Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
und dem eingeführten Range der Nazionen.
*] Stosch, S. 127. Zwanzig, 1. Th. Tit. 19. Stiev,
S. 130. Roußet, c. V. p. 45.
§. 33.
Die Pforte.

Die türkischen Kaiser wolten Anfangs sogar den
römischen den Rang streitig machen, und diesen, so wie
allen christlichen und heidnischen Regenten vorgehn.
Aber die römischen Kaiser verweigerten ihnen dafür selbst
den Kaisertitel, den die Sultans, nach Zerstörung des
orientalischen Kaiserthums angenommen hatten, bis
Rudolph II. und Achmet einander als Kaiser erkanten,
und zwar mit der Erklärung, daß Achmet den Rudolf
Vater, Rudolf aber den Achmet Sohn nennen solte.
Aber dies war mehr ein personeller Vergleich a]. Im
Passarowitzer Frieden 1718, Art. 17. versprachen beide
Kaiser einander und ihren Gesandten völlige Gleichheit
im Ceremoniel und diese wird bey vorkommenden Gele-
genheiten äusserst genau beobachtet. Als z. B. 1737
auf dem Kongreß zu Nimirov zwischen Rußland, der
Pforte und dem römischen Kaiser iedes der beiden erstern
drey, der römische Kaiser aber nur zwey Gesandte geschickt
hatte, berief der türkische Kaiser seinen dritten wieder
zurück b]; ia als einst bey Auswechselung der beiderseiti-
gen Gesandten auf der Grenze, der türkische etwas eher
aus dem Steigbiegel war, hielten seine Leute ihn so lange
schwebend, damit er mit dem römisch-kaiserlichen zugleich
auf die Erde steigen möchte. Sie gingen einander mit
gleichen Schritten entgegen etc. c].

Ueberhaupt aber kommen die Gelegenheiten zu Rang-
streitigkeiten mit der Pforte nicht oft vor, weil die Er-
scheinung türkischer Gesandten an den europäischen Höfen
eine seltne Sache ist. In schriftlichen Verhandlungen

wird
Q 4
und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen.
*] Stoſch, S. 127. Zwanzig, 1. Th. Tit. 19. Stiev,
S. 130. Roußet, c. V. p. 45.
§. 33.
Die Pforte.

Die tuͤrkiſchen Kaiſer wolten Anfangs ſogar den
roͤmiſchen den Rang ſtreitig machen, und dieſen, ſo wie
allen chriſtlichen und heidniſchen Regenten vorgehn.
Aber die roͤmiſchen Kaiſer verweigerten ihnen dafuͤr ſelbſt
den Kaiſertitel, den die Sultans, nach Zerſtoͤrung des
orientaliſchen Kaiſerthums angenommen hatten, bis
Rudolph II. und Achmet einander als Kaiſer erkanten,
und zwar mit der Erklaͤrung, daß Achmet den Rudolf
Vater, Rudolf aber den Achmet Sohn nennen ſolte.
Aber dies war mehr ein perſoneller Vergleich a]. Im
Paſſarowitzer Frieden 1718, Art. 17. verſprachen beide
Kaiſer einander und ihren Geſandten voͤllige Gleichheit
im Ceremoniel und dieſe wird bey vorkommenden Gele-
genheiten aͤuſſerſt genau beobachtet. Als z. B. 1737
auf dem Kongreß zu Nimirov zwiſchen Rußland, der
Pforte und dem roͤmiſchen Kaiſer iedes der beiden erſtern
drey, der roͤmiſche Kaiſer aber nur zwey Geſandte geſchickt
hatte, berief der tuͤrkiſche Kaiſer ſeinen dritten wieder
zuruͤck b]; ia als einſt bey Auswechſelung der beiderſeiti-
gen Geſandten auf der Grenze, der tuͤrkiſche etwas eher
aus dem Steigbiegel war, hielten ſeine Leute ihn ſo lange
ſchwebend, damit er mit dem roͤmiſch-kaiſerlichen zugleich
auf die Erde ſteigen moͤchte. Sie gingen einander mit
gleichen Schritten entgegen ꝛc. c].

Ueberhaupt aber kommen die Gelegenheiten zu Rang-
ſtreitigkeiten mit der Pforte nicht oft vor, weil die Er-
ſcheinung tuͤrkiſcher Geſandten an den europaͤiſchen Hoͤfen
eine ſeltne Sache iſt. In ſchriftlichen Verhandlungen

