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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der ursprünglichen Gleichheit
nicht vereinigen konnten, ließen sie einen runden Saal
und für ieden Gesandten eine Thür in denselben erbauen.
Vor den Thüren waren die Zelter derselben, iedes nach
der Gegend seines Landes aufgeschlagen. Bey der Zu-
sammenkunft gingen sie mit gleichen Schritten aus ihren
Zelten, kamen zu gleicher Zeit in den Saal, bewilkom-
ten einander auf einmal, und ieder nahm den Stuhl ein,
den er seiner Thür gerade gegenüber fand. Zu Nimirov
wurden 1737 die Zusammenkünfte zwischen den römisch-
kaiserlichen, russischen und türkischen Gesandten auf ähn-
liche Art in einer Art von Scheune gehalten, welche drey
Thüren hatte, wodurch ieder Gesandte aus seinem von
dem Conferenzort ziemlich entfernten Quartier zu gleicher
Zeit eingieng f].

d] In neuern Zeiten hat man sich über solche die
Unterhandlungen äusserst erschwerende Rangstreitigkeiten
mehrenteils weggesezt. Die Zusammenkünfte werden
gewönlich ohne alles Ceremoniel gehalten, indem die
Gesandten den ersten besten Platz einnehmen, und wider
alles Nachtheilige, welches in Ansehung des Ranges dar-
aus gefolgert werden könte, protestiren, oder vorher des-
halb gewisse Abrede mit einander nehmen. Lezteres ge-
schah auf den Kongressen zu Utrecht, Cambrai, Soissons
und Aachen, wo man unter andern guten Policeyveran-
staltungen dahin übereinkam: "Alle Conferenzen sollen
ohne Ceremoniel gehalten werden, so, daß die Bevol-
mächtigten sich an einen runden Tisch setzen, an welchem
weder ein oberes noch unteres Ende sich befindet. Sie
werden sich an selbigen, so wie sie in den Saal hinein-
kommen, niedersetzen, und daselbst sich mit einander ohne
Unterschied und Rang befinden." g]

3] Bey schriftlichen Unterhandlungen, Aus-
fertigung der Verträge, Friedens- und andrer Instru-
mente pflegen beide Theile, wenn der Vorrang nicht ent-
schieden ist, abzuwechseln. Jeder sezt nämlich in dem

Exem-

Von der urſpruͤnglichen Gleichheit
nicht vereinigen konnten, ließen ſie einen runden Saal
und fuͤr ieden Geſandten eine Thuͤr in denſelben erbauen.
Vor den Thuͤren waren die Zelter derſelben, iedes nach
der Gegend ſeines Landes aufgeſchlagen. Bey der Zu-
ſammenkunft gingen ſie mit gleichen Schritten aus ihren
Zelten, kamen zu gleicher Zeit in den Saal, bewilkom-
ten einander auf einmal, und ieder nahm den Stuhl ein,
den er ſeiner Thuͤr gerade gegenuͤber fand. Zu Nimirov
wurden 1737 die Zuſammenkuͤnfte zwiſchen den roͤmiſch-
kaiſerlichen, ruſſiſchen und tuͤrkiſchen Geſandten auf aͤhn-
liche Art in einer Art von Scheune gehalten, welche drey
Thuͤren hatte, wodurch ieder Geſandte aus ſeinem von
dem Conferenzort ziemlich entfernten Quartier zu gleicher
Zeit eingieng f].

d] In neuern Zeiten hat man ſich uͤber ſolche die
Unterhandlungen aͤuſſerſt erſchwerende Rangſtreitigkeiten
mehrenteils weggeſezt. Die Zuſammenkuͤnfte werden
gewoͤnlich ohne alles Ceremoniel gehalten, indem die
Geſandten den erſten beſten Platz einnehmen, und wider
alles Nachtheilige, welches in Anſehung des Ranges dar-
aus gefolgert werden koͤnte, proteſtiren, oder vorher des-
halb gewiſſe Abrede mit einander nehmen. Lezteres ge-
ſchah auf den Kongreſſen zu Utrecht, Cambrai, Soiſſons
und Aachen, wo man unter andern guten Policeyveran-
ſtaltungen dahin uͤbereinkam: “Alle Conferenzen ſollen
ohne Ceremoniel gehalten werden, ſo, daß die Bevol-
maͤchtigten ſich an einen runden Tiſch ſetzen, an welchem
weder ein oberes noch unteres Ende ſich befindet. Sie
werden ſich an ſelbigen, ſo wie ſie in den Saal hinein-
kommen, niederſetzen, und daſelbſt ſich mit einander ohne
Unterſchied und Rang befinden.” g]

3] Bey ſchriftlichen Unterhandlungen, Aus-
fertigung der Vertraͤge, Friedens- und andrer Inſtru-
mente pflegen beide Theile, wenn der Vorrang nicht ent-
ſchieden iſt, abzuwechſeln. Jeder ſezt naͤmlich in dem

Exem-
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[274/0300] Von der urſpruͤnglichen Gleichheit nicht vereinigen konnten, ließen ſie einen runden Saal und fuͤr ieden Geſandten eine Thuͤr in denſelben erbauen. Vor den Thuͤren waren die Zelter derſelben, iedes nach der Gegend ſeines Landes aufgeſchlagen. Bey der Zu- ſammenkunft gingen ſie mit gleichen Schritten aus ihren Zelten, kamen zu gleicher Zeit in den Saal, bewilkom- ten einander auf einmal, und ieder nahm den Stuhl ein, den er ſeiner Thuͤr gerade gegenuͤber fand. Zu Nimirov wurden 1737 die Zuſammenkuͤnfte zwiſchen den roͤmiſch- kaiſerlichen, ruſſiſchen und tuͤrkiſchen Geſandten auf aͤhn- liche Art in einer Art von Scheune gehalten, welche drey Thuͤren hatte, wodurch ieder Geſandte aus ſeinem von dem Conferenzort ziemlich entfernten Quartier zu gleicher Zeit eingieng f]. d] In neuern Zeiten hat man ſich uͤber ſolche die Unterhandlungen aͤuſſerſt erſchwerende Rangſtreitigkeiten mehrenteils weggeſezt. Die Zuſammenkuͤnfte werden gewoͤnlich ohne alles Ceremoniel gehalten, indem die Geſandten den erſten beſten Platz einnehmen, und wider alles Nachtheilige, welches in Anſehung des Ranges dar- aus gefolgert werden koͤnte, proteſtiren, oder vorher des- halb gewiſſe Abrede mit einander nehmen. Lezteres ge- ſchah auf den Kongreſſen zu Utrecht, Cambrai, Soiſſons und Aachen, wo man unter andern guten Policeyveran- ſtaltungen dahin uͤbereinkam: “Alle Conferenzen ſollen ohne Ceremoniel gehalten werden, ſo, daß die Bevol- maͤchtigten ſich an einen runden Tiſch ſetzen, an welchem weder ein oberes noch unteres Ende ſich befindet. Sie werden ſich an ſelbigen, ſo wie ſie in den Saal hinein- kommen, niederſetzen, und daſelbſt ſich mit einander ohne Unterſchied und Rang befinden.” g] 3] Bey ſchriftlichen Unterhandlungen, Aus- fertigung der Vertraͤge, Friedens- und andrer Inſtru- mente pflegen beide Theile, wenn der Vorrang nicht ent- ſchieden iſt, abzuwechſeln. Jeder ſezt naͤmlich in dem Exem-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/300>, abgerufen am 21.11.2024.