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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den Landesgrenzen.
einem gewissen Maasstabe die Grenzen zweier Gebiete
machen, ist zwar mancherley Schwierigkeiten unter-
worfen, doch lassen sich solche in Wässern von keinem
beträchtlichen Umfange durch die nahen Ufer etc. und
dabey befindlichen Merkmale gar wohl bezeichnen a].
Weit grösser aber sind diese Schwierigkeiten bey dem
Meere, so daß daher, wie ich schon oben [1. Kap.
§. 16. ff.] bemerkt habe, gewönlich ein Haupteinwurf
gegen das abgeleitete Eigenthum der Nazionen an dem
offenen Meere genommen wird. Doch habe ich dabey
schon erinnert, daß gleichwol auch hier, durch wil-
kührliche Uebereinkunft, nach den Küsten, Inseln und
andern Merkmalen, nicht weniger nach den in neuern
Zeiten erfundenen Hülfsmitteln des Kompasses, der
Abtheilung der Grade etc. eine Art des Eigenthums
und folglich der Grenzen angenommen werden können b]
und besonders letztere würklich zuweilen in sofern be-
stimt werden, daß eine Nazion gegen andere sich ver-
bindet, über gewisse Grenzen nicht zu schiffen, zu
fischen etc. c]; wie man denn auch, schon oben [1. K.
§. 28.] gedachtermaassen, die Grenzen der am Meere
gelegenen Länder, drey Meilen [lieues] in dasselbe
hinein, oder so weit ein Kanonenschus reichen kann,
zu erstrecken pflegt d].

a] Dergleichen Verträge, besonders wegen der Grenzen
des sogenanten Bodensees s. m. in Mosers Tract. von
der Reichsstände Landen etc. 1. B. 2. K. §. 6. S. 16.
und der daselbst angeführten Abhandlung des Buder
de dominio maris Suevici.
b] Papst Alexander VI. zog, wegen der amerikanischen
Entdeckungen in einer Bulle von 1493. eine Grenzlinie
durch den Ocean und schenkte an Spanien: omnes insu-
las et terras firmas inventas et inveniendas -- versus
Occidentem et Meridiem fabricando et constituendo

Von den Landesgrenzen.
einem gewiſſen Maasſtabe die Grenzen zweier Gebiete
machen, iſt zwar mancherley Schwierigkeiten unter-
worfen, doch laſſen ſich ſolche in Waͤſſern von keinem
betraͤchtlichen Umfange durch die nahen Ufer ꝛc. und
dabey befindlichen Merkmale gar wohl bezeichnen a].
Weit groͤſſer aber ſind dieſe Schwierigkeiten bey dem
Meere, ſo daß daher, wie ich ſchon oben [1. Kap.
§. 16. ff.] bemerkt habe, gewoͤnlich ein Haupteinwurf
gegen das abgeleitete Eigenthum der Nazionen an dem
offenen Meere genommen wird. Doch habe ich dabey
ſchon erinnert, daß gleichwol auch hier, durch wil-
kuͤhrliche Uebereinkunft, nach den Kuͤſten, Inſeln und
andern Merkmalen, nicht weniger nach den in neuern
Zeiten erfundenen Huͤlfsmitteln des Kompaſſes, der
Abtheilung der Grade ꝛc. eine Art des Eigenthums
und folglich der Grenzen angenommen werden koͤnnen b]
und beſonders letztere wuͤrklich zuweilen in ſofern be-
ſtimt werden, daß eine Nazion gegen andere ſich ver-
bindet, uͤber gewiſſe Grenzen nicht zu ſchiffen, zu
fiſchen ꝛc. c]; wie man denn auch, ſchon oben [1. K.
§. 28.] gedachtermaaſſen, die Grenzen der am Meere
gelegenen Laͤnder, drey Meilen [lieues] in daſſelbe
hinein, oder ſo weit ein Kanonenſchus reichen kann,
zu erſtrecken pflegt d].

a] Dergleichen Vertraͤge, beſonders wegen der Grenzen
des ſogenanten Bodenſees ſ. m. in Moſers Tract. von
der Reichsſtaͤnde Landen ꝛc. 1. B. 2. K. §. 6. S. 16.
und der daſelbſt angefuͤhrten Abhandlung des Buder
de dominio maris Suevici.
b] Papſt Alexander VI. zog, wegen der amerikaniſchen
Entdeckungen in einer Bulle von 1493. eine Grenzlinie
durch den Ocean und ſchenkte an Spanien: omnes inſu-
las et terras firmas inventas et inveniendas — verſus
Occidentem et Meridiem fabricando et conſtituendo

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[203/0217] Von den Landesgrenzen. einem gewiſſen Maasſtabe die Grenzen zweier Gebiete machen, iſt zwar mancherley Schwierigkeiten unter- worfen, doch laſſen ſich ſolche in Waͤſſern von keinem betraͤchtlichen Umfange durch die nahen Ufer ꝛc. und dabey befindlichen Merkmale gar wohl bezeichnen a]. Weit groͤſſer aber ſind dieſe Schwierigkeiten bey dem Meere, ſo daß daher, wie ich ſchon oben [1. Kap. §. 16. ff.] bemerkt habe, gewoͤnlich ein Haupteinwurf gegen das abgeleitete Eigenthum der Nazionen an dem offenen Meere genommen wird. Doch habe ich dabey ſchon erinnert, daß gleichwol auch hier, durch wil- kuͤhrliche Uebereinkunft, nach den Kuͤſten, Inſeln und andern Merkmalen, nicht weniger nach den in neuern Zeiten erfundenen Huͤlfsmitteln des Kompaſſes, der Abtheilung der Grade ꝛc. eine Art des Eigenthums und folglich der Grenzen angenommen werden koͤnnen b] und beſonders letztere wuͤrklich zuweilen in ſofern be- ſtimt werden, daß eine Nazion gegen andere ſich ver- bindet, uͤber gewiſſe Grenzen nicht zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. c]; wie man denn auch, ſchon oben [1. K. §. 28.] gedachtermaaſſen, die Grenzen der am Meere gelegenen Laͤnder, drey Meilen [lieues] in daſſelbe hinein, oder ſo weit ein Kanonenſchus reichen kann, zu erſtrecken pflegt d]. a] Dergleichen Vertraͤge, beſonders wegen der Grenzen des ſogenanten Bodenſees ſ. m. in Moſers Tract. von der Reichsſtaͤnde Landen ꝛc. 1. B. 2. K. §. 6. S. 16. und der daſelbſt angefuͤhrten Abhandlung des Buder de dominio maris Suevici. b] Papſt Alexander VI. zog, wegen der amerikaniſchen Entdeckungen in einer Bulle von 1493. eine Grenzlinie durch den Ocean und ſchenkte an Spanien: omnes inſu- las et terras firmas inventas et inveniendas — verſus Occidentem et Meridiem fabricando et conſtituendo vnam

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/217>, abgerufen am 26.11.2024.