Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der ursprünglichen Gleichheit
men hatte, stand der pohlnische Gesandte auf und reichte
dem Portugiesen die Hand, als ob er ihm etwas zu sagen
hätte. Indem der portugiesische Gesandte, keine Arglist
befürchtend, ebenfals aufstand und sich zu dem Pohlen
neigte, schlüpfte dieser hurtig herum auf dessen Platz, zu
großem Misfallen des anwesenden Kaisers. Zwanzig
1 Th. Tit. 10. der spanische Gesandte Baron Batteville zu
Londen ließ 1661 bey Einhohlung des Schwedischen Both-
schafters dem französischen Gesandten Grafen von Estrades
die Strenge am Wagen zerschneiden, damit seine Carosse
diesem vorfahren und den Rang behaupten möchte, an sei-
nen Wagen aber waren subtile Ketten mit Leder überzogen
befestigt, damit ihm nicht ein Gleiches widerfahren konte.
Dieses Auftrits wegen, der ohne Blutvergiessen nicht ablief,
muste der König von Spanien nachher die bekante, weiter
unten zu erwähnende Erklärung am französischen Hofe thun
lassen. Lünig theatrum ceremoniale T. I. S. 421.
b] Mosers Staatsrecht 3. Th. S. 127.
c] Grotius L. II. c. 5. §. 21.
*] Crusius L. I. c. 5. §. 3. seq. p. 54. Stosch S. 867. u. f.
§. 16.
Rangordnung der europäischen Staaten.

Da die Nazionen keinen Obern erkennen, der den
Rang unter ihnen bestimmen könte, es auch an algemei-
nen Verträgen und unbezweifeltem Herkommen hierunter
noch gar sehr fehlt; so ist leicht abzunehmen, daß es keine
entschiedene Rangordnung unter den Staaten in Euro-
pa gebe, wornach sie sämtlich sich zu richten verbunden
wären. Jedoch haben verschiedene Päpste ehemals der-
gleichen Rangordnungen aufgesetzt und mehrmalen abge-
ändert. Dieienige, welche Julius II. durch seinen Ce-
remonienmeister Paris de Craßis 1504 bekant machen ließ,

ist
Von der urſpruͤnglichen Gleichheit
men hatte, ſtand der pohlniſche Geſandte auf und reichte
dem Portugieſen die Hand, als ob er ihm etwas zu ſagen
haͤtte. Indem der portugieſiſche Geſandte, keine Argliſt
befuͤrchtend, ebenfals aufſtand und ſich zu dem Pohlen
neigte, ſchluͤpfte dieſer hurtig herum auf deſſen Platz, zu
großem Misfallen des anweſenden Kaiſers. Zwanzig
1 Th. Tit. 10. der ſpaniſche Geſandte Baron Batteville zu
Londen ließ 1661 bey Einhohlung des Schwediſchen Both-
ſchafters dem franzoͤſiſchen Geſandten Grafen von Eſtrades
die Strenge am Wagen zerſchneiden, damit ſeine Caroſſe
dieſem vorfahren und den Rang behaupten moͤchte, an ſei-
nen Wagen aber waren ſubtile Ketten mit Leder uͤberzogen
befeſtigt, damit ihm nicht ein Gleiches widerfahren konte.
Dieſes Auftrits wegen, der ohne Blutvergieſſen nicht ablief,
muſte der Koͤnig von Spanien nachher die bekante, weiter
unten zu erwaͤhnende Erklaͤrung am franzoͤſiſchen Hofe thun
laſſen. Lünig theatrum ceremoniale T. I. S. 421.
b] Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 127.
c] Grotius L. II. c. 5. §. 21.
*] Cruſius L. I. c. 5. §. 3. ſeq. p. 54. Stoſch S. 867. u. f.
§. 16.
Rangordnung der europaͤiſchen Staaten.

Da die Nazionen keinen Obern erkennen, der den
Rang unter ihnen beſtimmen koͤnte, es auch an algemei-
nen Vertraͤgen und unbezweifeltem Herkommen hierunter
noch gar ſehr fehlt; ſo iſt leicht abzunehmen, daß es keine
entſchiedene Rangordnung unter den Staaten in Euro-
pa gebe, wornach ſie ſaͤmtlich ſich zu richten verbunden
waͤren. Jedoch haben verſchiedene Paͤpſte ehemals der-
gleichen Rangordnungen aufgeſetzt und mehrmalen abge-
aͤndert. Dieienige, welche Julius II. durch ſeinen Ce-
remonienmeiſter Paris de Craßis 1504 bekant machen ließ,

