§. 15. Eigenthum des Flußbettes, nach geän- dertem Lauf des Wassers.
Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geschieht, plötz- lich seinen Lauf, indem er sich einen ganz andern Weg macht, so behalten die daran liegenden Völker eben das Recht am Bette, welches sie am Flusse hatten. Gehörte er beiden zur Hälfte, so gehört ihnen auch das Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum allein, so bleibt ihm auch das verlassene Bette, weil bey Scheidung des Eigenthums nicht sowohl auf das vorüberfliessende Wasser, als auf das festgegründete Bette desselben Rücksicht zu nehmen ist. Anders ver- hält es sich bey unmerklichen An- und Abspielungen auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol- genden Abschnitte bey den natürlichen Anwüchsen, und in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et- was zu sagen seyn wird.
*]Grotius L. II. c. 3. §. 17. Puffendorff L. IV. c. 7. §. 11. Wolff c. I. §. 107. Vattel L. I. c. 22. §. 270. v. Cancrin 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.
§. 16. Eigenthum des Meeres überhaupt.
Weit mehrern Schwierigkeiten ist die Bestimmung des Eigenthums und der Herschaft der grössern auf der Oberfläche der Erde befindlichen Wassermassen, die man Meere und offene Seen nennt, unterworfen. Diese wichtige Materie hat von ieher, sowohl unter den Schriftstellern, als unter den Nazionen, mancher- ley Streit verursacht. a] Einige haben die völlige Freiheit des Meeres überhaupt von allem Eigenthum und Herschaft und den iedermann offenstehenden Ge-
brauch
B 5
und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 15. Eigenthum des Flußbettes, nach geaͤn- dertem Lauf des Waſſers.
Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geſchieht, ploͤtz- lich ſeinen Lauf, indem er ſich einen ganz andern Weg macht, ſo behalten die daran liegenden Voͤlker eben das Recht am Bette, welches ſie am Fluſſe hatten. Gehoͤrte er beiden zur Haͤlfte, ſo gehoͤrt ihnen auch das Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum allein, ſo bleibt ihm auch das verlaſſene Bette, weil bey Scheidung des Eigenthums nicht ſowohl auf das voruͤberflieſſende Waſſer, als auf das feſtgegruͤndete Bette deſſelben Ruͤckſicht zu nehmen iſt. Anders ver- haͤlt es ſich bey unmerklichen An- und Abſpielungen auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol- genden Abſchnitte bey den natuͤrlichen Anwuͤchſen, und in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et- was zu ſagen ſeyn wird.
*]Grotius L. II. c. 3. §. 17. Puffendorff L. IV. c. 7. §. 11. Wolff c. I. §. 107. Vattel L. I. c. 22. §. 270. v. Cancrin 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.
§. 16. Eigenthum des Meeres uͤberhaupt.
