber.
d] ſ. Real Science du Gouvern. Tom. V. c. I. Sect. 8.
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*] Phil.
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[480/0494] Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen heit desienigen Staats, worinn er ſich befindet, unter- worfen a]; vermoͤge eines faſt algemein angenommenen Herkommens aber, verſtattet man ihm, in Ruͤckſicht der mit ſeiner Perſon verbundenen Souverainetaͤt, wenn auch nicht die Ausuͤbung aller Majeſtaͤtsrechte, doch wenigſtens die Befreiung von der Gerichtsbarkeit des andern Souverains fuͤr ſich und ſeine Familie b], ſelbſt wenn er unter einem angenommenen Namen, ie- doch nicht, wenn er ganz incognito als Privatmann reißt. Man geſtattet ihm auch gewoͤnlich die Civilge- richtsbarkeit uͤber ſein Gefolge, allein die Ausuͤbung der peinlichen findet mehrern Anſtand c]. Dies leidet iedoch allerdings eine Ausnahme, wenn eine dieſer Per- ſonen zugleich im Dienſte des Landes-Souverains ſteht d]. Solte der andere Regent indes unerlaubte und feindſeelige Handlungen unternehmen, ſo kann ohn- ſtreitig ſeine Entfernung verlangt, er auch nach Befin- den wohl gar als Feind behandelt werden e]. a] Henr. Cocceji diſſ. de fundata in territorio et plu- rium locorum concurrente poteſtate. Frcf. 1684. Tit. II. §. 12. wiewohl verſchiedene andere Rechtsleh- rer das Gegentheil behaupten, als Puffendorff I. Nat. et G. L. VIII. c. 4. n. 21. vergl. de Martens L. V. §. 146. Einige machen den allerdings nicht unwichti- gen Unterſchied, ob der fremde Souverain mit oder ohne Erlaubnis in des andern Territorium gekommen, und glauben, daß im erſtern Falle ihm die Befreiung zugleich mit bewilligt ſey. b] Moſers erſte Grundlehren S. 48. de Martens l. c. c] Als die Koͤnigin Chriſtine in Schweden, nachdem ſie die Regierung bereits niedergelegt hatte, ihren Oberſtallmei- ſter Monaldeſchki im franzoͤſiſchen Gebiete hinrichten lies, bezeigte der Koͤnig in Frankreich groſſes Misfallen daruͤber. d] ſ. Real Science du Gouvern. Tom. V. c. I. Sect. 8. e] Schrodt P. I. c. 3. §. 59. und Real l. c. *] Phil.

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/494>, abgerufen am 22.11.2024.