Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.Von der Macht der Nazionen nünftigen Muthmaßung und Wahrscheinlichkeit zu Wer-ke gehn h]. Andere hingegen nehmen die Parthey des Grotius i], 1] Wenn die Macht einer Nazion der ganzen Völ- 2] Wenn man einem rechtmässig kriegenden Bunds- 3] Wenn bey Vergrößerung der Macht die deshalb Unter diesen Umständen hält man es für erlaubt, der mäch-
Von der Macht der Nazionen nuͤnftigen Muthmaßung und Wahrſcheinlichkeit zu Wer-ke gehn h]. Andere hingegen nehmen die Parthey des Grotius i], 1] Wenn die Macht einer Nazion der ganzen Voͤl- 2] Wenn man einem rechtmaͤſſig kriegenden Bunds- 3] Wenn bey Vergroͤßerung der Macht die deshalb Unter dieſen Umſtaͤnden haͤlt man es fuͤr erlaubt, der maͤch-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0390" n="364"/><fw place="top" type="header">Von der Macht der Nazionen</fw><lb/> nuͤnftigen Muthmaßung und Wahrſcheinlichkeit zu Wer-<lb/> ke gehn <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">h</hi></hi>].</p><lb/> <p>Andere hingegen nehmen die Parthey des Grotius <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">i</hi></hi>],<lb/> und misbilligen alles feindſelige Unternehmen gegen eine<lb/> Nazion, die bey aller ihrer uͤberwiegenden Macht, durch<lb/> ein gerechtes und vorſichtiges Betragen, andern doch<lb/> keine Urſach zu Mistrauen giebt. Der Krieg, ſagen<lb/> ſie, ſetze eine wuͤrkliche Beleidigung oder wenigſtens die<lb/> moraliſche Gewisheit von der Abſicht zu beleidigen vor-<lb/> aus, wofuͤr die Vergroͤßerung der Macht allein nicht<lb/> anzuſehn, ob ſie gleich Furcht zu erregen vermoͤge. Das<lb/> Gleichgewicht habe blos den Vortheil zur Abſicht, daß<lb/> bey entſtehendem Kriege einer ungerechten Gewalt gleiche<lb/> Macht entgegengeſezt werden koͤnne. Weder Furcht noch<lb/> Nutzen berechtigten iedoch zum Kriege <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">k</hi></hi>]. Indes erlau-<lb/> ben ſie den Krieg zu Erhaltung des Gleichgewichts gleich-<lb/> wohl in gewiſſen Faͤllen, und zwar:</p><lb/> <p>1] Wenn die Macht einer Nazion der ganzen Voͤl-<lb/> kergeſelſchaft ſo furchtbar wird, [<hi rendition="#aq">tremenda</hi>] daß man<lb/> von der bevorſtehenden Beleidigung durch aufgefangene<lb/> Briefe ꝛc. oder ſonſt, die klaͤrſten Beweiſe, wenigſtens<lb/> eine moraliſche Gewisheit hat. Dieſe Nazion muß<lb/> nicht allein durch ſtarke Ruͤſtungen, Truppenvermeh-<lb/> rung ꝛc., ſondern auch durch deutliche Merkmale von<lb/> Ungerechtigkeit, Habſucht, Stolz, Ehrgeiz und Herſch-<lb/> begierde ſich verdaͤchtig gemacht haben <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">l</hi></hi>].</p><lb/> <p>2] Wenn man einem rechtmaͤſſig kriegenden Bunds-<lb/> genoſſen gegen einen uͤbermaͤchtigen Staat, aus Furcht<lb/> vor Unterdruͤckung, beiſteht <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">m</hi></hi>], oder deſſen Feinden auf<lb/> andere Art Vorſchub thut <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">n</hi></hi>].</p><lb/> <p>3] Wenn bey Vergroͤßerung der Macht die deshalb<lb/> verhandenen Vertraͤge verlezt werden.</p><lb/> <p>Unter dieſen Umſtaͤnden haͤlt man es fuͤr erlaubt, der<lb/> Gefahr zuvorzukommen, oder auch eine ſchon gar zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">maͤch-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [364/0390]
Von der Macht der Nazionen
nuͤnftigen Muthmaßung und Wahrſcheinlichkeit zu Wer-
ke gehn h].
Andere hingegen nehmen die Parthey des Grotius i],
und misbilligen alles feindſelige Unternehmen gegen eine
Nazion, die bey aller ihrer uͤberwiegenden Macht, durch
ein gerechtes und vorſichtiges Betragen, andern doch
keine Urſach zu Mistrauen giebt. Der Krieg, ſagen
ſie, ſetze eine wuͤrkliche Beleidigung oder wenigſtens die
moraliſche Gewisheit von der Abſicht zu beleidigen vor-
aus, wofuͤr die Vergroͤßerung der Macht allein nicht
anzuſehn, ob ſie gleich Furcht zu erregen vermoͤge. Das
Gleichgewicht habe blos den Vortheil zur Abſicht, daß
bey entſtehendem Kriege einer ungerechten Gewalt gleiche
Macht entgegengeſezt werden koͤnne. Weder Furcht noch
Nutzen berechtigten iedoch zum Kriege k]. Indes erlau-
ben ſie den Krieg zu Erhaltung des Gleichgewichts gleich-
wohl in gewiſſen Faͤllen, und zwar:
1] Wenn die Macht einer Nazion der ganzen Voͤl-
kergeſelſchaft ſo furchtbar wird, [tremenda] daß man
von der bevorſtehenden Beleidigung durch aufgefangene
Briefe ꝛc. oder ſonſt, die klaͤrſten Beweiſe, wenigſtens
eine moraliſche Gewisheit hat. Dieſe Nazion muß
nicht allein durch ſtarke Ruͤſtungen, Truppenvermeh-
rung ꝛc., ſondern auch durch deutliche Merkmale von
Ungerechtigkeit, Habſucht, Stolz, Ehrgeiz und Herſch-
begierde ſich verdaͤchtig gemacht haben l].
2] Wenn man einem rechtmaͤſſig kriegenden Bunds-
genoſſen gegen einen uͤbermaͤchtigen Staat, aus Furcht
vor Unterdruͤckung, beiſteht m], oder deſſen Feinden auf
andere Art Vorſchub thut n].
3] Wenn bey Vergroͤßerung der Macht die deshalb
verhandenen Vertraͤge verlezt werden.
Unter dieſen Umſtaͤnden haͤlt man es fuͤr erlaubt, der
Gefahr zuvorzukommen, oder auch eine ſchon gar zu
maͤch-
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