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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von der Regierungsfolge.
entfernterer Verwandschaft, wegen unehelicher, un-
rechtmässiger und untergeschobener Geburt etc. von einer
andern, die ein stärkeres Recht zur Regierung hat,
oder wenigstens zu haben glaubt, ausgeschlossen wird,
oder wenn in Wahlreichen, bey entstehenden Unruhen
und Spaltungen des Volks, von den verschiedenen
Partheien mehrere erwählt werden, wovon ieder die
Rechtmässigkeit der Wahl behauptet und auf die Regie-
rung Anspruch macht, oder auch wenn Betrüger sich
aufwerfen und für eine Person ausgeben, die allenfals
würklich einiges Recht auf den Thron haben kön-
ten, so nennt man diese, wenn sie noch darum streiten,
Mitwerber, Competenten, Prätendenten hingegen
die übrigen wenn der eine sich bereits im Besitz befin-
det a]. Dergleichen Prätendenten können auch daher
entstehen, wenn ein Regent durch Krieg oder innere
Factionen sein Reich verliert b]. Die beiderseitigen
Rechte müssen, wie von den übrigen Wahlstreitigkeiten
schon erinnert worden, lediglich nach den Grundgesetzen
der Constitution, welche die Nazion in zweifelhaften
Fällen gar wohl zu erklären befugt ist, entschieden,
oder, wenn diese nicht auslangen und in Anwendung
zu bringen sind, die Streitigkeiten durch die Präten-
denten selbst, entweder in gütlichen Verträgen, durch
compromissarischen Ausspruch oder auf andere Weise c]
und endlich mit Gewalt der Waffen beendigt werden d].
Andern Nazionen steht, ausser unter ienen mehrerwähn-
ten Umständen, kein Entscheidungsrecht dabey zu e].
Doch hängt es, so lange die Sache zweifelhaft ist,
von ihrem Gutbefinden ab, ob sie die Parthen des
einen oder andern ergreifen f], ihm Aufenthalt, Schutz
und die einem Regenten gebührenden Ehrenbezeigungen
gewähren wollen g]. Wenn der eine aber bereits zum
ruhigen Besitz gelangt und von den meisten übrigen
Nazionen anerkant ist, so wird es allerdings als Be-

leidigung
D d 3

Von der Regierungsfolge.
entfernterer Verwandſchaft, wegen unehelicher, un-
rechtmaͤſſiger und untergeſchobener Geburt ꝛc. von einer
andern, die ein ſtaͤrkeres Recht zur Regierung hat,
oder wenigſtens zu haben glaubt, ausgeſchloſſen wird,
oder wenn in Wahlreichen, bey entſtehenden Unruhen
und Spaltungen des Volks, von den verſchiedenen
Partheien mehrere erwaͤhlt werden, wovon ieder die
Rechtmaͤſſigkeit der Wahl behauptet und auf die Regie-
rung Anſpruch macht, oder auch wenn Betruͤger ſich
aufwerfen und fuͤr eine Perſon ausgeben, die allenfals
wuͤrklich einiges Recht auf den Thron haben koͤn-
ten, ſo nennt man dieſe, wenn ſie noch darum ſtreiten,
Mitwerber, Competenten, Praͤtendenten hingegen
die uͤbrigen wenn der eine ſich bereits im Beſitz befin-
det a]. Dergleichen Praͤtendenten koͤnnen auch daher
entſtehen, wenn ein Regent durch Krieg oder innere
Factionen ſein Reich verliert b]. Die beiderſeitigen
Rechte muͤſſen, wie von den uͤbrigen Wahlſtreitigkeiten
ſchon erinnert worden, lediglich nach den Grundgeſetzen
der Conſtitution, welche die Nazion in zweifelhaften
Faͤllen gar wohl zu erklaͤren befugt iſt, entſchieden,
oder, wenn dieſe nicht auslangen und in Anwendung
zu bringen ſind, die Streitigkeiten durch die Praͤten-
denten ſelbſt, entweder in guͤtlichen Vertraͤgen, durch
compromiſſariſchen Ausſpruch oder auf andere Weiſe c]
und endlich mit Gewalt der Waffen beendigt werden d].
Andern Nazionen ſteht, auſſer unter ienen mehrerwaͤhn-
ten Umſtaͤnden, kein Entſcheidungsrecht dabey zu e].
Doch haͤngt es, ſo lange die Sache zweifelhaft iſt,
von ihrem Gutbefinden ab, ob ſie die Parthen des
einen oder andern ergreifen f], ihm Aufenthalt, Schutz
und die einem Regenten gebuͤhrenden Ehrenbezeigungen
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Nazionen anerkant iſt, ſo wird es allerdings als Be-

leidigung
D d 3
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[421/0435] Von der Regierungsfolge. entfernterer Verwandſchaft, wegen unehelicher, un- rechtmaͤſſiger und untergeſchobener Geburt ꝛc. von einer andern, die ein ſtaͤrkeres Recht zur Regierung hat, oder wenigſtens zu haben glaubt, ausgeſchloſſen wird, oder wenn in Wahlreichen, bey entſtehenden Unruhen und Spaltungen des Volks, von den verſchiedenen Partheien mehrere erwaͤhlt werden, wovon ieder die Rechtmaͤſſigkeit der Wahl behauptet und auf die Regie- rung Anſpruch macht, oder auch wenn Betruͤger ſich aufwerfen und fuͤr eine Perſon ausgeben, die allenfals wuͤrklich einiges Recht auf den Thron haben koͤn- ten, ſo nennt man dieſe, wenn ſie noch darum ſtreiten, Mitwerber, Competenten, Praͤtendenten hingegen die uͤbrigen wenn der eine ſich bereits im Beſitz befin- det a]. Dergleichen Praͤtendenten koͤnnen auch daher entſtehen, wenn ein Regent durch Krieg oder innere Factionen ſein Reich verliert b]. Die beiderſeitigen Rechte muͤſſen, wie von den uͤbrigen Wahlſtreitigkeiten ſchon erinnert worden, lediglich nach den Grundgeſetzen der Conſtitution, welche die Nazion in zweifelhaften Faͤllen gar wohl zu erklaͤren befugt iſt, entſchieden, oder, wenn dieſe nicht auslangen und in Anwendung zu bringen ſind, die Streitigkeiten durch die Praͤten- denten ſelbſt, entweder in guͤtlichen Vertraͤgen, durch compromiſſariſchen Ausſpruch oder auf andere Weiſe c] und endlich mit Gewalt der Waffen beendigt werden d]. Andern Nazionen ſteht, auſſer unter ienen mehrerwaͤhn- ten Umſtaͤnden, kein Entſcheidungsrecht dabey zu e]. Doch haͤngt es, ſo lange die Sache zweifelhaft iſt, von ihrem Gutbefinden ab, ob ſie die Parthen des einen oder andern ergreifen f], ihm Aufenthalt, Schutz und die einem Regenten gebuͤhrenden Ehrenbezeigungen gewaͤhren wollen g]. Wenn der eine aber bereits zum ruhigen Beſitz gelangt und von den meiſten uͤbrigen Nazionen anerkant iſt, ſo wird es allerdings als Be- leidigung D d 3

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/435>, abgerufen am 22.11.2024.