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note place="end" n="a]"><pb facs="#f0246" n="218[220]"/><fw place="top" type="header">Von der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Gleichheit</fw><lb/>
men hatte, &#x017F;tand der pohlni&#x017F;che Ge&#x017F;andte auf und reichte<lb/>
dem Portugie&#x017F;en die Hand, als ob er ihm etwas zu &#x017F;agen<lb/>
ha&#x0364;tte. Indem der portugie&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;andte, keine Argli&#x017F;t<lb/>
befu&#x0364;rchtend, ebenfals auf&#x017F;tand und &#x017F;ich zu dem Pohlen<lb/>
neigte, &#x017F;chlu&#x0364;pfte die&#x017F;er hurtig herum auf de&#x017F;&#x017F;en Platz, zu<lb/>
großem Misfallen des anwe&#x017F;enden Kai&#x017F;ers. <hi rendition="#fr">Zwanzig</hi><lb/>
1 Th. Tit. 10. der &#x017F;pani&#x017F;che Ge&#x017F;andte Baron <hi rendition="#fr">Batteville</hi> zu<lb/>
Londen ließ 1661 bey Einhohlung des Schwedi&#x017F;chen Both-<lb/>
&#x017F;chafters dem franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;andten Grafen von <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">E&#x017F;trades</hi></hi><lb/>
die Strenge am Wagen zer&#x017F;chneiden, damit &#x017F;eine Caro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
die&#x017F;em vorfahren und den Rang behaupten mo&#x0364;chte, an &#x017F;ei-<lb/>
nen Wagen aber waren &#x017F;ubtile Ketten mit Leder u&#x0364;berzogen<lb/>
befe&#x017F;tigt, damit ihm nicht ein Gleiches widerfahren konte.<lb/>
Die&#x017F;es Auftrits wegen, der ohne Blutvergie&#x017F;&#x017F;en nicht ablief,<lb/>
mu&#x017F;te der Ko&#x0364;nig von Spanien nachher die bekante, weiter<lb/>
unten zu erwa&#x0364;hnende Erkla&#x0364;rung am franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Hofe thun<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lünig</hi> theatrum ceremoniale T. I.</hi> S. 421.</note><lb/>
            <note place="end" n="b]"><hi rendition="#fr">Mo&#x017F;ers</hi> Staatsrecht 3. Th. S. 127.</note><lb/>
            <note place="end" n="c]"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Grotius</hi> L. II. c.</hi> 5. §. 21.</note><lb/>
            <note place="end" n="*]"><hi rendition="#aq">Cru&#x017F;ius L. I. c. 5. §. 3. &#x017F;eq. p.</hi> 54. <hi rendition="#fr">Sto&#x017F;ch</hi> S. 867. u. f.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 16.<lb/><hi rendition="#g">Rangordnung der europa&#x0364;i&#x017F;chen Staaten</hi>.</head><lb/>
            <p>Da die Nazionen keinen Obern erkennen, der den<lb/>
Rang unter ihnen be&#x017F;timmen ko&#x0364;nte, es auch an algemei-<lb/>
nen Vertra&#x0364;gen und unbezweifeltem Herkommen hierunter<lb/>
noch gar &#x017F;ehr fehlt; &#x017F;o i&#x017F;t leicht abzunehmen, daß es keine<lb/>
ent&#x017F;chiedene Rangordnung unter den Staaten in Euro-<lb/>
pa gebe, wornach &#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;mtlich &#x017F;ich zu richten verbunden<lb/>
wa&#x0364;ren. Jedoch haben ver&#x017F;chiedene Pa&#x0364;p&#x017F;te ehemals der-<lb/>
gleichen Rangordnungen aufge&#x017F;etzt und mehrmalen abge-<lb/>
a&#x0364;ndert. Dieienige, welche Julius <hi rendition="#aq">II.</hi> durch &#x017F;einen Ce-<lb/>
remonienmei&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Paris de Craßis</hi> 1504 bekant machen ließ,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218[220]/0246] Von der urſpruͤnglichen Gleichheit a] men hatte, ſtand der pohlniſche Geſandte auf und reichte dem Portugieſen die Hand, als ob er ihm etwas zu ſagen haͤtte. Indem der portugieſiſche Geſandte, keine Argliſt befuͤrchtend, ebenfals aufſtand und ſich zu dem Pohlen neigte, ſchluͤpfte dieſer hurtig herum auf deſſen Platz, zu großem Misfallen des anweſenden Kaiſers. Zwanzig 1 Th. Tit. 10. der ſpaniſche Geſandte Baron Batteville zu Londen ließ 1661 bey Einhohlung des Schwediſchen Both- ſchafters dem franzoͤſiſchen Geſandten Grafen von Eſtrades die Strenge am Wagen zerſchneiden, damit ſeine Caroſſe dieſem vorfahren und den Rang behaupten moͤchte, an ſei- nen Wagen aber waren ſubtile Ketten mit Leder uͤberzogen befeſtigt, damit ihm nicht ein Gleiches widerfahren konte. Dieſes Auftrits wegen, der ohne Blutvergieſſen nicht ablief, muſte der Koͤnig von Spanien nachher die bekante, weiter unten zu erwaͤhnende Erklaͤrung am franzoͤſiſchen Hofe thun laſſen. Lünig theatrum ceremoniale T. I. S. 421. b] Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 127. c] Grotius L. II. c. 5. §. 21. *] Cruſius L. I. c. 5. §. 3. ſeq. p. 54. Stoſch S. 867. u. f. §. 16. Rangordnung der europaͤiſchen Staaten. Da die Nazionen keinen Obern erkennen, der den Rang unter ihnen beſtimmen koͤnte, es auch an algemei- nen Vertraͤgen und unbezweifeltem Herkommen hierunter noch gar ſehr fehlt; ſo iſt leicht abzunehmen, daß es keine entſchiedene Rangordnung unter den Staaten in Euro- pa gebe, wornach ſie ſaͤmtlich ſich zu richten verbunden waͤren. Jedoch haben verſchiedene Paͤpſte ehemals der- gleichen Rangordnungen aufgeſetzt und mehrmalen abge- aͤndert. Dieienige, welche Julius II. durch ſeinen Ce- remonienmeiſter Paris de Craßis 1504 bekant machen ließ, iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/246
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 218[220]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/246>, abgerufen am 24.11.2024.