§. 13. Leistung derselben ohne Nachtheil der Pflichten gegen sich selbst.
Die geselschaftliche Vereinigung und wechselseitige Liebe unter den Nazionen verlangen, daß sie alles, was in ihrem Vermögen steht, zur gemeinschaft- lichen Glückseligkeit beitragen, so weit die Pflich- ten gegen sich selbst es erlauben. [K. 2. §. 8.] Was in ihrer Gewalt nicht steht, wenn sie gleich wolten, da- zu können sie nicht verbunden werden. Diese Verbind- lichkeit hört auch auf, wenn die Hülfsleistung nicht an- ders, als mit Aufopferung der Pflichten gegen sich selbst geschehen könte; denn wenn man seine Kräfte zum eignen Bedürfnis braucht, ist es eben so viel, als hätte man sie nicht. Man muß, vermöge der natürlichen Verbind- lichkeit gegen sich selbst, zuerst für sich und dann für an- dre sorgen. Wenn beiderlei Pflichten mit einander strei- ten, behalten die erstern ohnstreitig den Vorzug a].
Die Beurteilung, ob ein Volk im Stande sey, die Glückseligkeit andrer, ohne Verletzung seiner eignen Pflichten, zu befördern, ist, vermöge der natürlichen Freiheit, dem Volke überlassen, welches die Liebespflich- ten ausüben soll. Eben so hat es auch das Recht, zu untersuchen, ob das andere Volk der Unterstützung würk- lich bedürfe b].
a]Wolf c. 2. §. 206.
b]Schrodt P. I. c. 3. §. 51.
§. 14.
Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts.
*]Schrodt P. I. c. 3. §. 6. u. f.
§. 13. Leiſtung derſelben ohne Nachtheil der Pflichten gegen ſich ſelbſt.
Die geſelſchaftliche Vereinigung und wechſelſeitige Liebe unter den Nazionen verlangen, daß ſie alles, was in ihrem Vermoͤgen ſteht, zur gemeinſchaft- lichen Gluͤckſeligkeit beitragen, ſo weit die Pflich- ten gegen ſich ſelbſt es erlauben. [K. 2. §. 8.] Was in ihrer Gewalt nicht ſteht, wenn ſie gleich wolten, da- zu koͤnnen ſie nicht verbunden werden. Dieſe Verbind- lichkeit hoͤrt auch auf, wenn die Huͤlfsleiſtung nicht an- ders, als mit Aufopferung der Pflichten gegen ſich ſelbſt geſchehen koͤnte; denn wenn man ſeine Kraͤfte zum eignen Beduͤrfnis braucht, iſt es eben ſo viel, als haͤtte man ſie nicht. Man muß, vermoͤge der natuͤrlichen Verbind- lichkeit gegen ſich ſelbſt, zuerſt fuͤr ſich und dann fuͤr an- dre ſorgen. Wenn beiderlei Pflichten mit einander ſtrei- ten, behalten die erſtern ohnſtreitig den Vorzug a].
Die Beurteilung, ob ein Volk im Stande ſey, die Gluͤckſeligkeit andrer, ohne Verletzung ſeiner eignen Pflichten, zu befoͤrdern, iſt, vermoͤge der natuͤrlichen Freiheit, dem Volke uͤberlaſſen, welches die Liebespflich- ten ausuͤben ſoll. Eben ſo hat es auch das Recht, zu unterſuchen, ob das andere Volk der Unterſtuͤtzung wuͤrk- lich beduͤrfe b].
a]Wolf c. 2. §. 206.
b]Schrodt P. I. c. 3. §. 51.
§. 14.
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Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts.
*] Schrodt P. I. c. 3. §. 6. u. f.
§. 13.
Leiſtung derſelben ohne Nachtheil der
Pflichten gegen ſich ſelbſt.
Die geſelſchaftliche Vereinigung und wechſelſeitige
Liebe unter den Nazionen verlangen, daß ſie alles,
was in ihrem Vermoͤgen ſteht, zur gemeinſchaft-
lichen Gluͤckſeligkeit beitragen, ſo weit die Pflich-
ten gegen ſich ſelbſt es erlauben. [K. 2. §. 8.] Was
in ihrer Gewalt nicht ſteht, wenn ſie gleich wolten, da-
zu koͤnnen ſie nicht verbunden werden. Dieſe Verbind-
lichkeit hoͤrt auch auf, wenn die Huͤlfsleiſtung nicht an-
ders, als mit Aufopferung der Pflichten gegen ſich ſelbſt
geſchehen koͤnte; denn wenn man ſeine Kraͤfte zum eignen
Beduͤrfnis braucht, iſt es eben ſo viel, als haͤtte man ſie
nicht. Man muß, vermoͤge der natuͤrlichen Verbind-
lichkeit gegen ſich ſelbſt, zuerſt fuͤr ſich und dann fuͤr an-
dre ſorgen. Wenn beiderlei Pflichten mit einander ſtrei-
ten, behalten die erſtern ohnſtreitig den Vorzug a].
Die Beurteilung, ob ein Volk im Stande ſey,
die Gluͤckſeligkeit andrer, ohne Verletzung ſeiner eignen
Pflichten, zu befoͤrdern, iſt, vermoͤge der natuͤrlichen
Freiheit, dem Volke uͤberlaſſen, welches die Liebespflich-
ten ausuͤben ſoll. Eben ſo hat es auch das Recht, zu
unterſuchen, ob das andere Volk der Unterſtuͤtzung wuͤrk-
lich beduͤrfe b].
a] Wolf c. 2. §. 206.
b] Schrodt P. I. c. 3. §. 51.
§. 14.
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/424>, abgerufen am 16.02.2025.
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