Weit mehrern Schwierigkeiten iſt die Beſtimmung des Eigenthums und der Herſchaft der groͤſſern auf der Oberflaͤche der Erde befindlichen Waſſermaſſen, die man Meere und offene Seen nennt, unterworfen. Dieſe wichtige Materie hat von ieher, ſowohl unter den Schriftſtellern, als unter den Nazionen, mancher- ley Streit verurſacht. a] Einige haben die voͤllige Freiheit des Meeres uͤberhaupt von allem Eigenthum und Herſchaft und den iedermann offenſtehenden Ge-
brauch
B 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0039"n="25"/><fwplace="top"type="header">und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.</fw><lb/><divn="4"><head>§. 15.<lb/><hirendition="#g">Eigenthum des Flußbettes, nach geaͤn-<lb/>
dertem Lauf des Waſſers</hi>.</head><lb/><p>Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geſchieht, ploͤtz-<lb/>
lich ſeinen Lauf, indem er ſich einen ganz andern Weg<lb/>
macht, ſo behalten die daran liegenden Voͤlker eben<lb/>
das Recht am Bette, welches ſie am Fluſſe hatten.<lb/>
Gehoͤrte er beiden zur Haͤlfte, ſo gehoͤrt ihnen auch das<lb/>
Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum<lb/>
allein, ſo bleibt ihm auch das verlaſſene Bette, weil<lb/>
bey Scheidung des Eigenthums nicht ſowohl auf das<lb/>
voruͤberflieſſende Waſſer, als auf das feſtgegruͤndete<lb/>
Bette deſſelben Ruͤckſicht zu nehmen iſt. Anders ver-<lb/>
haͤlt es ſich bey unmerklichen An- und Abſpielungen<lb/>
auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol-<lb/>
genden Abſchnitte bey den natuͤrlichen Anwuͤchſen, und<lb/>
in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et-<lb/>
was zu ſagen ſeyn wird.</p><lb/><noteplace="end"n="*]"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Grotius</hi> L. II. c. 3. §. 17. <hirendition="#i">Puffendorff</hi> L. IV. c. 7.<lb/>
§. 11. <hirendition="#i">Wolff</hi> c. I. §. 107. Vattel L. I. c.</hi> 22. §.<lb/>
270. v. <hirendition="#fr">Cancrin</hi> 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.</note></div><lb/><divn="4"><head>§. 16.<lb/><hirendition="#g">Eigenthum des Meeres uͤberhaupt</hi>.</head><lb/><p>Weit mehrern Schwierigkeiten iſt die Beſtimmung<lb/>
des Eigenthums und der Herſchaft der groͤſſern auf der<lb/>
Oberflaͤche der Erde befindlichen Waſſermaſſen, die<lb/>
man Meere und offene Seen nennt, unterworfen.<lb/>
Dieſe wichtige Materie hat von ieher, ſowohl unter<lb/>
den Schriftſtellern, als unter den Nazionen, mancher-<lb/>
ley Streit verurſacht. <hirendition="#aq"><hirendition="#sup">a</hi></hi>] Einige haben die voͤllige<lb/>
Freiheit des Meeres uͤberhaupt von allem Eigenthum<lb/>
und Herſchaft und den iedermann offenſtehenden Ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">brauch</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[25/0039]
und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 15.
Eigenthum des Flußbettes, nach geaͤn-
dertem Lauf des Waſſers.
Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geſchieht, ploͤtz-
lich ſeinen Lauf, indem er ſich einen ganz andern Weg
macht, ſo behalten die daran liegenden Voͤlker eben
das Recht am Bette, welches ſie am Fluſſe hatten.
Gehoͤrte er beiden zur Haͤlfte, ſo gehoͤrt ihnen auch das
Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum
allein, ſo bleibt ihm auch das verlaſſene Bette, weil
bey Scheidung des Eigenthums nicht ſowohl auf das
voruͤberflieſſende Waſſer, als auf das feſtgegruͤndete
Bette deſſelben Ruͤckſicht zu nehmen iſt. Anders ver-
haͤlt es ſich bey unmerklichen An- und Abſpielungen
auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol-
genden Abſchnitte bey den natuͤrlichen Anwuͤchſen, und
in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et-
was zu ſagen ſeyn wird.
*] Grotius L. II. c. 3. §. 17. Puffendorff L. IV. c. 7.
§. 11. Wolff c. I. §. 107. Vattel L. I. c. 22. §.
270. v. Cancrin 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.
§. 16.
Eigenthum des Meeres uͤberhaupt.
Weit mehrern Schwierigkeiten iſt die Beſtimmung
des Eigenthums und der Herſchaft der groͤſſern auf der
Oberflaͤche der Erde befindlichen Waſſermaſſen, die
man Meere und offene Seen nennt, unterworfen.
Dieſe wichtige Materie hat von ieher, ſowohl unter
den Schriftſtellern, als unter den Nazionen, mancher-
ley Streit verurſacht. a] Einige haben die voͤllige
Freiheit des Meeres uͤberhaupt von allem Eigenthum
und Herſchaft und den iedermann offenſtehenden Ge-
brauch
B 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/39>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.