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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den Landesgrenzen.
fen, welche theils die Natur selbst durch gewaltsame
Zufälle oder Länge der Zeit, theils menschliche Nachläs-
sigkeit oder wohl gar Bosheit ihnen zufügt. Bey den
natürlichen Grenzen, besonders den Flüssen entsteht
daher die Frage: ob ihr veränderter Lauf auch eine Aen-
derung in den Grenzen verursache? Nach den bereits
oben [1. Kap. 1. Abschn. §. 15. u. 2. Abschn. §. 32.]
in Ansehung des Eigenthums angeführten Gründen
komt es hierbey darauf an: ob die Abweichung beträcht-
lich sey oder nicht und ob die an dem Wasser liegende
Territorien eine gemessene oder ungemessene Grenze
haben? Ist die Veränderung unmerklich, oder die
Grenze abgemessen a], so macht auch dies geringe An-
und Abspielen keinen weitern Unterschied. Solte aber
der Fluß seinen ganzen Lauf ändern, so vertritt alsdann
dessen bisheriges Bette die Stelle der Grenze b]. Bey
einem Flusse, der oft seinen Lauf ändert, ist es daher
allerdings zuträglich, noch besondere Grenzzeichen auf-
zustellen und das Austreten durch diensamen Bau zu
hindern c], welches denn ohne Zweifel auf gemein-
schaftliche Kosten geschehen muß d]. Uebrigens werden
die Grenzen bey den meisten Nazionen für heilig und un-
verletzlich gehalten, und die muthwilligen oder boshaften
Veränderungen und Zernichtungen der Grenzzeichen an
den Unterthanen mit den härtesten Strafen belegt c].

a] Hildebrand diss. cit. de diversit. lapid. final. c. 4.
§. 3.
b] Grotius L. II. c. 3. §. 16. Wolff I. G. c. 1. §. 107.
ff. Vattel L. I. c. 22. §. 269. u. 270. v. Can-
crin Wasserrecht 2. Abth. 1. Kap. §. 20. S. 110.
c] In Ansehung der Netze, welche nach dem Vertrage
zwischen Polen und Preussen die Grenze der abgetretenen
Lande machen solte, erinnerte man von letzterer Seite
daher ganz richtig: comme cette riviere change sou-
vent de cours et d'extension il n'y auroit point de

Von den Landesgrenzen.
fen, welche theils die Natur ſelbſt durch gewaltſame
Zufaͤlle oder Laͤnge der Zeit, theils menſchliche Nachlaͤſ-
ſigkeit oder wohl gar Bosheit ihnen zufuͤgt. Bey den
natuͤrlichen Grenzen, beſonders den Fluͤſſen entſteht
daher die Frage: ob ihr veraͤnderter Lauf auch eine Aen-
derung in den Grenzen verurſache? Nach den bereits
oben [1. Kap. 1. Abſchn. §. 15. u. 2. Abſchn. §. 32.]
in Anſehung des Eigenthums angefuͤhrten Gruͤnden
komt es hierbey darauf an: ob die Abweichung betraͤcht-
lich ſey oder nicht und ob die an dem Waſſer liegende
Territorien eine gemeſſene oder ungemeſſene Grenze
haben? Iſt die Veraͤnderung unmerklich, oder die
Grenze abgemeſſen a], ſo macht auch dies geringe An-
und Abſpielen keinen weitern Unterſchied. Solte aber
der Fluß ſeinen ganzen Lauf aͤndern, ſo vertritt alsdann
deſſen bisheriges Bette die Stelle der Grenze b]. Bey
einem Fluſſe, der oft ſeinen Lauf aͤndert, iſt es daher
allerdings zutraͤglich, noch beſondere Grenzzeichen auf-
zuſtellen und das Austreten durch dienſamen Bau zu
hindern c], welches denn ohne Zweifel auf gemein-
ſchaftliche Koſten geſchehen muß d]. Uebrigens werden
die Grenzen bey den meiſten Nazionen fuͤr heilig und un-
verletzlich gehalten, und die muthwilligen oder boshaften
Veraͤnderungen und Zernichtungen der Grenzzeichen an
den Unterthanen mit den haͤrteſten Strafen belegt c].

a] Hildebrand diſſ. cit. de diverſit. lapid. final. c. 4.
§. 3.
b] Grotius L. II. c. 3. §. 16. Wolff I. G. c. 1. §. 107.
ff. Vattel L. I. c. 22. §. 269. u. 270. v. Can-
crin Waſſerrecht 2. Abth. 1. Kap. §. 20. S. 110.
c] In Anſehung der Netze, welche nach dem Vertrage
zwiſchen Polen und Preuſſen die Grenze der abgetretenen
Lande machen ſolte, erinnerte man von letzterer Seite
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[198/0212] Von den Landesgrenzen. fen, welche theils die Natur ſelbſt durch gewaltſame Zufaͤlle oder Laͤnge der Zeit, theils menſchliche Nachlaͤſ- ſigkeit oder wohl gar Bosheit ihnen zufuͤgt. Bey den natuͤrlichen Grenzen, beſonders den Fluͤſſen entſteht daher die Frage: ob ihr veraͤnderter Lauf auch eine Aen- derung in den Grenzen verurſache? Nach den bereits oben [1. Kap. 1. Abſchn. §. 15. u. 2. Abſchn. §. 32.] in Anſehung des Eigenthums angefuͤhrten Gruͤnden komt es hierbey darauf an: ob die Abweichung betraͤcht- lich ſey oder nicht und ob die an dem Waſſer liegende Territorien eine gemeſſene oder ungemeſſene Grenze haben? Iſt die Veraͤnderung unmerklich, oder die Grenze abgemeſſen a], ſo macht auch dies geringe An- und Abſpielen keinen weitern Unterſchied. Solte aber der Fluß ſeinen ganzen Lauf aͤndern, ſo vertritt alsdann deſſen bisheriges Bette die Stelle der Grenze b]. Bey einem Fluſſe, der oft ſeinen Lauf aͤndert, iſt es daher allerdings zutraͤglich, noch beſondere Grenzzeichen auf- zuſtellen und das Austreten durch dienſamen Bau zu hindern c], welches denn ohne Zweifel auf gemein- ſchaftliche Koſten geſchehen muß d]. Uebrigens werden die Grenzen bey den meiſten Nazionen fuͤr heilig und un- verletzlich gehalten, und die muthwilligen oder boshaften Veraͤnderungen und Zernichtungen der Grenzzeichen an den Unterthanen mit den haͤrteſten Strafen belegt c]. a] Hildebrand diſſ. cit. de diverſit. lapid. final. c. 4. §. 3. b] Grotius L. II. c. 3. §. 16. Wolff I. G. c. 1. §. 107. ff. Vattel L. I. c. 22. §. 269. u. 270. v. Can- crin Waſſerrecht 2. Abth. 1. Kap. §. 20. S. 110. c] In Anſehung der Netze, welche nach dem Vertrage zwiſchen Polen und Preuſſen die Grenze der abgetretenen Lande machen ſolte, erinnerte man von letzterer Seite daher ganz richtig: comme cette rivière change ſou- vent de cours et d’extenſion il n’y auroit point de limites

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/212>, abgerufen am 23.11.2024.