Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.und dem eingeführten Range der Nazionen. ser kleinen Fürsten den Grund zur heutigen russischenMonarchie gelegt und dessen Nachfolger den Titel: Czar angenommen hatten, fing Rußland immer mehr und mehr an, sich über andere europäische Nazionen zu erhe- ben. Man wolte dem Titel: Czar, der eigentlich nichts mehr als König sagen will, die Bedeutung: Caesar, Imperator, beilegen, und deshalb kaiserliche Ehrenbezei- gungen verlangen. Die russischen Gesandten wurden auch an einigen Höfen würklich vorzüglicher als andere königliche behandelt. Durch die Annahme des Kaiser- titels im Jahr 1721 glaubte Rußland wahrscheinlich den Vorrang vor allen übrigen Königen zu erlangen; aber die meisten bedungen, bey Anerkennung dieses Ti- tels, daß derselbe nicht das geringste Vorrecht weiter bewürken solte a]. Demungeachtet verlangte der russische Gesandte bey Gegen Frankreich hatte Rußland schon 1701 Rang- ser- Q 3
und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen. ſer kleinen Fuͤrſten den Grund zur heutigen ruſſiſchenMonarchie gelegt und deſſen Nachfolger den Titel: Czar angenommen hatten, fing Rußland immer mehr und mehr an, ſich uͤber andere europaͤiſche Nazionen zu erhe- ben. Man wolte dem Titel: Czar, der eigentlich nichts mehr als Koͤnig ſagen will, die Bedeutung: Caeſar, Imperator, beilegen, und deshalb kaiſerliche Ehrenbezei- gungen verlangen. Die ruſſiſchen Geſandten wurden auch an einigen Hoͤfen wuͤrklich vorzuͤglicher als andere koͤnigliche behandelt. Durch die Annahme des Kaiſer- titels im Jahr 1721 glaubte Rußland wahrſcheinlich den Vorrang vor allen uͤbrigen Koͤnigen zu erlangen; aber die meiſten bedungen, bey Anerkennung dieſes Ti- tels, daß derſelbe nicht das geringſte Vorrecht weiter bewuͤrken ſolte a]. Demungeachtet verlangte der ruſſiſche Geſandte bey Gegen Frankreich hatte Rußland ſchon 1701 Rang- ſer- Q 3
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und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen.
ſer kleinen Fuͤrſten den Grund zur heutigen ruſſiſchen
Monarchie gelegt und deſſen Nachfolger den Titel: Czar
angenommen hatten, fing Rußland immer mehr und
mehr an, ſich uͤber andere europaͤiſche Nazionen zu erhe-
ben. Man wolte dem Titel: Czar, der eigentlich nichts
mehr als Koͤnig ſagen will, die Bedeutung: Caeſar,
Imperator, beilegen, und deshalb kaiſerliche Ehrenbezei-
gungen verlangen. Die ruſſiſchen Geſandten wurden
auch an einigen Hoͤfen wuͤrklich vorzuͤglicher als andere
koͤnigliche behandelt. Durch die Annahme des Kaiſer-
titels im Jahr 1721 glaubte Rußland wahrſcheinlich
den Vorrang vor allen uͤbrigen Koͤnigen zu erlangen;
aber die meiſten bedungen, bey Anerkennung dieſes Ti-
tels, daß derſelbe nicht das geringſte Vorrecht weiter
bewuͤrken ſolte a].
Demungeachtet verlangte der ruſſiſche Geſandte bey
der Pforte 1742 die Audienz vor allen andern Geſand-
ten, den roͤmiſch-kaiſerlichen ausgenommen b], und 1769
geſchah von den ruſſiſchen Miniſtern an den europaͤiſchen
Hoͤfen die Erklaͤrung: daß ſie von ihrer Monarchin be-
fehligt waͤren, keinem Geſandten andrer Maͤchte, auſſer
dem Roͤmiſch-kaiſerlichen, nachzuſtehn; welches beſon-
ders auf dem Reichstage zu Regensburg 1770 große
Bewegungen verurſachte c]. Aber verſchiedene Hoͤfe
ließen dagegen ausdruͤcklich erklaͤren, daß ſie dieſen Vor-
rang nicht geſtatten wuͤrden.
Gegen Frankreich hatte Rußland ſchon 1701 Rang-
anſpruͤche, die iedoch ohne oͤffentliche Streitigkeiten ab-
liefen d]. Im Jahr 1784 entſtanden deshalb neue Irr-
ungen zwiſchen den beiderſeitigen Geſandſchaften zu
Wien. Der ruſſiſche erklaͤrte bald nach ſeiner Ankunft
dem kaiſerlich-koͤniglichen Staatskanzler Fuͤrſten von
Kaunitz ſchriftlich, daß er den burboniſchen Miniſtern
nicht mehr den Vorrang laſſen wuͤrde e]. Dies war um
ſo auffallender, da Frankreich, als es den ruſſiſchen Kai-
ſer-
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