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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der Macht der Nazionen
Oesterreich, Frankreich und Spanien durch die vorherigen
Kriege zu sehr erschöpft und von friedliebenden Fürsten
beherscht waren. Die beiden Seemächte hatten in die-
sem Zwischenraum keine weitere Gelegenheit von dem
Namen und der Rolle des Gleichgewichts Gebrauch zu
machen, als in Unterhandlungen, Vermittelungen und
Bündnissen z. B. dem Barrieretractat, der Quadrupel-
allianz, der Hannöverischen, Wusterhausischen und an-
dern Allianzen. Man glaubte durch die Garantie der
pragmatischen Sanction, welche die Erbfolge der ganzen
österreichischen Monarchie, der Tochter Kaiser Karls VI.
versichern solte, für die Erhaltung des Gleichgewichts
hinlänglich gesorgt zu haben. Indes gab die 1740 mit
dem Tode dieses Fürsten erfolgte Erlöschung des österrei-
chischen Mannsstammes dem Gleichgewicht von Europa
eine andere Gestalt. Der Kurfürst von Bayern machte
Ansprüche auf die ganze bayerische Erbschaft, und ward
von Frankreich und Spanien unterstüzt. Die Tochter
Kaiser Karls VI., welche die beiden Seemächte, vermöge
des Systems der pragmatischen Sanction und des Gleich-
gewichts von Europa auf ihrer Seite hatte, überstand
den Krieg von 1740 bis 1748, und behielt im Aachner
Frieden endlich die ganze österreichische Monarchie, das
Herzogthum Schlesien ausgenommen, welches dem König
von Preussen, besonderer Ansprüche wegen, auf eine
rechtmässige Art in dem Breslauer Frieden 1742 über-
lassen ward, den die Friedensschlüsse zu Dresden und
Hubertsburg in der Folge bestätiget haben. ----

Die innerlichen Unruhen in Pohlen gaben den drey
benachbarten Mächten Gelegenheit, gewisse Ansprüche
auf einige polnische Provinzen geltend zu machen, und
es erfolgte 1772 deren Theilung nach den Grundsätzen
eines Gleichgewichts, worüber diese drey Mächte sich mit
einander vereinigt hatten."

Zwar

Von der Macht der Nazionen
Oeſterreich, Frankreich und Spanien durch die vorherigen
Kriege zu ſehr erſchoͤpft und von friedliebenden Fuͤrſten
beherſcht waren. Die beiden Seemaͤchte hatten in die-
ſem Zwiſchenraum keine weitere Gelegenheit von dem
Namen und der Rolle des Gleichgewichts Gebrauch zu
machen, als in Unterhandlungen, Vermittelungen und
Buͤndniſſen z. B. dem Barrieretractat, der Quadrupel-
allianz, der Hannoͤveriſchen, Wuſterhauſiſchen und an-
dern Allianzen. Man glaubte durch die Garantie der
pragmatiſchen Sanction, welche die Erbfolge der ganzen
oͤſterreichiſchen Monarchie, der Tochter Kaiſer Karls VI.
verſichern ſolte, fuͤr die Erhaltung des Gleichgewichts
hinlaͤnglich geſorgt zu haben. Indes gab die 1740 mit
dem Tode dieſes Fuͤrſten erfolgte Erloͤſchung des oͤſterrei-
chiſchen Mannsſtammes dem Gleichgewicht von Europa
eine andere Geſtalt. Der Kurfuͤrſt von Bayern machte
Anſpruͤche auf die ganze bayeriſche Erbſchaft, und ward
von Frankreich und Spanien unterſtuͤzt. Die Tochter
Kaiſer Karls VI., welche die beiden Seemaͤchte, vermoͤge
des Syſtems der pragmatiſchen Sanction und des Gleich-
gewichts von Europa auf ihrer Seite hatte, uͤberſtand
den Krieg von 1740 bis 1748, und behielt im Aachner
Frieden endlich die ganze oͤſterreichiſche Monarchie, das
Herzogthum Schleſien ausgenommen, welches dem Koͤnig
von Preuſſen, beſonderer Anſpruͤche wegen, auf eine
rechtmaͤſſige Art in dem Breslauer Frieden 1742 uͤber-
laſſen ward, den die Friedensſchluͤſſe zu Dresden und
Hubertsburg in der Folge beſtaͤtiget haben. ——

Die innerlichen Unruhen in Pohlen gaben den drey
benachbarten Maͤchten Gelegenheit, gewiſſe Anſpruͤche
auf einige polniſche Provinzen geltend zu machen, und
es erfolgte 1772 deren Theilung nach den Grundſaͤtzen
eines Gleichgewichts, woruͤber dieſe drey Maͤchte ſich mit
einander vereinigt hatten.”

Zwar
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[344/0370] Von der Macht der Nazionen Oeſterreich, Frankreich und Spanien durch die vorherigen Kriege zu ſehr erſchoͤpft und von friedliebenden Fuͤrſten beherſcht waren. Die beiden Seemaͤchte hatten in die- ſem Zwiſchenraum keine weitere Gelegenheit von dem Namen und der Rolle des Gleichgewichts Gebrauch zu machen, als in Unterhandlungen, Vermittelungen und Buͤndniſſen z. B. dem Barrieretractat, der Quadrupel- allianz, der Hannoͤveriſchen, Wuſterhauſiſchen und an- dern Allianzen. Man glaubte durch die Garantie der pragmatiſchen Sanction, welche die Erbfolge der ganzen oͤſterreichiſchen Monarchie, der Tochter Kaiſer Karls VI. verſichern ſolte, fuͤr die Erhaltung des Gleichgewichts hinlaͤnglich geſorgt zu haben. Indes gab die 1740 mit dem Tode dieſes Fuͤrſten erfolgte Erloͤſchung des oͤſterrei- chiſchen Mannsſtammes dem Gleichgewicht von Europa eine andere Geſtalt. Der Kurfuͤrſt von Bayern machte Anſpruͤche auf die ganze bayeriſche Erbſchaft, und ward von Frankreich und Spanien unterſtuͤzt. Die Tochter Kaiſer Karls VI., welche die beiden Seemaͤchte, vermoͤge des Syſtems der pragmatiſchen Sanction und des Gleich- gewichts von Europa auf ihrer Seite hatte, uͤberſtand den Krieg von 1740 bis 1748, und behielt im Aachner Frieden endlich die ganze oͤſterreichiſche Monarchie, das Herzogthum Schleſien ausgenommen, welches dem Koͤnig von Preuſſen, beſonderer Anſpruͤche wegen, auf eine rechtmaͤſſige Art in dem Breslauer Frieden 1742 uͤber- laſſen ward, den die Friedensſchluͤſſe zu Dresden und Hubertsburg in der Folge beſtaͤtiget haben. —— Die innerlichen Unruhen in Pohlen gaben den drey benachbarten Maͤchten Gelegenheit, gewiſſe Anſpruͤche auf einige polniſche Provinzen geltend zu machen, und es erfolgte 1772 deren Theilung nach den Grundſaͤtzen eines Gleichgewichts, woruͤber dieſe drey Maͤchte ſich mit einander vereinigt hatten.” Zwar

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/370>, abgerufen am 24.11.2024.