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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der ursprünglichen Gleichheit
züglichsten Platz ein. Ob der König aber gleich ein
Vasall und Kurfürst des teutschen Reichs ist, -- welcher
Eigenschaft halber dessen Rang in Reichsangelegenheiten
unter den übrigen Kurfürsten durch die Reichsgrundge-
setze bestimmt ist -- so behauptet er doch, ausser der Reichs-
verbindung, als gekröntes Haupt, unter den übrigen
Königen in Europa eine Stelle. Die päpstliche Rang-
ordnung weißt ihm den vorletzten Platz zwischen Cypern
und Polen an: letzteres Reich will iedoch, vorerwähn-
termaaßen, den Vorrang haben.

Seitdem das Königreich Böhmen keine eigne Regen-
ten mehr hat, sondern nebst Hungarn von dem erzherzog-
lich-österreichischen und gewönlich zugleich auch kaiserli-
chen Hofe mit besessen wird, fallen die Rangstreitigkei-
ten mit andern europäischen Mächten ziemlich weg, weil,
ausser auf den Reichstag und zu Kaiserwahlen, keine
besondere königlich-böhmische Gesandten geschickt zu
werden pflegen.

*] Crusius, III. c. 8. p. 495. Stosch, S. 683. Zwanzig,
1. Th. Tit. 14. und 16. Roußet, c. XVII. p. 76.

Der Republick Genf würde, wenn sich Gelegenhei-
ten darbieten solten, wo ihr Rang in Frage käme, als
einem freien Staat wenigstens vor den halbsouverainen
Reichsstädten der Rang gebühren, und ihr und ihren
Abgeordneten gleiche Behandlung mit den einzelnen
Schweitzercantons zuzugestehn seyn.

*] Zwanzig, 1. Th. Tit. 76.

Von Savoyen, Toscana etc. will ich weiter unten
bey den italiänischen Reichsfürsten noch etwas weniges
sagen.

§. 40.

Von der urſpruͤnglichen Gleichheit
zuͤglichſten Platz ein. Ob der Koͤnig aber gleich ein
Vaſall und Kurfuͤrſt des teutſchen Reichs iſt, — welcher
Eigenſchaft halber deſſen Rang in Reichsangelegenheiten
unter den uͤbrigen Kurfuͤrſten durch die Reichsgrundge-
ſetze beſtimmt iſt — ſo behauptet er doch, auſſer der Reichs-
verbindung, als gekroͤntes Haupt, unter den uͤbrigen
Koͤnigen in Europa eine Stelle. Die paͤpſtliche Rang-
ordnung weißt ihm den vorletzten Platz zwiſchen Cypern
und Polen an: letzteres Reich will iedoch, vorerwaͤhn-
termaaßen, den Vorrang haben.

Seitdem das Koͤnigreich Boͤhmen keine eigne Regen-
ten mehr hat, ſondern nebſt Hungarn von dem erzherzog-
lich-oͤſterreichiſchen und gewoͤnlich zugleich auch kaiſerli-
chen Hofe mit beſeſſen wird, fallen die Rangſtreitigkei-
ten mit andern europaͤiſchen Maͤchten ziemlich weg, weil,
auſſer auf den Reichstag und zu Kaiſerwahlen, keine
beſondere koͤniglich-boͤhmiſche Geſandten geſchickt zu
werden pflegen.

*] Cruſius, III. c. 8. p. 495. Stoſch, S. 683. Zwanzig,
1. Th. Tit. 14. und 16. Roußet, c. XVII. p. 76.

Der Republick Genf wuͤrde, wenn ſich Gelegenhei-
ten darbieten ſolten, wo ihr Rang in Frage kaͤme, als
einem freien Staat wenigſtens vor den halbſouverainen
Reichsſtaͤdten der Rang gebuͤhren, und ihr und ihren
Abgeordneten gleiche Behandlung mit den einzelnen
Schweitzercantons zuzugeſtehn ſeyn.

*] Zwanzig, 1. Th. Tit. 76.

Von Savoyen, Toſcana ꝛc. will ich weiter unten
bey den italiaͤniſchen Reichsfuͤrſten noch etwas weniges
ſagen.

§. 40.
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[252/0278] Von der urſpruͤnglichen Gleichheit zuͤglichſten Platz ein. Ob der Koͤnig aber gleich ein Vaſall und Kurfuͤrſt des teutſchen Reichs iſt, — welcher Eigenſchaft halber deſſen Rang in Reichsangelegenheiten unter den uͤbrigen Kurfuͤrſten durch die Reichsgrundge- ſetze beſtimmt iſt — ſo behauptet er doch, auſſer der Reichs- verbindung, als gekroͤntes Haupt, unter den uͤbrigen Koͤnigen in Europa eine Stelle. Die paͤpſtliche Rang- ordnung weißt ihm den vorletzten Platz zwiſchen Cypern und Polen an: letzteres Reich will iedoch, vorerwaͤhn- termaaßen, den Vorrang haben. Seitdem das Koͤnigreich Boͤhmen keine eigne Regen- ten mehr hat, ſondern nebſt Hungarn von dem erzherzog- lich-oͤſterreichiſchen und gewoͤnlich zugleich auch kaiſerli- chen Hofe mit beſeſſen wird, fallen die Rangſtreitigkei- ten mit andern europaͤiſchen Maͤchten ziemlich weg, weil, auſſer auf den Reichstag und zu Kaiſerwahlen, keine beſondere koͤniglich-boͤhmiſche Geſandten geſchickt zu werden pflegen. *] Cruſius, III. c. 8. p. 495. Stoſch, S. 683. Zwanzig, 1. Th. Tit. 14. und 16. Roußet, c. XVII. p. 76. Der Republick Genf wuͤrde, wenn ſich Gelegenhei- ten darbieten ſolten, wo ihr Rang in Frage kaͤme, als einem freien Staat wenigſtens vor den halbſouverainen Reichsſtaͤdten der Rang gebuͤhren, und ihr und ihren Abgeordneten gleiche Behandlung mit den einzelnen Schweitzercantons zuzugeſtehn ſeyn. *] Zwanzig, 1. Th. Tit. 76. Von Savoyen, Toſcana ꝛc. will ich weiter unten bey den italiaͤniſchen Reichsfuͤrſten noch etwas weniges ſagen. §. 40.

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/278>, abgerufen am 24.11.2024.