Viertes Kapitel. Von der Freiheit der Nazionen, ihre Handlungen nach eignem Gefallen einzurichten.
§. 1. Diese Freiheit fließt aus der Unabhängig- keit und Gleichheit der Nazionen.
Da die Völker von Natur unabhängig und einander volkommen gleich sind, also keine Oberherschaft, kein Gebot oder Verbot, noch Strafen unter ihnen statt findet a], so folgt daraus vorzüglich der Grundsatz, daß iedes souveraine Volk und dessen Regent, der Regel nach, das Recht habe, seine Handlungen und die Regierung des Staatskörpers nach eignem Gutdünken einzurichten b], ohne daß eine andere Nazion befugt ist, sich darein zu mischen, das handelnde Volk deshalb zur Rede zu stellen, sich zum Richter darüber aufzuwerfen, oder eine Abände- rung der getroffenen Veranstaltungen zu verlangen. Folglich ist auch keine Nazion verbunden, dergleichen Einmischung von andern zu leiden, ihnen von ihrem Thun und Lassen Rede und Antwort zu geben c], noch deren Gebote oder Verbote anzunehmen. Ein Grund- satz, den alle freie Völker, ihres eignen Vorteils wegen, ohne Widerrede anerkennen.
a] Fr. Carl von Moser Abhandlung von dem Recht eines Souverains und freien Volks den andern wegen seinen Handlungen zu Rede zu stellen; in dessen kleinen Schrif- ten etc. 6. B. n. VI. S. 287. besonders §. 8. S. 289.
b]
Viertes Kapitel. Von der Freiheit der Nazionen, ihre Handlungen nach eignem Gefallen einzurichten.
§. 1. Dieſe Freiheit fließt aus der Unabhaͤngig- keit und Gleichheit der Nazionen.
Da die Voͤlker von Natur unabhaͤngig und einander volkommen gleich ſind, alſo keine Oberherſchaft, kein Gebot oder Verbot, noch Strafen unter ihnen ſtatt findet a], ſo folgt daraus vorzuͤglich der Grundſatz, daß iedes ſouveraine Volk und deſſen Regent, der Regel nach, das Recht habe, ſeine Handlungen und die Regierung des Staatskoͤrpers nach eignem Gutduͤnken einzurichten b], ohne daß eine andere Nazion befugt iſt, ſich darein zu miſchen, das handelnde Volk deshalb zur Rede zu ſtellen, ſich zum Richter daruͤber aufzuwerfen, oder eine Abaͤnde- rung der getroffenen Veranſtaltungen zu verlangen. Folglich iſt auch keine Nazion verbunden, dergleichen Einmiſchung von andern zu leiden, ihnen von ihrem Thun und Laſſen Rede und Antwort zu geben c], noch deren Gebote oder Verbote anzunehmen. Ein Grund- ſatz, den alle freie Voͤlker, ihres eignen Vorteils wegen, ohne Widerrede anerkennen.
a] Fr. Carl von Moſer Abhandlung von dem Recht eines Souverains und freien Volks den andern wegen ſeinen Handlungen zu Rede zu ſtellen; in deſſen kleinen Schrif- ten ꝛc. 6. B. n. VI. S. 287. beſonders §. 8. S. 289.
b]
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Viertes Kapitel.
Von der Freiheit der Nazionen, ihre Handlungen
nach eignem Gefallen einzurichten.
§. 1.
Dieſe Freiheit fließt aus der Unabhaͤngig-
keit und Gleichheit der Nazionen.
Da die Voͤlker von Natur unabhaͤngig und einander
volkommen gleich ſind, alſo keine Oberherſchaft,
kein Gebot oder Verbot, noch Strafen unter ihnen ſtatt
findet a], ſo folgt daraus vorzuͤglich der Grundſatz, daß
iedes ſouveraine Volk und deſſen Regent, der Regel nach,
das Recht habe, ſeine Handlungen und die Regierung
des Staatskoͤrpers nach eignem Gutduͤnken einzurichten b],
ohne daß eine andere Nazion befugt iſt, ſich darein zu
miſchen, das handelnde Volk deshalb zur Rede zu ſtellen,
ſich zum Richter daruͤber aufzuwerfen, oder eine Abaͤnde-
rung der getroffenen Veranſtaltungen zu verlangen.
Folglich iſt auch keine Nazion verbunden, dergleichen
Einmiſchung von andern zu leiden, ihnen von ihrem
Thun und Laſſen Rede und Antwort zu geben c], noch
deren Gebote oder Verbote anzunehmen. Ein Grund-
ſatz, den alle freie Voͤlker, ihres eignen Vorteils wegen,
ohne Widerrede anerkennen.
a] Fr. Carl von Moſer Abhandlung von dem Recht eines
Souverains und freien Volks den andern wegen ſeinen
Handlungen zu Rede zu ſtellen; in deſſen kleinen Schrif-
ten ꝛc. 6. B. n. VI. S. 287. beſonders §. 8. S. 289.
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/306>, abgerufen am 16.02.2025.
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