wird
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0273" n="247"/>
            <fw place="top" type="header">und dem eingefu&#x0364;hrten Range der Nazionen.</fw><lb/>
            <note place="end" n="*]">Sto&#x017F;ch, S. 127. Zwanzig, 1. Th. Tit. 19. Stiev,<lb/>
S. 130. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Roußet</hi>, c. V. p.</hi> 45.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 33.<lb/><hi rendition="#g">Die Pforte</hi>.</head><lb/>
            <p>Die tu&#x0364;rki&#x017F;chen Kai&#x017F;er wolten Anfangs &#x017F;ogar den<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;chen den Rang &#x017F;treitig machen, und die&#x017F;en, &#x017F;o wie<lb/>
allen chri&#x017F;tlichen und heidni&#x017F;chen Regenten vorgehn.<lb/>
Aber die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kai&#x017F;er verweigerten ihnen dafu&#x0364;r &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
den Kai&#x017F;ertitel, den die Sultans, nach Zer&#x017F;to&#x0364;rung des<lb/>
orientali&#x017F;chen Kai&#x017F;erthums angenommen hatten, bis<lb/>
Rudolph <hi rendition="#aq">II.</hi> und Achmet einander als Kai&#x017F;er erkanten,<lb/>
und zwar mit der Erkla&#x0364;rung, daß Achmet den Rudolf<lb/><hi rendition="#fr">Vater</hi>, Rudolf aber den Achmet <hi rendition="#fr">Sohn</hi> nennen &#x017F;olte.<lb/>
Aber dies war mehr ein per&#x017F;oneller Vergleich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>]. Im<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;arowitzer Frieden 1718, Art. 17. ver&#x017F;prachen beide<lb/>
Kai&#x017F;er einander und ihren Ge&#x017F;andten vo&#x0364;llige Gleichheit<lb/>
im Ceremoniel und die&#x017F;e wird bey vorkommenden Gele-<lb/>
genheiten a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t genau beobachtet. Als z. B. 1737<lb/>
auf dem Kongreß zu Nimirov zwi&#x017F;chen Rußland, der<lb/>
Pforte und dem ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kai&#x017F;er iedes der beiden er&#x017F;tern<lb/>
drey, der ro&#x0364;mi&#x017F;che Kai&#x017F;er aber nur zwey Ge&#x017F;andte ge&#x017F;chickt<lb/>
hatte, berief der tu&#x0364;rki&#x017F;che Kai&#x017F;er &#x017F;einen dritten wieder<lb/>
zuru&#x0364;ck <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>]; ia als ein&#x017F;t bey Auswech&#x017F;elung der beider&#x017F;eiti-<lb/>
gen Ge&#x017F;andten auf der Grenze, der tu&#x0364;rki&#x017F;che etwas eher<lb/>
aus dem Steigbiegel war, hielten &#x017F;eine Leute ihn &#x017F;o lange<lb/>
&#x017F;chwebend, damit er mit dem ro&#x0364;mi&#x017F;ch-kai&#x017F;erlichen zugleich<lb/>
auf die Erde &#x017F;teigen mo&#x0364;chte. Sie gingen einander mit<lb/>
gleichen Schritten entgegen &#xA75B;c. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>].</p><lb/>
            <p>Ueberhaupt aber kommen die Gelegenheiten zu Rang-<lb/>
&#x017F;treitigkeiten mit der Pforte nicht oft vor, weil die Er-<lb/>
&#x017F;cheinung tu&#x0364;rki&#x017F;cher Ge&#x017F;andten an den europa&#x0364;i&#x017F;chen Ho&#x0364;fen<lb/>
eine &#x017F;eltne Sache i&#x017F;t. In &#x017F;chriftlichen Verhandlungen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw><fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0273] und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen. *] Stoſch, S. 127. Zwanzig, 1. Th. Tit. 19. Stiev, S. 130. Roußet, c. V. p. 45. §. 33. Die Pforte. Die tuͤrkiſchen Kaiſer wolten Anfangs ſogar den roͤmiſchen den Rang ſtreitig machen, und dieſen, ſo wie allen chriſtlichen und heidniſchen Regenten vorgehn. Aber die roͤmiſchen Kaiſer verweigerten ihnen dafuͤr ſelbſt den Kaiſertitel, den die Sultans, nach Zerſtoͤrung des orientaliſchen Kaiſerthums angenommen hatten, bis Rudolph II. und Achmet einander als Kaiſer erkanten, und zwar mit der Erklaͤrung, daß Achmet den Rudolf Vater, Rudolf aber den Achmet Sohn nennen ſolte. Aber dies war mehr ein perſoneller Vergleich a]. Im Paſſarowitzer Frieden 1718, Art. 17. verſprachen beide Kaiſer einander und ihren Geſandten voͤllige Gleichheit im Ceremoniel und dieſe wird bey vorkommenden Gele- genheiten aͤuſſerſt genau beobachtet. Als z. B. 1737 auf dem Kongreß zu Nimirov zwiſchen Rußland, der Pforte und dem roͤmiſchen Kaiſer iedes der beiden erſtern drey, der roͤmiſche Kaiſer aber nur zwey Geſandte geſchickt hatte, berief der tuͤrkiſche Kaiſer ſeinen dritten wieder zuruͤck b]; ia als einſt bey Auswechſelung der beiderſeiti- gen Geſandten auf der Grenze, der tuͤrkiſche etwas eher aus dem Steigbiegel war, hielten ſeine Leute ihn ſo lange ſchwebend, damit er mit dem roͤmiſch-kaiſerlichen zugleich auf die Erde ſteigen moͤchte. Sie gingen einander mit gleichen Schritten entgegen ꝛc. c]. Ueberhaupt aber kommen die Gelegenheiten zu Rang- ſtreitigkeiten mit der Pforte nicht oft vor, weil die Er- ſcheinung tuͤrkiſcher Geſandten an den europaͤiſchen Hoͤfen eine ſeltne Sache iſt. In ſchriftlichen Verhandlungen wird Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/273
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/273>, abgerufen am 23.11.2024.